Der Traum vom Porno-Star

Foto: Bettina Flitner
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Kim sitzt uns gegenüber und redet. Redet und redet, ein, zwei Stunden lang. Und was sie sagte, verschlug selbst uns, die wir in Bezug auf die Arbeit in der Pornobranche bisher wenig Illusionen hatten, die Sprache. Am 20. September 2010 hatte Kim (Name geändert) an Alice Schwarzer geschrieben. „Es fällt mir nicht leicht, die richtigen Worte zu finden“, schrieb sie. Und was dann folgte, machte klar: Sie kennt die Wahrheit. Die Wahrheit über die Pornobranche. Kim hat drei Jahre lang, von 2005 bis 2008, als „Darstellerin“ in Pornos gearbeitet. Sie hat es getan, um Geld für sich und ihre kleine Tochter zu verdienen – und um die Steuerschulden ihres marokkanischen Ex-Ehemannes abzubezahlen. Dessen Geschäft war in Deutschland auf ihren Namen gegangen. Der Mann, den sie mit 19 für den so lange gesuchten Beschützer gehalten hatte, entpuppte sich rasch als ihr Folterer, psychisch. „Es war eine Hund-und-Herrchen-Ehe“, sagt sie heute. Kim hat die Ehe nur knapp überlebt, so knapp wie die drogenabhängige Mutter und deren übergriffigen Freund. Und sie wird wohl lebenslang mit der Verarbeitung dessen zu tun haben, was in der Pornobranche über sie kam. Dies ist ihre Geschichte.

"Ich hatte versucht, Arbeit zu bekommen. Egal was, in der Gastronomie oder Putzstellen. Aber weil ich alleinerziehend bin, haben alle immer gefragt: Wie machen Sie das denn mit Ihrer Tochter? Und ich habe gesagt, ich habe eine Tagesmutter, das geht schon. Dann hieß es: Nein, Kinder können krank werden, eine Alleinerziehende wäre nicht flexibel.

Und mir saß doch das Finanzamt im Nacken. Und dann saß ich eines Abends im Wohnzimmer meiner Nachbarin, bei einer Billigflasche Lambrusco. Und diese Nachbarin hat mir erzählt, dass sie für diese Internet-Sexlines arbeitet, wo Männer sich mit ihrer Kreditkartennummer einloggen und den Frauen dann per Webcam zugucken, wie sie sich’s selber machen. Sie hat gesagt, dass sie damit pro Monat so zwischen 400 und 600 Euro verdient. Das reichte für mich nicht. Ich brauchte jeden Monat 500 Euro zum Abzahlen der Schulden meines Ex beim Finanzamt. Also habe ich gesagt: Wisst ihr was? Ich dreh’ Pornos!

Es war so brachiale Gewalt, dass mir die Scheidenwände gerissen sind

Ich dachte, Pornos wären sauberer als Prostitution. Wenn man sich die Huren auf dem Kiez anguckt, die müssen mit jedem dreckigen Typen aufs Zimmer gehen. Und von der Porno-Branche hat man ja gehört, dass es da Gesundheits-Checks gibt. Und Spaß soll das auch bringen. So wird es einem ja vermittelt.

Im Internet habe ich mir die nächste Sexmesse rausgesucht. Wir haben das letzte Geld für Benzin zusammengekratzt und sind mit dem Auto meiner Nachbarin nach Berlin zur Messe gefahren. Ich bin dann da rein. Da waren überwiegend Männer mit so gierigen frauenverachtenden Augen. Damals konnte ich diese Blicke noch nicht so lesen, inzwischen kann ich das. Jede Frau ist für die ein Loch. Wie Stalker steigen die jeder Frau hinterher. Dabei wissen sie eigentlich gar nicht, ob sie eine Darstellerin oder eine Besucherin vor sich haben. Die holten einfach ihre Fotokameras raus und fotografierten mich. Meine Nachbarin genauso. Das sind dann deren Wichsvorlagen.

Ich hatte mir so eine Glitzerhose angezogen, hohe Stiefel und einen Pullover mit Löchern, unter dem ich nichts anhatte. Und ich war total nuttig geschminkt. Ich hatte mir vorgestellt, ich müsste aussehen wie eine Hure, also zeigen, dass man willig ist, Fleisch zu zeigen. Und so habe ich eine damalige Darstellerin angesprochen und gefragt: „Du bist ja ein Star. Wie is’n das?“ Das hat man sich ja so vorgestellt: Man wird ein Star, verdient viel Geld und hat Spaß.

Diese Darstellerin hat mich an ihren Ehemann vermittelt, der auch Darsteller ist, und zu mir gesagt: „Der Klaus, der macht das immer ganz toll mit den jungen Mädchen, die anfangen. Der zeigt dir, wie das geht und worauf du achten musst, wenn die Kamera auf dich hält. Wie du deinen Arsch hinhalten musst, damit das Licht das gut ausleuchtet.“ Und dann hat sie noch gefragt: „Was machst du denn so? Lässt du dich nur in die Muschi ficken oder machst du’s auch anal?“ Anal wollte ich eigentlich nicht. Ich bin, als ich 15 war, von meinem damaligen Freund anal vergewaltigt worden, bis es geblutet hat. Da hat sie mich aufgeklärt: „Tja, dann hast du keine Chance. Denn heutzutage interessiert nur noch mit anal. Damit kriegst du Jobs und 50 Euro mehr.“

Das Honorar war damals für eine Muschi-Szene 200 Euro, anal plus 50 Euro. Fisting, also sich die Faust reinschieben lassen, auch 50 Euro mehr, und für Analfisting gab’s noch mal 50 Euro. Und dann gab’s noch das Doppel-Muschi und Doppel-Anal, da kriegte man auch 50 Euro mehr pro Szene. Eine Szene dauert zwischen einer Stunde und neun Stunden.

