Richtig Shoppen - und die Welt verbessern

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Meine erste Jute-Tasche werde ich nie vergessen. Im Konfirmandenunterricht hatte ich gelernt, dass unsere Welt eine bessere wäre, wenn wir alle für 1,50 Mark die braunen Beutel kaufen würden, die Frauenkooperativen in Bangladesh für uns genäht haben. Damals erklärte ich jedem, der es nicht hören wollte, etwas über die umweltschädlichen Auswirkungen der Plastiktütenproduktion und malte das leuchtende Bild einer Gesellschaft, die nicht mehr verbraucht, als die Erde hergibt.

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Ich erzählte, wie Näherinnen aus Bangladesh dank dieser frühen Fairtrade-Initiative den Weg aus der Armut fänden und von den Gewinnen die Ausbildung ihrer Kinder finanzieren könnten. Irgendwann besaß ich sieben Jutetaschen, die rochen, als hätten nasse Hunde darin geschlafen. Die Griffe rissen spätestens beim fünften Einkauf. Und trotz millionenfach verkaufter „Jute statt Plastik“-Taschen wurden Anfang der Achtziger Jahre in Deutschland so viele Plastiktüten verteilt wie nie zuvor.

Ich besaß sieben Jutetaschen, die rochen, als hätten nasse Hunde darin geschlafen

In den Achtziger und Neunziger Jahren gehörten eher Boykottaufrufe gegen Großkonzerne zum politischen Alltag; Firmen, die mit ihren Produkten die Umwelt vergiften, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter gefährden oder in Asien Sweatshops unterhielten, in denen blutjunge Arbeiterinnen für Hun­ger­löhne schufteten. Ich konnte mühelos her­unterbeten, was ich aus Verantwortung für die Welt alles nicht kaufen sollte. Der Blick auf die politisch korrekte Warenwelt stürzte einen jedoch in tiefe Depres­sionen. Dutzende Magengeschwüre dürften dem Genuss des bitteren Solida­ritätskaffees aus Nicaragua geschuldet sein. Die ersten Ökomode-Kollektionen mit Natur gefärbter Bemusterung plus Hanfhosen und Gesundheitslatschen begeisterten nur die ohnehin bereits Bekehrten. Was, fragte ich mich, kann man guten Gewissens kaufen, ohne dass man einem die gute Absicht gleich mit ansieht?

Inzwischen erleben wir auf breiter Front das Erwachen einer neuen Verbrauchergeneration, die Design und politisches Bewusstsein verbunden sehen will. In Zeiten, in denen selbst die Bild-Zeitung angesichts der drohenden Klimakatastrophe Tipps für umweltbewusste und energiesparende Lebensführung gibt, werden sich immer mehr Menschen der Macht bewusst, die sie mit ihrem Konsumverhalten ausüben.

Wir können uns mit dem Kauf von Bio-Lebensmitteln für eine Umwelt schonende und energieeffiziente Form der Landwirtschaft einsetzen und generell nur noch Produkte kaufen, bei deren Herstellung und Transport auf möglichst niedrige CO2-Emissionen geachtet wird. Das Angebot wird immer größer. Woche für Woche eröffnet irgendwo in Deutschland ein Bio-Supermarkt seine Tore, der appetitliche Alternativen zur Fabriklebensmittel-Industrie präsentiert.

Wir können beim Einkauf auf niedrige CO2-
Emmissionen zu achten.

Superstars wie Brad Pitt oder Cate Blan­chett schmieren sich ökologisch angebaute Naturkosmetik ins Gesicht. „Eco-Fashion“ schafft es in die Hochglanz-Magazine; die Rohstoffe aus fairem Handel und mit Produktionsbedingungen, die die Arbeitsrichtlinien der ‚International Labor Association‘ achten. Mittlerweile schmeckt sogar der Fairtrade-Kaffee. Überall, ob bei Mode, Auto, Reisen, Kosmetik, Möbeln oder Geldanlagen, existieren heute Alternativen zur bewusstlosen Konsumwelt – wenn auch teilweise noch in zarten Nischenmärkten. Inspiriert von Pionierinnen wie Katharine Hamnett, die die Modewelt an ihre mora­lische und ökologische Verantwortung erinnerte, oder Body-Shop-Gründerin Anita Roddick, die mit ihren Gewinnen unter anderem Frauenhäuser unterstützt, treten junge DesignerInnen, IngenieurInnen und UnternehmerInnen an, nachhaltige und ästhetische Produkte zu entwickeln, die – buchstäblich – nicht die Welt kosten müssen.

Doch als ich vor zwei Jahren anfing, nach einem Einkaufsführer zu suchen, der nicht nur die löblichen Veteranen ethisch-ökologisch korrekter Produktion umfasst, suchte ich vergeblich. Also habe ich mir selbst eine Art überdimensionalen Einkaufszettel geschrieben. Ursprünglich sollte er 250 Seiten lang werden. Es wurden 400.

