Hatun und Can-Chef verurteilt: Betrüger
Zu exakt vier Jahren und zehn Monaten Gefängnis wurde Udo D. von den Berliner Richtern verurteilt. Für sie stand schon lange fest, dass der Mann die rund 700.000 Euro, die er angeblich für muslimische Mädchen und Frauen in Not gesammelt hatte, veruntreut hatte. In Kneipen schmiss der Hartz-IV-Empfänger Runden, im Bordell spielte er den Lebemann und „Freundinnen“ lud er zu Luxusreisen ein. 500.000 Euro dieses Geldes kamen von Alice Schwarzer: Sie hatte im September 2009 ihren gesamten Gewinn bei „Wer wird Millionär?“ an Hatun & Can gespendet. Denn ihr liegt die oft dramatische Lage bedrohter Mädchen und Frauen in muslimischen Familien besonders am Herzen (siehe auch ihr Buch „Die große Verschleierung"). Die EMMA-Herausgeberin war es auch, die Udo D. letztendlich zur Strecke brachte. Sie hatte kurz nach der Spende erkannt, dass „etwas nicht stimmte“. Trotz der Bedenken so mancher blieb sie am Ball und initiierte schließlich die Anzeige gegen den Betrüger.
Ein Jahr lang verhandelte das Moabiter Kammergericht gegen den dreisten Udo D., der breit lächelnd auf der Anklagebank residierte. Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Kein Wunder: Schließlich waren seine Betrügereien über Jahre durchgegangen. Warum? Weil die Menschen so gerne ans Gute glauben wollen. Alice Schwarzer nicht minder.
Udo D. hatte behauptet, ein Freund von Hatun Sürücü zu sein. Das war ebenso gelogen wie seine Behauptung, dass er mehrere Schutzwohnungen für Mädchen unterhalte, die vor Zwangsheirat und Misshandlung aus ihren Familien fliehen wollten. Hunderten Mädchen und Frauen hätten er und seine MitarbeiterInnen zur Flucht verholfen.
Wie das Gericht feststellte, waren es „nur eine Handvoll“, die Udo D. in einer Wohnung unterbrachte und sie dort sich selbst überließ. Aber mit diesen Alibi-Frauen führte er etliche JournalistInnen hinters Licht. So auch EMMA, die im Herbst 2008 ausführlich über das Projekt berichtete.
Ein Jahr später spendete Alice Schwarzer ihr bei „Wer wird Millionär“ erspieltes Geld an „Hatun & Can“. Als sie jedoch auf ihre Frage, was genau denn nun mit dem Geld geschehen solle, nur ausweichende Antworten erhielt, wurde sie skeptisch und bestand auf einem Treffen in Berlin, das sie endgültig zu der Überzeugung gelangen ließ, dass hier etwas nicht stimmte. Nach weiteren Recherchen, die immer größere Ungereimtheiten ans Licht brachten, erstattete sie schließlich Anzeige.
Thema im EMMA-Forum diskutieren
Udo D. leugnete bis zum Schluss. Aber nun steht fest: Das gesamte Hilfsprojekt, das Udo D. angeblich im Angedenken an seine „Freundin“ Hatun Sürücü gegründet hatte, war eine „Luftnummer“, die dessen Nutznießer als „Selbstbedienungsladen“ nutzte, so die Richter. 360.000 Euro und ein 60.000 Euro teures Auto konnten sichergestellt werden. Der Rest des Geldes bleibt verschwunden.
EMMAonline, 22.9.2011
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