EMMA-Aktion Töchtertag 2001
Wollen wir wetten, dass Swantje an diesem Morgen nicht verschläft? Denn am Donnerstag, den 26. April, muss sie nicht wie jeden Tag ins Buxtehuder Halephagen-Gymnasium, sondern Mutter nimmt die Tochter mit zur Arbeit. Und da gibt es reichlich was zu erleben!
Susanne Feller ist schließlich von der raren Sorte der drei Prozent weiblicher Führungskräfte bei Airbus. Als "Senior Manager Flightline Delivery" ist sie zuständig für die Auslieferung von rund 150 Flugzeugen und Chefin von 55 MitarbeiterInnen, meist Männer. Vom Schreibtisch aus guckt Managerin Feller auf die 39 bis 44 Meter langen Vögel mit ihren 120 bis 185 Passagierplätzen. Sie durchlaufen vor ihrer Nase den End-check.
Studiert hat die Senior Managerin Maschinenbau, ihr Vorbild war der Vater, von Beruf Ingenieur. Der Sohn der alleinerziehenden Susanne Feller weiß auch schon, was er werden will: Pilot. Nur die 16-jährige Tochter Swantje schwankt noch. Vielleicht ändert sich das ja am Töchtertag ...
Hamburg ist die erste deutsche Stadt, die die EMMA-Aktion "Nehmt eure Töchter mit zur Arbeit" in die Tat umsetzt. Hunderte von Mädchen im Alter von elf, zwölf Jahren oder mehr werden an diesem Tag in der Hansestadt an der Hand berufstätiger Frauen und Männer in die Büros, Fabrikationshallen, Chefetagen und Cockpits von Telekom, Airbus, Lufthansa und anderen Firmen marschieren. Denn: "Wir wollen hier mehr Kolleginnen an Bord kriegen", erklärt Andrea Mohnsame, die den Töchtertag bei Airbus organisiert. "Bevor wir mittelmäßige Männer nehmen müssen, nehmen wir lieber gute Frauen."
Der Anteil der guten Technikerinnen und Ingenieurinnen dümpelt bei Airbus ganz wie bei Lufthansa so um zehn Prozent. Und auch bei Telekom gibt es in der Männerdomäne Technik noch so einen gewissen Nachholbedarf.
Unterstützt werden die Profifrauen bei der Nachwuchsförderung in Hamburg von Amts wegen von Eva Gnacke. Die Gleichstellungsfrau hatte im vergangenen Jahr prompt auf den EMMA-Aufruf reagiert und Ämter, Gewerkschaften und Firmen mobilisiert. Für den ersten Hamburger Töchtertag 2001 gibt es schulfrei, und am Tag darauf in den Klassen vermutlich nur ein Thema. Da können die Mädels dann nicht nur von den Arbeitsplätzen, sondern auch von dem Treff mit den Technikerinnen und Pilotinnen erzäh-len, den Lufthansa eigens für den Nachmittag organisiert.
Und die Jungs? "Ms."-Gründerin Gloria Steinem über ihre Erfahrungen beim Daughters-Day: "Auch für die Jungen ist dieser Tag in den Schulen ein ganz besonderer Tag: Sie lernen, Mädchen als ebenbürtig anzuerkennen und ein guter Vater und Kollege zu werden." Und mit den in den Hamburger Klassen gebliebenen Jungen sollte, so hofft Christine Greve von der "Netzwerkstelle Mädchen und Beruf", ebenfalls über deren Lebensplanung und "über Geschlechterrollen und Rollenerwartungen" gesprochen werden.
Hamburg ist nach Nürnberg die zweite Stadt, die den Töchtertag featured. Bereits am 27. April 2000 hatte dort die deutsch-amerikanische Firma Lucent Technologies einen Daughters-Day organisiert. Rund 150 Mädchen im Alter von sechs bis 17 kamen und machten runde Augen.
Wie funktioniert eigentliche der Mobilfunk? Und wie eine deutsch-amerikanische Live-Video-Konferenz? Nicht nur die Chefs von Lucent standen Rede und Antwort, auch die bayerische SPD-Chefin Renate Schmidt reiste aus München an und erzählte, wie das war, als sie damals den Beruf einer "sehr gut bezahlten Systemanalytikerin" lernte. "Lasst euch von den Jungs nicht den Mut nehmen!", appellierte die Mutter und Großmutter an die Mädchen.
Anschließend schienen alle 150 Mädchen wild entschlossen, später "auch mal so was Tolles zu machen". Klar, dass Lucent Technologies in diesem Jahr auch wieder dabei ist! Organisatorin Martine Herpers: "Wir rechnen dieses Mal mit noch mehr Mädchen."
In Hamburg allerdings will man sich - ganz wie die Amerikanerinnen, die in diesem Jahr ihren neunten Daughters-Day machen, auf die Elf bis Zwölfjährigen konzentrieren. Grund: In dem Alter sind die Mädchen noch für alles offen - in der Pubertät haben sie dann schon den Weiblichkeitsknick und streben mehrheitlich demütig die klassischen zehn Frauenberufe an (Arzthelferin, Friseurin, Assistentin etc.). Allerdings: Auch in Hamburg sind selbstverständlich Schülerinnen aller Altersgruppen willkommen!
Die Erfahrungen der Amerikanerinnen mit dem Daughters-Day könnten ermutigender nicht sein. Inzwischen ist jedes zweite Unternehmen beim Mädchentag dabei und nimmt jede dritte Amerikanerin und jeder vierte Amerikaner ein Girl mit zur Arbeit. Längst ist der Daughters-Day in den USA ein nationales Anliegen, gefördert von Sponsoren wie IBM, Hilton oder der Zeitung New York Times.
Daughters-Day-Erfinderin Marie Wilson von der "Ms." Foundation: "Stellt euch den Tag vor, an dem Mädchen wie ihr absolut überall arbeiten werden: als Dirigentinnen, Richterinnen, Erfinderinnen, Forscherinnen." Auch Christine Greve ist optimistisch. Bis Ende April wollen die Hanseatinnen noch halb Hamburg mobilisieren: "Denn unser Ziel ist natürlich keine einmalige Aktion, sondern eine Etablierung des TöchterTages für die kommenden Jahre." Durchaus vorstellbar, dass das Hamburger Modell landesweit Schule macht im Jahr 2002.
Mütter und Väter, Schulen und Unternehmen sind aufgefordert, sich zu beteiligen. Dabei geht es vor allem um die Schülerinnen der Sekundarstufe I, besonders jedoch um die Jahrgangsstufen 6 und 7. Sogar die "versicherungsrechtlichen Fragen" sind geklärt.
Na denn, dann kann ja nichts mehr schief gehen. Hals und Beinbruch, Mädels!