Neue Erkenntnis: Der Bewusstseinswandel bei den Verbrauchern wird inzwischen auch bei den Großen registriert. Heute kann man bei Aldi seine Bio-Möhren kaufen und bei Levis eine Öko-Jeans. IKEA lässt sich vom World Wildlife Fund WWF über nachhaltigen Holzanbau beraten. McDonalds in den USA schenkt Fairtradekaffee aus. Nicht dass bei diesen durchaus fragwürdigen Konzernen auf der Managementetage plötzlich das geballte Gutmenschentum ausgebrochen wäre. Die Unternehmen wollen uns nur nicht als Kunden verlieren. Wer die ethisch-ökologisch sensibilisierten Verbraucher von heute nicht beachtet, verliert die Märkte von morgen.

Täglich werden in Deutschland 150 Millionen „Konsumentscheidungen getroffen“, übersetzt: Wir kaufen was. Wann immer wir in Kaufhäusern, Trendshops, Tante-Emma-Läden oder Bio-Supermärkten das gewünschte Produkt sehen, jedoch in der Version, die Umwelt und Klima schont sowie ohne Ausbeutung von Mensch oder Tier produziert wurde, tun wir uns und unserer Welt doch bitte einen Gefallen: Packen wir’s ein.

Gerade vom Autor erschienen: ‚Shopping hilft die Welt verbessern‘ (Mosaik/Goldmann, 14.95 e)

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Dossier: Nach uns die Sintflut (3/07)

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Das Auto: Des deutschen Mannes liebstes

Autosalon in Genf 2007. Umringt wird die neue Mercedes-C-Klasse. - © A. Riedmiller/Caro
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Sein Opfer hatte Horst von M., 64, glatt übersehen. Bei 1,5 Promille im Blut klappt die Wahrnehmung eben nicht mehr so gut. „Ich dachte, das war ein Ball, Herr Richter“, erklärte der Angeklagte. Er hatte einen 72-Jährigen totgefahren, als der bei Grün über die Straße ging. Der Richter zeigte Verständnis und setzte die Strafe zur Bewährung aus. In Weilheim verurteilte das Gericht einen Geisterfahrer, dessen Wagen zwei Menschen tötete, zu vier Wochen Sozialarbeit. Man müsse die Tat von den Folgen trennen, befand man „im Namen des Volkes“. Und Ali A., ein 22-Jähriger, der mit 64 Sachen durch eine Tempo-30-Zone raste und dabei ein neunjähriges Mädchen tödlich verletzte, kam selbst als Wiederholungstäter mit einer Bewährungsstrafe davon. Seinen Führerschein hatte er vier Wochen vor dem Unfall abgeben müssen – wegen zu schnellen Fahrens.

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Nebel der Milde wabern durch deutsche Gerichtssäle, wenn die Opfer tot sind und die Tatwaffen Mercedes heißen, Jaguar oder BMW. Die Durchsicht unzähliger Urteile zu Verkehrsunfällen „mit Todesfolge“ zeigt, dass in Deutschland Menschen, die andere mit ihrem Wagen töten, ähnlich bestraft werden wie solche, die Autos zerkratzen. Ein 2005 im Polizei-Fachblatt ’Kriminalistik’ erschienener Aufsatz weist darauf hin, dass in Deutschland doppelt so viele Menschen bei Unfällen getötet werden wie durch Kapitalverbrechen. Doch der öffentliche Aufschrei bleibt aus. Fazit der Autoren: „Es wird mehr oder weniger als Tribut für die erwünschte Mobilität akzeptiert, dass im Straßenverkehr Menschen zu Tode kommen …“

46 Millionen zugelassene PKW blasen jährlich über 100 Millionen Tonnen CO2 in den deutschen Himmel, beinahe genauso viel wie 1990, als sich die Automobilindustrie erstmals folgenlos zur nennenswerten Senkung des Schadstoffausstoßes verpflichtete. Noch immer hält kaum ein deutsches Fabrikat die geplanten CO2-Grenzwerte der EU ein. Und selbst nach dem dramatischen UN-Bericht über die drohende Klimakatastrophe scheint die Einführung eines Tempolimits so wahrscheinlich wie die Berufung einer Frau zum Fußball-Bundestrainer der Männernationalmannschaft.

Die Fahrer kraftvoller Autos verfügen über ein „hohes Wunschtempo“, analysiert Christian Maag vom ‚Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften‘, Mit-Autor einer Studie über ‚Aggression im Straßenverkehr‘. „Auch wenn es zynisch klingt, eine Begleiterscheinung des heutigen Systems Verkehr ist, dass es negative Emotionen schürt und in der Konsequenz dann Opfer fordert“, bilanziert Maag in der Süddeutschen Zeitung.

