Tierrecht: Folter oder Forschung?
So kontrovers wie zurzeit wurde in Deutschland noch nie über Affenversuche gestritten. Auslöser: 24 Makaken in einem Bremer Versuchslabor unter Leitung des Neurobiologen Prof. Dr. Andreas Kreiter. Zwar experimentiert dieser Hirnforscher schon seit 1998 mit Rhesus- und Javaneraffen der Primatengattung Makaken; zwar versuchen TierschützerInnen, dies schon seit 1998 zu verhindern – aber einer breiten Öffentlichkeit fiel erst jetzt auf, was im Institut für Hirnforschung an der Universität Bremen getrieben wird. Nämlich dies:
Über zwei Jahre werden Jungtiere für das Bedienen von Knöpfen an einem Bildschirm dressiert. Dann bohren Professor Kreiter und sein Team den Affen jeweils zwei Löcher in den Schädel. Auf dem Scheitel über dem einen Bohrloch wird mit Acryl-Zement dauerhaft ein Titan-Zylinder befestigt, durch den Elektroden mittels hauchdünner Drähte direkt ins Gehirn gesenkt werden können. Aus dem anderen Bohrloch ragt ein Metallbolzen. Er dient zur Fixierung des Affenkopfes an einen "Primatenstuhl".
Während die gefesselten Affen stimulierende Bilder auf einem Bildschirm betrachten und dabei durch das Drücken von Knöpfen Aufgaben lösen müssen, werden ihre Gehirnströme gemessen. Das Thema dieser Grundlagenforschung lautet: "raumzeitliche Dynamik kognitiver Prozesse des Säugetiergehirns." Es soll ergründet werden, "wie das Gehirn aus der Fülle der Informationen der äußeren Welt jene von Bedeutung auswählt" (Spiegel).
In Deutschland hält man sich seit 1992 an die stillschweigende Übereinkunft, Menschenaffen von Experimenten zu verschonen. Doch Versuche mit so genannten gewöhnlichen Affen, wie Kreiters Makaken, sind gang und gäbe, jedoch genehmigungspflichtig. Im kleinsten deutschen Bundesland Bremen obliegt die Entscheidungshoheit Ingelore Rosenkötter (SPD), der streitbaren Senatorin für Frauen, Arbeit, Soziales und Gesundheit. Die ihr unterstellte Gesundheitsbehörde hatte seit 1998 alle drei Jahre wieder Kreiters Affenversuche bewilligt. Doch im Oktober 2008 verweigerte sie die erneute Genehmigung. Dagegen wehrten sich der Hirnforscher und die Universitätsleitung mit einem Eilantrag beim Bremer Verwaltungsgericht.
Das Gericht gestattete am 19. Dezember 2008 die "vorläufige Fortsetzung" der Affenversuche, längstens jedoch bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eingang eines (bei Redaktionsschluss noch ausstehenden) Widerspruchbescheids der Genehmigungsbehörde. Eine über diesen Zeitrahmen hinausgehende Fortsetzung der Affenversuche lehnte das Gericht ab.
Doch die Bremer Makaken sind noch nicht gerettet. Der Rechtstreit kann noch Jahre dauern. Denn Prof. Kreiter und die Universität Bremen sind entschlossen, alle Gerichtsinstanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht anzurufen. Es geht ihnen, sagen sie, grundsätzlich um die "Freiheit der Forschung".
Bei diesem Rechtsstreit prallen zwei Verfassungsprinzipien aufeinander: Der als Staatsziel im Grundgesetz verankerte Tierschutz, unverbindlich – und das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre, verbindlich. Gleichzeitig spielt das deutsche Tierschutzgesetz eine Rolle: Dieses gestattet Versuche an Wirbeltieren nur dann, "wenn die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Versuchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind" und nicht durch alternative Versuchsmethoden ersetzt werden können.
