Ein hartherziger Frauenverklärer
Im Taumel der Quasi-Heiligsprechung des Papstes geht unter, was Wojtyla alles angerichtet hat. 500.000 tote Frauen im Jahr in Folge illegaler Abtreibung. Dafür ist er mitverantwortlich.
Am Tag eins nach dem größten christlichen Pilgerzug aller Zeiten waren die Rufe auf dem Petersplatz noch immer nicht verstummt: „Santo subito.“ – „Heilig sofort!“ Auch Frauen fordern das. Vor allem junge. Warum nur? fragt sich da eine alte Katholikin wie ich, die Karol Wojtyla eher für einen Anti-Christen hält. Weil er eben nicht in der Nachfolge Christi stand, der nie einen Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht hat.
In die Reihe der von ihm massenhaft zur „Ehre der Altäre“ Erhobenen würde Wojtyla selber gut passen. Kein anderer Papst hat je so schnell so viele selig oder heilig gesprochen. Oft recht fragwürdige Gestalten. Gern pathologische Frauenhasser und fanatische Marienverehrer.
Zum Beispiel den italienischen „Mystiker“ Pater Pio Forgione, den Zeit seines Lebens der Teufel verfolgte: meist „in der Gestalt von verführerischen Mädchen“. Kurz vor seinem Tod 1969 schwor ihm der Teufel durch den Mund einer „besessenen Frauensperson“ Rache, weil Pio es vorzog, „die himmlische Madonna zu schauen“, statt „unreine Weiber“ anzublicken. Oder Josemaria de Balaguer Escrivá, ein enger Freund des spanischen Faschisten Franco und Gründer des fundamentalistischen ‚Opus Dei‘, das im Vatikan unter anderem den „Päpstlichen Rat für die Familie“ kontrolliert: die Kommandozentrale gegen die Emanzipation der Frauen.
Und Mutter Teresa, der „Todesengel von Kalkutta“, in deren Hospiz die indischen Helferinnen so abhängig waren wie die Sterbenden und die der Papst als internationale Allzweckwaffe gegen das Recht auf Abtreibung einsetzte. Für Mutter Teresa, die inbrünstige Marienverehrerin, war Abtreibung das „schlimmste Verbrechen überhaupt“. Und abtreibende Frauen „Mörderinnen“.
„Von den Grundhaltungen Mariens“, ermahnte uns der tote Papst zu Lebzeiten, könnten wir „heutigen Frauen in besonderer Weise lernen“. Zum Beispiel das „selbstlose Dienen“, die „Jungfräulichkeit als Ausdruck vollständiger Hingabe“ und die „mütterliche Fürsorge und Liebe“: „Zur Mutter gehört die Fähigkeit, warten und schweigen zu können. Mütterliche Frauen verstehen es, anderen das Leben zu erleichtern.“ Der frühe Tod seiner Mutter – er war acht, als sie starb – hat vielleicht zu seiner Idealisierung der Mütterlichkeit beigetragen, der sich in seinem Kult um die himmlische Gottesmutter ausdrückte. Reale, lebendige Frauen jedoch waren ihm fremd – was politisch fatal war.
Kurz vor seinem Tod musste uns Johannes Paul II. noch eins reinwürgen. Im letzten Sommer tat er via Schreiben an die deutschen Bischöfe kund, dass wir Frauen evolutionär-biologisch nicht für Amt und Würden in der katholischen Kirche geeignet seien, denn: „Die Geschlechtlichkeit kennzeichnet Mann und Frau nicht nur auf der physischen, sondern auch auf der psychologischen und geistigen Ebene und prägt alle ihre Ausdrucksweisen. Mann und Frau sind von Anbeginn der Schöpfung an unterschiedlich und bleiben es in alle Ewigkeit.“ Amen!
Besonders wird nach Wojtylas Tod sein „unschätzbarer Beitrag zur Versöhnung der Weltreligionen“ gelobt. Was für die Juden stimmt: Dieser Papst erteilte endlich dem traditionellen christlichen Antisemitismus eine eindeutige Absage. Aber es scheint schon wieder vergessen zu sein, dass er 2003 vor dem ökumenischen Kirchentag in Berlin ein gemeinsames Abendmahl von katholischen und protestantischen Christen verbot. Auf der UN-Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking schloss er einen Pakt mit den islamischen Fundamentalisten. So vehement bekämpften sie brüderlich vereint die „sexuelle Selbstbestimmung“ der Frauen, dass alle konstruktiven Resolutionen verhindert wurden. Schlimmer noch: Die einig Fundamentalisten erreichten, dass Drittweltländern, die für Verhütung und für das Recht auf Abtreibung plädieren, die UN-Hilfsgelder gestrichen wurden. Mit desaströsen Folgen.
Warum also sollten wir ihn heilig sprechen wollen? Johannes Paul II. wäre so „authentisch“ gewesen, sagte neulich eine junge Frau, keine Katholikin, sondern eine „areligiös Erzogene“, am Hörertelefon im WDR: Er habe immer zu seinem Wort gestanden. Zu was für einem Wort war ihr anscheinend egal. Sie scheint eine von denen zu sein, die „auf der Sinnsuche“ sind – mit spirituellem Herzen und umnebeltem Verstand.
Wenn diese EMMA in Druck geht, wird ein neuer Papst gewählt. Ich hoffe, dass es einer sein wird wie der als Reformer gerühmte Johannes XXIII. Der vertraute seinem geistlichen Tagebuch an: Er habe immer so getan, „als ob es keine Frauen auf der Welt gäbe“. „Von den Frauen, von ihrer Gestalt oder dem, was sie betraf, fiel nie ein Wort.“ Das wäre das Beste, was uns Katholikinnen passieren kann. Ein Papst, der Frauen ignoriert, verachtet sie wenigstens nicht. Und versucht nicht, sich in unser Leben reinzupfuschen – bis ins Schlafzimmer und in den Uterus.
Weiterlesen: Ein Statement von Alice Schwarzer: Der neue Papst ist ganz der Alte