Der 11. JournalistInnenpreis: Die
Alle prämierten Texte sind in der EMMA-Ausgabe Sommer 2010 veröffentlicht.
1. Preis (3.000 €)
über die Mafia, Die Zeit 2009/2010
Petra Reski ist im Ruhrgebiet geboren, hat in Münster und Paris studiert (Romanistik und Sozialwissenschaften) und die Henri-Nannen-Schule besucht. Danach war sie Stern-Redakteurin und ist seit 1991 Schriftstellerin und freie Autorin mit Wohnsitz Venedig, vorwiegend für Zeit und Geo. Über die Mafia schreibt Reski seit 1989. Im September erscheint ihr neuestes Mafia-Buch: „Von Kamen nach Corleone. Die Mafia in Deutschland“.
Die Jury: Es gehört Mut dazu, sich mit der Mafia anzulegen. Und den hat die Autorin im Übermaß. Sie verfolgt die Spuren der Krake Mafia sogar bis nach Deutschland und lässt sich auch von Drohungen und Strafanzeigen nicht einschüchtern. Und obwohl sie das Thema seit vielen Jahren von allen Seiten her betrachtet, hat sie sich inhaltlich wie sprachlich einen Zugriff bewahrt, bis in die Details. Das ist Aufklärung im besten Sinne!
2. Preis (2.000 €):
"Die Bienenkönigin" (Kanzlerin Merkel), Der Stern 39/2009
Ulrike Posche, 52, ist im Rheinland geboren, hat in Münster studiert (Germanistik, Politik und Publizistik) und bei der Rheinischen Post sowie der Münsterschen Zeitung gearbeitet. Sie besuchte die Henri-Nannen-Schule in Hamburg und fing 1987 als Redakteurin beim Stern an. Posche hat Biografien veröffentlicht über Gerhard Schröder und mächtige Frauen wie Friede Springer und Liz Mohn. Heute ist sie Stern-Autorin.
Die Jury: Die Autorin beobachtet diese Frau an der Macht mit Neugierde, Empathie und Distanz zugleich. Sie ist gnadenlos genau, aber nie denunziatorisch. Sie hat eine mitreißende Freude am Sujet, ohne ihm zu verfallen. Ihr Porträt ist brillant geschrieben, bilderreich, humorvoll und analytisch. Posche ist gefeit gegen Klischees im Denken wie im Schreiben.
3. Preis (500 €)
"Der Ludwig lacht" (Spätabtreibungen), Der Spiegel 26/2009
Beate Lakotta, 45, ist in Kassel geboren, hat in Heidelberg studiert (Germanistik und Politik) und in Hamburg ein TV-Volontariat absolviert. Als Quereinsteigerin geriet sie zum Spiegel, bei dem sie seit über zehn Jahren Wissenschaftsredakteurin ist. Über das Thema „Noch mal leben vor dem Tod. Wenn Menschen sterben“, machte sie, zusammen mit Walter Schels, ein Buch und eine viel beachtete Ausstellung. Mehrere Preise.
Die Jury: Die Autorin hat es geschafft, bei diesem so heiklen Problem das Vertrauen der Eltern zu gewinnen und deren Zerrissenheit erkannt. Und die Unmenschlichkeit der Ärzte. Das Thema Behinderung und Spätabtreibung ist so oft Gegenstand von Kitsch und Verlogenheit. Umso beeindruckender die Menschlichkeit und Gradlinigkeit dieses Textes.
3. Preis (500 €)
„Alles wieder auf Anfang“ (Liberia), Geo Dezember 2009
Gabriele Riedle, 51, ist in Stuttgart geboren, hat in Berlin studiert (Literaturwissenschaft und Italianistik) und als Taxifahrerin und Tänzerin gejobbt. Seit 2001 ist sie Redakteurin bei Geo mit Reportagen zwischen Afghanistan und Haiti, Japan und Jemen. Sie veröffentlichte zwei Romane: „Fluss“ (zusammen mit Viktor Jerofejew) und „Versuch über das wüste Leben“. 2008 Hansel-Mieth-Preis.
Die Jury: Die Autorin erzählt uns auf leichte Art ein schweres Thema. Am Beispiel weniger Figuren handelt sie die halbe Welt und ihre Geschichte vom Kolonialismus bis zum Kapitalismus ab. Sie ist dazu auf gelassene Art sowohl geschlechterbewusst wie ambivalenzfähig. In höchst unterhaltsamer Weise vermittelt sie uns ein komplexes Wissen plus präziser Analyse – bei der viele Fragen offen bleiben.
Männerpreis (333 €)
„Die Hurenkinder“ (Philippinen), Focus 53/2009
Wolfgang Bauer, 39, ist in Hamburg geboren. Es folgten: Bundeswehr, Abendgymnasium mit Jobs u.a. als Müllsortierer und Postbote, Studium in Tübingen (der Islamistik und Geschichte). Seit 1994 arbeitet Bauer als freier Journalist, Schwerpunkt Reportagen, ab 1998 überwiegend für Magazine, von Stern bis Brigitte. Seit 2001 ist er Pauschalist bei Focus und schreibt u.a. für National Geographic und das Greenpeace Magazin.
Die Jury: Viele deutsche Männer fahren gezielt in arme Länder – und viele JournalistInnen haben schon über den Sextourismus geschrieben. Doch es bleibt dem Autor vorbehalten, uns erstmals über dieses so naheliegende, aber für uns neue Thema dieser Folgen zu informieren. Bauer hat hinter die Kulissen des Recherche-Journalismus geschaut – und uns mit seiner Reportage erschüttert.
Männerpreis (333 €)
„Die Macht der Frauen“, Geo September 2009
Mathias Mesenhöller, 40, ist in Herne geboren und hat u.a. in Berlin und Irkutsk studiert (Geschichte und Wirtschaftswissenschaft). Stipendiat der Adenauer-Stiftung und Promotion 2007. Seit 2001 Assistent am „Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas“ der Universität Leipzig. Zahlreiche Veröffentlichungen als Geschichtsjournalist, u.a. über Kennedy und Stalin und „Die Stunde Null“ in Berlin.
Die Jury: In einem Land, in dem die meisten wissenschaftlichen Texte unlesbar sind, schafft es dieser Historiker, uns auf eine lebendige Reise quer durch ein paar Jahrhunderte mitzunehmen. Spannend und witzig erzählt er, wie Frauen an die Macht gekommen sind und was sie damit angestellt haben. Dieser Mann interessiert sich ernsthaft für Frauen – und kommt sogar noch zu einer treffenden Konklusion.
Männerpreis (333 €)
„Zeugnistage“ (Hentig), Süddeutsche Zeitung, 12.3.2010
Tanjev Schultz, 36, ist in Berlin geboren, hat dort sowie die Bloomington studiert (Philosophie, Politik und Psychologie) und in Bremen promoviert. Seit 2003 Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung, seit 2005 als Redakteur in der Innenpolitik. Seine Schwerpunkte sind: Bildungs- und Forschungspolitik sowie Schule und Hochschule.
Die Jury: Beeindruckend an diesem Text ist vor allem seine Ambivalenzfähigkeit. Der Artikel war einer der ersten, der nach Bekanntwerden des Skandals erschien. Der Autor hat den Mut, uns mit auf seinen Weg voller Zweifel und Hin- und Hergerissensein zu nehmen. Er macht aus seiner bis heute andauernden Bewunderung für Hentig kein Hehl – sieht aber dennoch genau hin, bis in die Abgründe. Er entlarvt, ohne vorzuführen.