Professor Kreiter beteuert, seine Makaken würden nicht leiden. Das Gehirn sei unempfindlich für Schmerzen, sagt er. Die Affen lassen sich angeblich sogar "freiwillig" an den Primatenstuhl fesseln. Das Lösen der Aufgaben bereite den Tieren Kurzweil, behauptet der Forscher. Vor allem aber sei seine neurobiologische Grundlagenforschung an Affen ethisch grundsätzlich vertretbar, weil sie der angewandten medizinischen Forschung für Menschen neue Erkenntnisse über Epilepsie, Schizophrenie, Alzheimer und Demenz liefere.
Dem halten TierschützerInnen entgegen: Die intelligenten Makaken suchten ja nur deshalb Kurzweil, weil sie sich wegen der nicht artgerechten Haltung in engen Käfigen langweilen. Und trotz der Schmerzunempfindlichkeit des Gehirns sei es unerträglich für die Affen, dauerhaft mit zwei Löchern im Kopf sowie mit Zement und Metall auf dem Schädel leben zu müssen. Außerdem lasse Kreiter seine Makaken dürsten, um sie willig zu machen; bei Versuchskooperation würden sie mit Apfelsaft belohnt. Zudem praktiziere Kreiter nun schon seit über zehn Jahren diese immer gleiche "Affen-Folter" – bislang ohne Resultat für den menschlichen Nutzen.
Hinter Ingelore Rosenkötter und ihrer Gesundheitsbehörde steht im Bremer Parlament ein fraktionsübergreifendes Bündnis von Abgeordneten, das sich aufgrund des Drucks der Basis formiert hat. 80.000 Bremer BürgerInnen, darunter 300 WissenschaftlerInnen, forderten seit 1998 via Unterschriften: "Keine Primatenforschung an der Uni Bremen!" Hinter Prof. Kreiter und der Universitätsleitung stehen Millionen – Millionen Euro: das Geld des mächtigen Wissenschaftsbundes Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Kreiters Affenversuche finanziert, weil er sie für unverzichtbar hält. Auch der Deutsche Hochschulverband solidarisierte sich. Geschäftsführer Dr. Michael Hartmer ereiferte sich am 24. November 2008 in der FAZ: "Die Schaffung tierversuchsfreier Zonen ist rechtswidrig, unwissenschaftlich, lächerlich und atmet den reaktionären Geist der siebziger Jahre, als man versuchte, der Atomkraft den Zugang zum heimischen Anger zu verwehren."
Doch ist es nicht eher rückständig, dass bisher kaum Geld in die Entwicklung alternativer Versuchsmethoden investiert wurde? Gleichzeitig steigen die Zahlen der deutschlandweit in Versuchen "verbrauchten" gewöhnlichen Affen rasant: von 1.671 Tieren im Jahr 2004 auf 2.487 Tiere 2007!
Das Tierschutzgesetz schreibt vor: "Bei der Entscheidung, ob Tierversuche unerlässlich sind, ist der jeweilige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde zu legen und zu prüfen." Und da gäbe es so einiges an neuen Erkenntnissen. 2007 zum Beispiel erregte die italienische Verhaltensforscherin Elsa Adessi in Prag auf einem internationalen Primatologenkongress mit Kapuzineraffen Aufsehen. Diese zur Gattung der Neuweltaffen gehörenden Primaten gelten auch als gewöhnliche Affen und werden deshalb für Versuchszwecke verwendet. In ihrer Heimat, dem südamerikanischen Dschungel, benutzen Kapuzineraffen wie Menschenaffen Werkzeuge. Das war schon länger bekannt. Aber die Erkenntnis, dass sie auch mit Geld umgehen können, ist neu.
