Ein Bayer in Väterzeit

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Die bayerischen Männer gehen mit 15 Prozent doppelt so oft in Väterzeit wie im Rest von Deutschland. Der Münchner Ingenieur ist einer von ihnen.

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Montags ist immer Mutter-Kind-Turnen. Dann packt Michael Bauer für Josefine, 4 Jahre, Florentine, 17 Monate, und sich, 39, die Sporttasche, dehnt und streckt sich zwischen Teil- und Vollzeitmüttern. Als einziger Vollzeitpapa. Allein unter Frauen – das ist für Michael Bauer Alltag, ob in der Krabbelgruppe, vor dem Windelregal oder am Kindergartentor.
„Ich habe da nie Zweifel aufkommen lassen, dass ich das packe. Ich bin keiner dieser Männer, denen man erstmal zeigen muss, wo bei den Kindern hinten und vorne ist.“ Routiniert balanciert Michael Bauer Florentine auf dem linken Arm, schenkt mit der anderen Hand Wasser nach und verliert dabei Josefine nicht aus den Augen, die gerade angestrengt durch ihren Strohhalm Blasen in den Kakao pustet. Ein mahnendes „Fine!“ reicht und die drohende Kaba-Überschwemmung ist gebannt.
Seit August 2006 überwacht Michael Bauer hauptberuflich den sachgemäßen Umgang seiner Töchter mit allem was sich beflecken, bemalen oder zerlegen lässt, während Petra Schindel-Bauer am Europäischen Patentamt Vollzeit ihrem Job nachgeht. Vorher entwarf er Sicherheitskonzepte für BMW in München.
Dafür, dass der Entwicklungsingenieur seiner Frau den Karrierevortritt überließ und bei den Kindern blieb, wurde er mit dem Preis der Gütersloher Vollkornbäckerei Mestemacher als „Spitzenvater 2007“ ausgezeichnet. Ulrike Detmers, Unternehmerin und Wirtschaftsprofessorin, hat den Preis gestiftet (EMMA 2/06). Freunde haben Michael Bauer für den Preis vorgeschlagen. Ein bisschen „hirnrissig“ findet er die Ehrung schon, schließlich sei es für Ehefrau Petra und ihn das denkbar Normalste, sich alle Arbeit zu teilen. Oder, wie Bauer es formuliert, in „Partnerschaftlichkeit und Flexibilität“ zu leben.
So wie er die Wortungetüme ausspricht, so ganz nebenbei, während er mit der Gabel die Reste von Florentines Käsekuchen auf dem Teller hin und her schiebt, klingen sie plötzlich nicht mehr abgedroschen. Und wer Bauer sieht, wie er fünf Minuten später im bürofein gebügelten Karohemd mit „der Kleinen“ über den Teppich robbt, spürt den Ernst hinter der Floskel. „Ich bereue gar nichts“, sagt er dann auch.
Nicht einmal, dass er mit seiner Entscheidung den klassischen Karriereknick aller Hausfrauen und Mütter riskiert? Die Frage hört Bauer nicht zum ersten Mal, er selbst dürfte sie sich oft genug stellen. Etwa, wenn die Kollegen bei BMW, wo er seit März wieder in Teilzeit arbeitet, spontan ein Meeting auf den Abend legen und er wieder nicht kann – die Kinder. Etwa, wenn die Kinder gegen 21 Uhr endlich zur Ruhe kommen und Bauer denkt: „Jetzt könnte ich eigentlich noch was mit dem Tag anfangen – wenn ich nicht so kaputt wäre.“ Oder wenn die beiden Jungeltern zum ersten Mal seit Monaten abends allein Essen gehen und sich schweigend gegenüber sitzen, weil er nicht recht weiß, worüber er reden soll – außer über die Kinder.
„Kommen!“, ein Wort reicht Florentine, um Papa flugs zum Maltisch springen zu lassen, zum Bestaunen der letzten Wachszeichnungen. Papa ist begeistert. Vor allem über das Wort „kommen“. Zum ersten Mal hat Florentine es heute gesagt. Sie macht momentan viel zum ersten Mal. Sich hinter den Gardinen verstecken. Ihrer älteren Schwester die Legotürme auseinanderbauen. Das sind die „unbezahlbaren Momente“, die Michael Bauer wohl meint, wenn er von seiner „bewussten Entscheidung“ spricht, erstmal nur halbtags wieder in den Job einzusteigen.
Dass er damit Vorbild ist, diese Vorstellung scheint ihm fremd. „Für mich war das ja gar keine Herausforderung, zu Hause zu bleiben. Erst wenn die Leute darüber diskutieren, fällt mir wieder auf, dass das wohl nicht so normal ist, wie ich immer denke.“ Auch der Spitzenvater-Preis dürfte ihm die bedauerliche Ungewöhnlichkeit seines väterlichen Einsatzes bewusst gemacht haben: Als „Vileda-Wischmop-Preis“ hätten viele Bekannte die Auszeichnung bespöttelt, so als sei der „Softie“ Michael zum Böden schrubben zu Hause geblieben, während die „Rabenmutter“ Petra außer Haus durchstartet. Michael Bauer kann sich darüber nicht einmal ereifern. Er nimmt kurz die Brille ab, reibt mechanisch die Augen, zieht die Schultern hoch – mehr ist ihm das Thema nicht wert.
Petra Schindler-Bauer ist da nicht ganz so gelassen. Als sie beim ersten Kind, Josefine, bereits nach einem halben Jahr eine Tagesmutter engagierte, um beruflich wieder auf die Beine zu kommen, traf sie der Rabenmutter-Vorwurf hart. Auch weil es die eigene Mutter war, die kein Verständnis zeigte, dass die Tochter „Mutterschaft nur als einen Zweig ihrer Persönlichkeit“ betrachtet. Die studierte Biotechnologin empfindet es in der Tat als Wohltat, in der Kantine mal nicht nur über den Nachwuchs reden zu müssen.
Petra und Michael Bauer hatten genügend Zeit, die gleichberechtigte Aufgabenteilung zu üben. Die beiden lernten sich vor 17 Jahren beim Studium in Regensburg kennen, seit fast sechs Jahren sind sie verheiratet. „Ich habe promoviert, war häufig müde, wieso sollte ausgerechnet ich da abends noch Michaels Hemden bügeln?“ sagt sie.
„Ich will mich auch nicht entmündigen lassen“, sagt Michael Bauer. „Ich will nicht, dass nur meine Frau weiß, wie die Waschmaschine funktioniert.“ Bauer ist als jüngstes von fünf Kindern aufgewachsen und an Hausarbeit gewöhnt. Auch seine Eltern waren beide berufstätig: „Wir waren also keine Prinzen“. Und dann überlegt er noch mal. „Wahrscheinlich bin ich da doch ein Vorbild, weil ich das so entspannt, ja, ideologiefrei sehe.“ Neulich hat Florentine ihn „Mama“ genannt.
Britta Voss, EMMA 5/2007

Zum Weiterlesen:

Dossier "Neue Väter" (1/2009)

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