Wird die Väterzeit Pflicht?
EU-Kommissar Vladimír Spidla denkt ernsthaft darüber nach, den Vätern in Europa Beine zu machen. Sollte er das schaffen, wird es ein Heulen und Zähneklappern geben …
Morgens die Windeln wechseln, danach das Fläschchen geben und dann ab auf den Spielplatz. Hier ist vom Vater die Rede – Ursula von der Leyen sei Dank. Seit dem 1. Januar 2007 gibt es ja die „Vätermonate“, zwei von 14. Dennoch sind Väter auf dem Spielplatz immer noch die Ausnahme.
Doch wenn es nach Vladimír Spidla, EU-Sozialkommissar und selbst Vater von zwei Söhnen, geht, könnte der Vaterschaftsurlaub nicht länger nur Kür, sondern bald Pflicht werden. In einem aktuellen Bericht der Europäischen Kommission zur Gleichstellung von Frauen und Männern fordert der Tscheche „eine bessere Aufteilung der privaten und familiären Verpflichtungen unter Frauen und Männern“ und die Propagierung des „Konzepts des Vaterschaftsurlaubs“.
Verhandlungen mit europäischen Gewerkschaften und Arbeitgebern über die Väterzeit laufen bereits. Denn eine Einbindung von Wirtschaft und Gewerkschaften in diesen Vorstoß ist unabdingbar. Im Visier hat der EU-Kommissar bei erfolgreichen Gesprächen ein Gesetz, das die Babypause für Väter zur Pflicht macht. Er wolle „nicht ausschließen, dass es einen Legislativvorschlag geben wird“, erklärte Spidla.
Was einer Sensation gleichkäme, wäre ein verabschiedetes EU-Gesetz doch verbindlich für alle Mitgliedsstaaten, inklusive Deutschland. „Für uns ist es ein kleiner Sieg“, schätzt EU-Abgeordnete Lissy Gröner (SPD), die Initiative ein. Aber: „Wir im Frauenausschuss müssen die Kommission weiter unter Druck setzen, damit der von Spidla angekündigte Legislativvorschlag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch wirklich kommt.“
Mit der Väterzeit will die EU im „Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle“ den berufstätigen Müttern das Leben erleichtern. Denn während die Beschäftigungsrate bei Frauen ohne Kinder EU-weit im Jahr 2005 des europäischen Statistikamtes Eurostat bei 76 Prozent lag, waren nur 61 Prozent der Mütter beschäftigt. In Deutschland liegt die Beschäftigungsquote von Müttern sogar nur bei 56 Prozent.
Im Gegensatz dazu sind im EU-Durchschnitt mehr Väter voll beschäftigt als kinderlose Männer, nämlich 92 Prozent (gegenüber 87 Prozent). Und von den Männern übernehmen EU-weit nur 8 Prozent (in Deutschland 9 Prozent) Teilzeitstellen, während 33 Prozent der Frauen in Teilzeit arbeiten (in Deutschland 46 Prozent).
Die Beschäftigungsquote bei Frauen geht um 15 Prozent zurück, sobald sie ein Kind bekommen, die Quote der Männer steigt um sechs Prozent an.
Die Rahmenbedingungen der Väterzeit sind sehr vage formuliert – was nicht ungewöhnlich für die EU ist. Klar wird in dem Bericht der EU unterstrichen, dass die Elternzeit für Männer Pflicht werden muss. „Es gilt sicherzustellen, das ein Elternurlaub für Männer genauso möglich wird wie für Frauen und insbesondere, dass er persönlicher (nicht übertragbarer) Natur ist“, heißt es. Kneifen wäre dann nicht länger möglich.
In Bezug auf die Dauer der Babypause bleibt der EU-Kommissar allerdings schwammig. Seine Dauer solle „einer Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht entgegenstehen“. Nun sind die Gesetzgebungen in den einzelnen EU-Ländern unterschiedlich. Die gerechte Aufteilung müsste zweifellos so aussehen: 50 Prozent Elternzeit für die Mutter, 50 Prozent Elternzeit für den Vater – sofern es beide Elternteile in der Familie gibt. „Es kann nur so laufen, dass beide Eltern den selben Anspruch haben und dieser verfällt, wenn er nicht wahrgenommen wird“, findet Lissy Gröner.
Ob das Gesetz in absehbarer Zeit kommt, ist noch fraglich. Die EU arbeitet langsam und ein Legislativvorschlag muss dem Europäischen Parlament sowie dem Rat der Europäischen Union unterbreitet werden. Doch eine gesetzliche Verpflichtung für Väter, sich so wie die Mütter um das Baby zu kümmern, könnte eines Tages europaweit Realität werden. Für Gröner hängt dies auch vom Umfeld innerhalb der EU ab. „Die Bereitschaft von Spidla ist da. Jetzt braucht er vor allen Dingen Unterstützung von Außen, je mehr, desto besser.“
Übrigens: Der tschechische EU-Kommissar Vladimír Spidla ist selbst mit guten Beispiel vorangegangen. Während einer Krankheit seiner Frau kümmerte sich der 56-jährige promovierte Historiker zwei Jahre lang nahezu allein um seine beiden Söhne.
Rieke Havertz, EMMA 5/2007