Elsa Adessi hatte zehn Kapuzineraffen beigebracht, den Wert von verschiedenfarbigen Chips zu taxieren: Für einen grauen Chip gab es nur eine Erdnuss, für einen hellgelben drei Erdnüsse usw. Die schlauen Kapuzineraffen kapierten schnell, wie Gewinnmaximierung funktioniert. Hatten sie die Wahl zwischen vielen Chips mit geringem Wert und wenigen Chips mit hohem Wert, wählten sie die höherwertigen, für die sie mehr Erdnüsse bekamen. Adessi in Prag: "Dazu müssen sie die Addition beherrschen und die symbolische Bedeutung der Chips begreifen. Das Verständnis von Symbolen ist eine Fähigkeit, die bislang nur beim Menschen und in geringem Ausmaß bei Schimpansen festgestellt wurde."
VerhaltensforscherInnen interessiert zunehmend auch die "emotionale Intelligenz", die der Mensch bis vor kurzem für sich allein beansprucht hat. Ein Spiegel-Spezial-Heft über "Die Entschlüsselung des Gehirns" widmete 2003 ein ganzes Kapitel den Emotionen der Tiere. Der Befund überrascht TierfreundInnen vermutlich nicht sonderlich. Das Spiegel-Spezial präsentierte als große Überraschung Erkenntnisse wie: Elefanten trauern, Wale liebkosen sich, Hunde winseln aus Scham und Rhesusaffen hungern aus Mitleid. "In einem staunenswerten Experiment verzichteten Rhesusaffen darauf, an einer Kette zu ziehen, was ihnen Futter verschaffte, wenn sie damit zugleich bewirkten dass ein Artgenosse einen Stromschlag erhielt – lieber verzichteten sie stunden-, in einigen Fällen sogar tagelang auf Nahrung."
Hut ab vor den Rhesusaffen! Denn ein berühmtes vergleichbares Experiment des amerikanischen Psychologen Standley Milgram mit Menschen ergab 1963 genau das Gegenteil. StudentInnen, die bei KommilitonInnen durch bestrafende Stromstöße den Lernerfolg steigern sollten, waren auf Befehl dazu bereit, die (scheinbare) Stromzufuhr bis zur tödlichen Dosis zu steigern. Dieser Menschenversuch, mit dem Milgram die Bereitschaft testen wollte, wie weit wir Menschen gehen, wenn wir Anweisungen erhalten, ArtgenossInnen zu terrorisieren und zu töten, ist in anderen Ländern und zu anderen Zeiten mehrfach wiederholt worden. Mit gleichem Ergebnis: 90 Prozent der ProbandInnen unterwarfen sich fraglos der Befehlsgewalt einer vermeintlichen Autoritätsperson.
Sind Rhesusaffen also die besseren Menschen? Jedenfalls sind sie eng mit uns verwandt – so eng, dass der amerikanische Psychologe und Verhaltensforscher Harry Harlow 1956 auf die Idee kam, anhand von Rhesusaffen zu ergründen, was neugeborene Menschenkinder an ihren Müttern lieben.
Gleich nach der Geburt steckte der Professor in seinem Versuchslabor an der Universität von Wisconsin Rhesusaffenkinder allein in Käfige. Dort hatten sie nur Gesellschaft von zwei "Muttermaschinen": die eine ein Drahtgestell mit einem Milch spendenden Metallnippel, die andere ein mit einem Frotteehandtuch umwickelter, kuscheliger Pappkegel. Wurde den Rhesusäffchen diese Behaglichkeitsquelle weggenommen, kreischten sie verzweifelt und koteten sich ein. Die Entfernung der Milchquelle hingegen entlockte ihnen allenfalls ein Wimmern. Zwar hatten Harlow und sein Team erwartet, "dass der Trost des Körperkontakts eine grundlegende Liebesvariable ist": "Doch wir hatten nicht erwartet, dass er die Nahrungsvariable so vollständig in den Schatten stellen würde."