99 Prozent der Fahrer, die wegen „Nötigung im Straßenverkehr“ in Flensburg registriert wurden, sind Männer.

Rund ums Automobil kristallisieren sich sämtliche Neurosen und Aggressionen, zu denen vor allem Männerseelen fähig sind. Ich habe Macher in Maßanzügen weinen sehen, als sie eine winzige Beule in ihrer Autotür bemerkten. Ich hörte von Autofahrern, die mit Selbstmord drohten, weil sie nach dem 27. Verkehrsvergehen mit einem halbjährigen Fahrverbot gestraft werden sollten. Ich saß neben einem eher zarten Philosophiestudenten, der an der Ampel plötzlich aufs Gaspedal seines VW-Polos trat, weil er sich nicht von einer Frau im Smart abhängen lassen wollte. Und wer einmal einen Abend bei einer Anwohnerversammlung zur Einrichtung verkehrsberuhigter Zonen verbracht hat, weiß, zu welchen Wutausbrüchen Männer fähig sind, die darum kämpfen, auch weiterhin mit 60 Stundenkilometern am Spielplatz vorbei brettern zu dürfen.

Das Auto ist mehr als ein Fortbewegungsmittel. Soziologen sprechen vom Fahrzeug als „sozialdarwinistisches Medium“, eine Blech gewordene Metapher für die Potenzfähigkeit des Fahrers. „Die Eigentümer unserer Autos haben ein gesundes Selbstbewusstsein“, erklärt Stefan Winkelmann, der deutsche Lamborghini-Präsident der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Und sie haben den Willen, das nach außen zu tragen. Lamborghini ist ein Auto für richtige Männer.“ Gegen die 650 PS, die unter der Haube des italienischen Sportwagens schnauben, nehmen sich die 612 PS eines Porsche Carreras oder die 517 PS des Mercedes S-Klasse beinahe bescheiden aus.

„Keiner meiner Kunden muss sich dafür entschuldigen, dass er einen Porsche fährt“, nimmt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking seine rasende Klientel in Schutz. Erinnert man ihn an die Selbstverpflichtung der deutschen Autoindustrie aus dem Jahr 1998, bis 2012 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß pro Automobil auf 120 Gramm pro Kilometer zu beschränken, greift Wiedeking noch weiter in die Vergangenheit zurück: „Die Trabbi-Dominanz hatten wir doch schon mal; der Sozialismus würde dann auf unseren Straßen wieder fröhliche Urständ feiern.“

Obwohl sie im Schnitt 23 Stunden am Tag nutzlos herumstehen, werden 15 bis 20 Prozent der Gesamtfläche in Großstädten inzwischen vom Automobil beansprucht. Das ist mehr, als für Wohnungen zur Verfügung steht. Allein in Berlin entfallen auf jedes Auto über 67 Quadratmeter Straßen-, Auffahrt- oder Parkfläche. Mittlerweile wird in Neubaugebieten bis zu 50 Prozent der Fläche für den „ruhenden oder fahrenden Verkehr“ veranschlagt, heißt es im schönsten Planungsdeutsch.

In ganz Europa haben Kommunalpolitiker inzwischen den Kampf für die Rückeroberung der Städte gegen die Allmacht des Automobils aufgenommen. Der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone drängte ein Fünftel des Autoverkehrs durch die Erhebung einer Maut aus der City. Die Luftverschmutzung ging um über zehn Prozent zurück. Ebenso in Stockholm, wo sich die Einstellung der Bevölkerung zu einer möglichst autofreien Innenstadt während einer sieben Monate währenden Testphase komplett umdrehte: vom knappen Nein zum großen Ja. Paris will bis 2020 40 Prozent der Autos aus dem Stadtverkehr verbannen, die Straßenbahn ausbauen, Wassertaxen einführen sowie 20.000 Leihfahrräder für Einwohner und Touristen zur Verfügung stellen. Selbst im autoverrückten Norditalien ruhte mit dem Segen der Bevölkerung der Verkehr Anfang des Jahres für ein ganzes Wochenende.

In Deutschland hingegen wehren sich die Politiker der großen Koalition mit Inbrunst gegen autofreie Zonen und Tage sowie Geschwindigkeitsbegrenzungen. Auch der sozialdemokratische Umweltminister Sigmar Gabriel, von Amts wegen eigentlich zu mehr Einsatz verpflichtet, entblödet sich nicht, die Grünen als „Kleinbürger“ zu schmähen, wenn die angesichts des Klimawandels autofreie Sonntage fordern. Umfragen, die regelmäßig vor allem bei den Frauen klare Mehrheiten für Einschränkungen des Autoverkehrs hervorbringen, werden ebenso latent ignoriert wie der Wunsch nach sparsamen, klimafreundlicheren Autos. Dabei ist das deutsche Bündnis von Automobilindustrie und Politik nicht mal mehr ein Garant für dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg. Längst arbeiten im Umweltschutz in Deutschland doppelt so viele Menschen wie in der Automobilindustrie.

In der FAZ warnte jüngst Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, vor dem erwachenden Bewusstsein der Konsumenten: „Wenn sich die deutsche Autoindustrie nicht bald etwas einfallen lässt, wird sie in zehn Jahren nicht mehr wirklich marktfähig sein.“

Doch momentan scheint eher zu gelten, was der österreichische Kabarettist Helmut Qualtinger einmal als wahres Mantra des Autoverkehrs bezeichnet hat: „I woaß zwar net, wo i hifahr. Abeer dafüa bin i schneller dorten.“

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