Es gilt die Unschuldsvermutung!

Dominique Strauss-Kahn und seine Ehefrau Anne Sinclair.
Artikel teilen

Bis zu seinem Prozess am 6. Juni ist Strauss-Kahn auf freiem Fuß, unter schweren Auflagen: Er muss sechs Millionen Dollar Kaution zahlen (eine davon in bar), eine elektronische Fußfessel tragen und hat Hausarrest in einem Appartment, vor dem permanent zwei bewaffnete Wachleute postiert sind. Die Sorge der US-Justiz, dass dieser so mächtige und reiche Mann fliehen könnte, muss sehr groß sein.

Anzeige

Auch über das Zimmermädchen, das Klage eingereicht hat, wissen wir inzwischen mehr: Nafissatou Diallo ist 32 Jahre alt und alleinerziehende Mutter einer Tochter; sie wohnt in der Bronx und kam vor einigen Jahren aus Guinea, einem der ärmsten Länder der Welt. Ms Diallo arbeitet seit drei Jahren im Sofitel und gilt als „vertrauenswürdige“ Mitarbeiterin.

In Frankreich ist inzwischen ein Grundsatzstreit ausgebrochen. Die Strauss-Kahn geneigten linksliberalen Medien und Intellektuellen empören sich mehrheitlich über die „menschenunwürdige“ Behandlung ihres Idols und sprechen von einer "Verschwörung" gegen Frankreich. Andere wiederum kritisieren die „Omerta“ (FAZ) der einschlägigen Pariser Clique, die das sexistische Wüten von Strauss-Kahn über Jahre, ja Jahrzehnte zuließ.

Die Autorin Tristane Banon, 31, zum Beispiel ist jetzt entschlossen, ebenfalls Anzeige zu erstatten. Sie sagt, sie sei im Alter von 22 Jahren von DSK regelrecht angefallen worden („wie ein wilder Schimpanse“). Er habe versucht, ihr die Kleider vom Leib zu reißen und sie zu vergewaltigen. Tristane war damals die beste Freundin von Camille, der Tochter von Strauss-Kahn, und Patentochter seiner zweiten Ehefrau (die jetzige ist die Dritte). Sie hatte ihn 2002 wegen des „immensen Drucks“ ihrer Mutter nicht angezeigt, die mit der Familie befreundet und Mitglied der Sozialistischen Partei ist.

Der Anwalt von Nafissatou, Jeffrey Shapiro, erklärte, dass die Frau inzwischen nicht mehr in ihrer Wohnung wohnen könne und unter Polizeischutz stehe. Und er fügte hinzu: „Sie hatte keine Ahnung, wer dieser Mann war, als sie das Hotelzimmer betreten hat. Sie erfuhr es wahrscheinlich erst am nächsten Tag. Die Idee, dass sie in irgendeine Verschwörung verwickelt sein könnte, ist absurd.“

Es gilt die Unschuldsvermutung - auch für die Opfer!

 

Artikel teilen

DSK: Frauenproteste in Frankreich: Wir

Artikel teilen

Jedes Jahr werden in Frankreich 75.000 Frauen Opfer einer Vergewaltigung, aber nur jede zehnte zeigt das Verbrechen an, erklären die Initiatorinnen des Appells, die Organisationen Osez le Feminisme (Feminismus wagen), Paroles de Femmes (Frauen reden) und La Barbe (Der Bart), deren Mitglieder bei ihren Protestaktionen stets Bärte tragen. Und dazu, so die Protestlerinnen, tragen die verharmlosenden Kommentare wie die des Ex-Kulturministers Jack Lang („Es ist schließlich niemand gestorben“) oder des Philosophen Bernard-Henri Lévy („puritanischer Irrsinn“, in der Zeit) bei. Das findet auch die von Migrantinnen der Banlieus gegründete Frauenrechtsorganisation „Ni putes ni soumises“ (Weder Huren noch Unterdrückte): „Diese Affäre überschreitet weit den Kreis der beiden Protagonisten“, erklären sie. Schon jetzt würden Sätze laut wie: „Ich würde meiner Tochter von einer Anzeige abraten“ oder „Ich würde versuchen, allein zurechtzukommen, damit ich mich nicht in der selben Situation wiederfinde“.

Anzeige

„Die Medien wiederholen immer wieder, dass für Dominique Strauss-Kahn die Unschuldsvermutung gelte. Nur wenige denken daran hinzuzufügen, dass das auch für das Zimmermädchen gilt und es hier eine ‚Opfervermutung’ geben muss“, erklären Béatrice Gamba und Agnés Guerin-Battisti, Sprecherinnen der Organisation Mix-Cité.

Nafissatou Diallo, das mutmaßliche Opfer, muss sich im bevorstehenden Prozess auf einiges gefasst machen. Nachdem das Sperma auf ihrer Uniform gerade als das von Dominique Strauss-Kahn identifiziert wurde (der zunächst behauptet hatte, die Frau nicht zu kennen und ein Alibi für die fragliche Zeit vorschob), kündigten die Anwälte des Ex-IWF-Chefs an, das „Vorleben“ der 32-Jährigen aus Guinea „zu durchforsten“.

Weiterlesen
 
Zur Startseite