Die Botschaft kam an. Kinderärzte und Kinderpsychologen, die in USA bis dahin empfohlen hatten, menschliche Säuglinge durch körperliche Distanz zu disziplinieren, rieten nun, sie auf den Arm und mit ins Bett zu nehmen. Das Stillen, bei dem sich die schlecht beratenen Mütter in den 1950er Jahren ohnehin nur nach der Uhr und nicht nach Säuglingsbedürfnissen richteten, war fortan ganz und gar verpönt – worüber sich die Lebensmittelindustrie freute.
1966 nahm Harry Harlow dann auch noch das "Mutterverhalten" von erwachsenen Rhesusaffen ins Visier, "die in ihrer Kindheit keine Beziehungen zu Müttern und ihresgleichen hatten". Aus den malträtierten Affenkindern waren Soziopathen geworden. Sie lehnten jeglichen Kontakt zu Artgenossen ab und verweigerten die Paarung. Also konstruierte der Psychologieprofessor ein "Vergewaltigungsgestell". Mit dem Ergebnis, dass die vergewaltigten Affenweibchen später ihre Kinder töteten.
Früher sind in Europa massenweise Schimpansen als Versuchstiere "verbraucht" worden. Der stillschweigende Verzicht auf Versuche mit Menschenaffen in Deutschland liegt – neben den hohen Kosten, den geringen Zuchterfolgen und den meist enttäuschenden Versuchsergebnissen – vermutlich an der Entschlüsselung des Schimpansen-Genoms: Es unterscheidet sich von dem des Menschen nur um 1,3 Prozent, 98,7 Prozent haben Menschen und Schimpansen gemeinsam. Auch das Genom der Rhesusaffen ist inzwischen entschlüsselt worden: Sie haben 93,5 Prozent ihres Erbguts mit uns Menschen gemein.
Allerdings waren die Genforscher laut Ärzteblatt "verblüfft" darüber, "dass einige gesunde Gene der Makaken Ähnlichkeiten mit Genmutationen aufweisen, die beim Menschen Krankheiten auslösen", darunter "Hirnschäden" und "mentale Retardierung". Auch bei Antikörpern, die im Immunsystem von Rhesusaffen und anderen Makaken ungefährlich sind, aber beim Menschen "einen lebensgefährlichen Zytokinsturm entfachen", zeigen sich "Grenzen des Tiermodells".
TierrechtlerInnen weisen seit Jahren darauf hin, dass Resultate aus Affenversuchen nicht zwangsläufig auch für Menschen gelten. Ein berühmtberüchtigter Beleg dafür sind die 111 Schimpansen, die bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde und der US-Airforce als Testpersonen für Erdumrundungskapseln und Schleudersitze ausgedient hatten. Die Nachfahren von Ham und Emos, den ersten Primaten im All, wurden an ein privates Labor verkauft, das den HI-Virus erforschte. Doch Schimpansen erkranken nicht an Aids, stellte sich heraus. Sie starben trotzdem zuhauf, weil sie wie Gegenstände behandelt und in Einzelkäfigen gefangen gehalten wurden.
Wegen ihrer Untauglichkeit für die Aids-Forschung sollten die 21 Überlebenden getötet werden. Nur dank einer durch alle Gerichtsinstanzen verfochtenen und schließlich 1999 in Washington gewonnenen Klage gelang es dem "Zentrum für die Pflege gefangener Schimpansen" aus Florida, das zu verhindern.
Die US-Gesundheitsbehörde NIH (National Institute for Health) hatte bereits 1997 angeordnet, alle "überzähligen" Schimpansen aus staatlichen Laboren Auffangstationen zu übereignen, anstatt sie zu töten. Diesem Vorbild folgte der amerikanische Pharmakonzern Baxter für all seine ausgedienten Versuchsaffen: auch für die des fusionierten Pharmaunternehmens Immuno in Österreich. 2001 schloss Baxter einen Vertrag mit der Safari- und Abenteuer GmbH in Gänserndorf bei Wien. Es wurde vereinbart, dass die Immuno-Affen in den Besitz der GmbH übergehen und der Pharmakonzern ihnen bis zum Jahr 2012 eine Pension zahlt.
