Frauen im Abseits

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Drinnen gellt ein Schrei aus Tausenden von Kehlen durch das Stadion: Mohammad Nosrati schießt in der 47. Minute das Tor zum 1:0 – und damit den Iran in die Teilnahme zur zur Fußball-WM. Draußen, im realen Abseits, schreien sie mit; die sechs jungen Frauen, die Schwarzmarktkarten ergattert, sich als Jungen verkleidet auf den Weg gemacht und nur einen Traum hatten: das Spiel gegen Bahrain live mitzuerleben. Die Sache hatte nur einen kleinen Haken: Die sechs haben das falsche Geschlecht.

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Im Iran der Ayatollahs und der Zwangsverheiratung ist den Frauen nicht nur das Fußballspielen, sondern auch das Fußballgucken verboten. Der zwar korrupte, aber doch liberale Ex-Präsident Chatami hatte begonnen, das Verbot aufzuweichen und zu just diesem Spiel hundert weibliche Ehrengäste auf seine Tribüne geladen, aber für 26, die ebenfalls vor dem Tor Einlass begehrten, sollte kein Platz mehr sein. Augenzeugen berichteten, dass diese jedoch die Wachposten einfach umrannten und der überrumpelte Präsident auch sie auf seine Tribüne ließ.

Die Geschichte der sechs aus "Offside", der auf der Berlinale gezeigten schwarzen Komödie von Jafar Panahi, die am Stadiontor rütteln und vergeblich brüllen: Wir wollen da rein! hat also eine wahre Vorgeschichte. Und wie viele seiner KollegInnen drehte auch er diesen Film semidokumentarisch. Seine sechs Fans – von der rauchenden Rebellin, über die taffe Sportlerin bis zur traurigen Fußballbraut (deren Freund tot ist) – agieren im Juni 2005 inmitten der real tobenden Menge.

Doch sie haben nicht soviel Glück wie die von Chatami gnädig auf die Tribüne gelassenen. Die sechs Fäninnen werden vor dem Stadion von Wachsoldaten abgefangen und dort bis zum Ende des Spiels festgehalten. Danach sollen sie der Sittenpolizei übergeben werden. Dass ihnen dieses Schicksal letztlich erspart bleibt, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass ihre Aufseher kurz abgelenkt sind vom Jubel und die Frauen in die tobende Menge entkommen können.

Regisseur Jafar Panahi, 45, ist mit dieser schwarzen Komödie, für die er den Silbernen Bären in Berlin errang, ein zweiter sehr eindrücklicher Film über die Lage der Frauen in Iran gelungen. Für seinen, ebenfalls semidokumentarisch gedrehten, Film "Der Kreis" erhielt Panahi im Jahr 2000 den Goldenen Löwen in Venedig. Er zeigt in diesem tief erschütternden Film Frauen, die wegen irgendwelcher Nichtigkeiten ins Gefängnis geworfen wurden und bei ihrer Entlassung nicht etwa in die Freiheit, sondern nur in ein noch größeres Gefängnis gerieten: in den Iran. Der Kreis schließt sich.

Es ist kein Zufall, dass die Darstellerinnen von "Offside" nicht die Ausreiseerlaubnis erhielten zur Berlinale. Für die Spieler der iranischen Mannschaft ist die Ausreisegenehmigung kein Problem: Sie werden pünktlich zur WM in Deutschland antreten.

Übrigens: "Der Kreis" von Panahi kursiert im Iran nur unter der Hand als Raubkopie – und in Deutschland wurde er irgendwann mal zur Nachtstunde im TV gesendet. Und "Offside" wird ebenfalls in Iran nicht offiziell gezeigt – und hat in Deutschland bis heute keinen Verleih.

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