Gisela Friedrichsen verurteilt
Die Gerichtsreporterin des Spiegel ist seit langem eine umstrittene Journalistin. Manche Juristen werfen ihr vor, dass sie „Noten verteilt“ (Müller-Luckmann) und immer wieder versuche, Urteile zu beeinflussen. Und LeserInnen wundern sich seit langem, wie häufig die Opfer in der Berichterstattung der Spiegel-Reporterin dastehen, als seien sie die Täter – vor allem, wenn sie Frauen sind und es um Sexualverbrechen geht, um Missbrauch oder Sexualmord.
So wusste Friedrichsen als Einzige immer schon, dass Monika Weimar die Mörderin ihrer Kinder war! Den Ehrenmord an der Afghanin Morsal, die 2009 von ihrem Bruder mit 23 Messerstichen niedergemetzelt wurde, nannte sie einen „Geschwisterkonflikt“. Und sie beeinflusste zahllose Prozesse, in denen nicht zuletzt dank ihrer Berichterstattung die Opfer als unglaubwürdig hingestellt wurden. Stichwort Montessori-Prozess (1994), Worms-Prozess (2007) oder Pascal-Prozess (2007).
Über den so genannten Pascal-Prozess, in dem es um das spurlose Verschwinden des kleinen Jungen und den Verdacht auf massenhaften Kindesmissbrauch ging, berichtete EMMA in der März-Ausgabe 2009. Wir sprachen mit der Pflegemutter des Hauptzeugen, der betroffene kleine Kevin, der heute schwer traumatisiert bei Esther Fehrer lebt.
Friedrichsen, die von Anbeginn an davon überzeugt war, dass die Angeklagten aus der Tosa-Klause unschuldig sind, hatte im Spiegel sehr parteiisch über den Prozess berichtet. Und sie veröffentlichte anschließend auch gleich noch ein ganzes Buch über den Fall: „Im Zweifel gegen die Angeklagten – die Geschichte eines Skandals“.
In diesem Buch hatte die Gerichtsreporterin – die überhaupt nur an etwa 30 von 148 Verhandlungstagen in dem Saarbrücker Gerichtssaal gesessen hatte – die Pflegemutter des kleinen Zeugen so dargestellt, als habe da eine selbst traumatisierte Frau einen Stellvertreterkrieg geführt: als habe die Pflegemutter den kindlichen Zeugen manipuliert und so den ganzen Prozess überhaupt erst angezettelt. Wodurch das eh schon nicht leichte Leben von Frau Fehrer noch schwerer wurde. Denn nun guckten sie auch noch die Leute und Ämter scheel an.
Doch Esther Fehrer ließ sich nicht einschüchtern. Sie wehrte sich. Mit Erfolg. Das Kammergericht Berlin sah die weitere Verbreitung der Behauptung, Frau Fehrer habe den Pascal-Prozess mit ihren Unterstellungen überhaupt erst angestoßen, als unzulässig an. Der Berliner Medienanwalt Schertz teilte mit, dass das Buch nur noch bis Anfang Juli ausgeliefert werden darf und der Verlag Random House verbleibende Exemplare vernichten muss. Dass es eine zweite Auflage des Buches gibt, erscheint nach der klaren Einschätzung des Gerichts zu einer der Kernaussagen des Buches sehr unwahrscheinlich.
Für die als „renommiert“ geltende Journalistin Gisela Friedrichsen, die sich immer wieder zur „Richterin der Richter“ aufschwingt, ist dieses Urteil eine schwere Niederlage. Und hoffentlich eine Warnung – in Zukunft verantwortungsbewusster mit Menschen umzugehen und sich vor Vorverurteilungen in Millionenauflage zu hüten.
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Der Fall Pascal. Gespräch mit Esther Fehrer (2/09)
Wo bleibt die Menschenwürde? Prof. Elisabeth Müller-Luckmann über die Rolle der Gutachter und Medien (2/09)
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