Im Winter 2002 zogen 150 Affen, darunter 45 Schimpansen, vom Immuno-Labor in Orth in das neu erbaute Affenzentrum in Gänserndorf um. Die Verhaltensforscherin Signe Preuschoft übernahm die wissenschaftliche Leitung eines Forschungsprojekts über die Resozialisierung von Versuchsaffen: "Das bedeutete vor allem, die Schimpansen, die jahrzehntelang in Einzelhaft waren, an ein Leben in sozialen Gruppen zu gewöhnen."
Die Wissenschaftswelt horchte auf, die Medien berichteten begeistert, Jane Goodall zeigte sich bei einem Besuch "sehr angetan" vom Modell Gänserndorf. Doch im Januar 2004 meldete die Safari- und Abenteuer GmbH plötzlich Konkurs an. Zurzeit halten in Gänserndorf sieben Tierpflegerinnen mit 47 Affen die Stellung: 41 Schimpansen, fünf Rhesusaffen und ein Schweinsaffe. Die anderen Affen hat der Konkursverwalter europaweit in Zoos untergebracht. Die in Gänserndorf verbliebenen Tiere sind so traumatisiert, dass man ihnen einen erneuten Ortswechsel nicht zumuten kann.
Österreich rühmt sich, das fortschrittlichste Tierschutzgesetz Europas zu haben, auch weil es "Tierombudsmännern und -frauen" erlaubt, wie AnwältInnen Tierrechte einzuklagen. In Deutschland wird seit Jahren darum gerungen. Aber nur der tierfreundliche Stadtstaat Bremen hat das hierzulande so genannte Verbandsklagerecht für Tierschutz- und Tierrechtsvereine eingeführt, das Land Sachsen hat jüngst einen entsprechenden Antrag abgelehnt. Ohne ein solches Klagerecht bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz bleibt auch die hart erkämpfte, 2002 erfolgte Aufnahme des Staatsziels Tierschutz ins Grundgesetz (Artikel 20 a) wirkungslos. Denn deutsche Staatsanwaltschaften und Gerichte haben erfahrungsgemäß kein Interesse am Tierschutz und stellen Strafverfahren, die auf polizeilichen Ermittlungen und privaten Anzeigen beruhen, reihenweise ein.
Auch Tierschutzvereine in Österreich monieren, dass auf die schönen Worte im am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen österreichischen Tierschutzgesetz keine Taten gefolgt sind. Im Juli 2007 jedoch erschien im Fall Gänserndorf ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Damals beauftragte das Bundesparlament (Nationalrat) das für den Tierschutz zuständige Bundesgesundheitsministerium einstimmig damit, die "dauerhafte Unterbringung der Affen sicher zu stellen", und zwar in Gänserndorf. Die von Baxter errichteten Affenhäuser sollten sogar artgerechte Außengehege erhalten. Eine Trägergesellschaft sollte gegründet werden. Das Konzept dafür sollte ein Projektteam aus VertreterInnen des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundeslandes Niederösterreich, der Firma Baxter und der Konkursverwaltung erarbeiten. Auf das Ergebnis warten die sieben Tierpflegerinnen und die 47 Affen heute noch. Aber der sie unterstützende Verein 'hopE: Menschen für Affen' gibt die Hoffnung nicht auf. Obfrau Renate Foidl: "Es muss doch möglich sein, die pensionierten Versuchsaffen für das Leid, das ihnen für uns Menschen zugefügt wurde, mit etwas Lebensqualität zu entschädigen."
Weil Affen zwischen 40 und 60 Jahre alt werden, ist diese "Entschädigung" teuer. Durch das amerikanische Affenprojekt in Österreich wurden bei europäischen TierschützerInnen Wünsche geweckt, die in Europa weder Industrie noch Wissenschaft erfüllen wollen. Die europäischen Versuchslaborbetreiber ziehen es vor, die Unterhaltskosten für ausrangierte Versuchsaffen der holländischen Privatstiftung 'Stichting Aap' (AAP) aufzuhalsen, deren Auffangstation in Almere weltweit als vorbildlich gilt. Dort kümmern sich 240 MitarbeiterInnen rund um die Uhr um 350 gequälte exotische Tiere aus Versuchslaboren, Zirkussen und Privathaltung. Damit mehr Opfer von Tierquälerei in artgerechter Haltung leben können, baut AAP derzeit in Spanien auf einem 180 Hektar großen Gelände ein Freigehege.
Stiftungsdirektor David van Gennep forderte am 24. April 2007 bei einer Kundgebung auf dem Münchner Marienplatz "das sofortige Verbot aller Affenversuche in Europa". Der 24. April ist der Internationale Tag des Versuchstiers. 20 deutsche Tierschutz- und Tierrechtsgruppen hatten München zum Kundgebungsort erwählt, um die oberbayerische Genehmigungsbehörde zu unterstützen, die dem Klinikum Großhadern keine Affenversuche mehr bewilligen wollte. Dieses Verbot hat seit 2008 rechtlichen Bestand. Grund: Das Klinikum hatte zwar bei Gericht einen Eilwiderspruch eingereicht, aber keine Begründung nachgereicht. Warum wohl nicht? Vielleicht weil sich Affenversuche für die Hirnforschung nur noch schwer begründen lassen.
Gerade in den Neurowissenschaften bieten die rasant leistungsfähiger werdenden Computer ungeahnte Möglichkeiten. So versicherte der Physiker Felix Schürmann vom Polytechnikum Lausanne 2006 auf der internationalen Supercomputerkonferenz (ISC) in Dresden: "Der Großrechner ermöglicht uns, korrekte Modelle für 10.000 Nervenzellen zu erstellen." Die Simulation von Hirnfunktionen mit Supercomputern sei ein "Schlüssel zum Verständnis von Nervenleiden". Auch kann inzwischen mittels Kernspin- und Positronen-Emissions-Tomographie sowie am Kopf angebrachter Elektroden Hirnforschung direkt am Menschen betrieben werden.
Wie auch immer: In punkto Affenversuche herrscht in Deutschland weiterhin Rechtsunsicherheit. Die könnte mit einem schlichten Verbot im Tierschutzgesetz beseitigt werden. Aber für eine solche Reform findet sich im Berliner Bundestag zur Zeit keine Mehrheit – nicht zuletzt wegen der einflussreichen Lobbys von Pharmakonzernen und Wissenschaftsbünden. Doch auch die Affen haben eine Lobby, die ist zwar weniger mächtig, aber zahlreich. Nicht nur organisierte TierschützerInnen und TierrechtlerInnen sind gegen Affenversuche, sondern wohl auch Millionen von BürgerInnen. Das jedenfalls lässt sich aus einer Blitzumfrage der Süddeutschen Zeitung im November 2008 zum Fall Kreiter in Bremen schließen: 90 Prozent der Befragten waren für die ausnahmslose Abschaffung aller Tierversuche!
Noch ist in Bremen nichts entschieden. Die Eröffnung des Hauptverfahrens beim Verwaltungsgericht steht noch aus. Bis dahin, so erklärten die Richter in ihrer Eilentscheidung vom 19. Dezember 2008, sei es "notwendig, den Sachverhalt weiter aufzuklären". Im Anschluss daran seien "schwierige und bislang nicht abschließend geklärte Rechtsfragen zu beantworten". Also noch Zeit, der streitbaren Senatorin Ingelore Rosenkötter und ihrer Gesundheitsbehörde den Rücken zu stärken. Zum Beispiel am 24. April, dem Internationalen Tag des Versuchstiers.