Wenn man in Not ist, dann geht es ganz schnell, dass man die Ängste, die man hat, wegdrängt. Man glaubt: Vielleicht lerne ich ja auch schöne Männer oder schöne Frauen kennen und wird das ja auch ganz interessant. Man hört da irgendwie auf zu denken, man schaltet da ab.

Ja, und dann hab ich diesen Klaus angerufen. Der war total freundlich. Ich müsste mir keine Sorgen machen, und er hätte da auch schon einen Dreh für mich. Ich müsste keine Angst haben, das wären alles nette Leute. Er kam einen Abend vorher zu mir und hat prompt auch bei mir geschlafen und mir „schon mal ein paar Sachen gezeigt“. Ich wär’ ne ganz Tolle, hat er dann gesagt. Ich hätte ein ganz enges Loch, das würde ganz viel Spaß bringen mit mir. Man ist da immer so zwischen Ekel und einem innerlichen Sich-Anschreien: Vergiss diesen Ekel! Du musst morgen los! Du machst das!

Mein erster Dreh war in Berlin in einer Auto-Werkstatt. Das war ein Film, der nicht für Deutschland gedreht wurde, weil er zu krass war. Die Produktion war für den holländischen und den belgischen Markt, da ist so was erlaubt. Es hieß aber, das wäre alles total cool, ganz easy und das wären alles nette Menschen. Beim Schminken habe ich gezittert, und eine Frau, die total abgewrackt aussah, hat mich gefragt: „Na, ist das dein erstes Mal?“

Dann ging es los. Das war ein SM-Film, und ich sollte eine Domina spielen. Es ging unter anderem darum, mit einem Messer so zu tun, als ob man dem Mann den Schwanz abschneidet. Ich sollte den Mann als dreckigen Hund beschimpfen, ihn peitschen und dann musste ich mit meinen hochhackigen Schuhen auf seinen Hoden rumtrampeln. Die Männer halten das aus, weil die im Hinterkopf haben: Jetzt ist die Frau so’ne Harte, aber ich fick die gleich! Und dann aber richtig! Die machen das zum Teil mit so einer brachialen Gewalt, dass bei mir immer wieder die Scheidenwände gerissen sind. Ich habe lauter Narben in der Scheide.

Die Darsteller können mit einem machen, was sie wollen. Du hast keine Chance

Früher wurde bei den Drehs Öl benutzt. Das war dann total glitschig und sah aus, als ob die Frau richtig feucht wäre. Aber wir durften kein Öl mehr benutzen, maximal einen kleinen Tropfen. Ansonsten nur Spucke. Wenn man dann mal „Aua“ gesagt hat, hieß es: „Stell dich nicht so an, du willst das doch!“ Und wenn man gesagt hat: „Ich kann nicht mehr!“ sagte der Produzent: „Du hast unterschrieben, dass du deine Leistung bringst. Und nur dann kriegst du das Geld.“

Man muss die Fahrtkosten vorstrecken, und oft hat man das Ticket mit seinem letzten Geld gekauft. Und man muss ja auch wieder zurückkommen. Viele Frauen haben auch gar kein Guthaben mehr auf dem Handy. Und Verwandte oder Freunde wissen ja meist gar nicht, wo die sind. Man sitzt also praktisch in der Falle.

Die Darsteller können mit einem machen, was sie wollen. Und die Produzenten genau so. Man bespricht zwar vorher, was man macht, aber im Vertrag steht, dass man sich allem zur Verfügung stellt, was der Produzent verlangt. Und so sehen die Verträge alle aus. Im Moment des Unterschreibens gibt man das Menschsein ab. Man ist einfach nur noch ein Stück. Ein Loch.

Die männlichen Darsteller sind ja tatsächlich körperlich erregt. Die holen sich Bilder in den Kopf und blenden den Rest aus. Oder sie tun sich ihr Lieblingsparfum unter die Nase. So können sie dann zum Beispiel auch eine 80-jährige Frau durchnehmen. Einige spritzen sich aber auch was in den Schwanz, damit das Blut da rein geht. Einer hatte sich mal zu viel gespritzt, der musste dann ins Krankenhaus und da quasi zur Ader gelassen werden.

Mein erstes Mal war dann nach ungefähr sechs Stunden vorbei, das war ein relativ schneller Dreh. Ich hab 200 Euro dafür gekriegt. Und ganz viel Lob. Von allen Seiten hieß es, wie toll ich wäre. Ich hab mich schlecht gefühlt, aber es kam so viel Anerkennung von wildfremden Menschen, das hatte ich in meiner eigenen Familie so noch nicht gehabt.

Im Zug nach Hause bin ich alle paar Minuten zur Toilette gelaufen und dachte, ich muss mich waschen. Ich hatte so ein unsauberes Gefühl, und ich hatte auch diesen Wichs-Geruch noch in der Nase. Ich wurde ja vollgespritzt. Ich hab mein Gesicht gewaschen, meine Hände, ich hab mich gewaschen bis zum Gehtnichtmehr. Aber der Geruch ist nicht weggegangen. Der hat mich verfolgt.

Ich hab mich gewaschen bis zum Gehtnichtmehr. Der Geruch blieb

Wenn ich zu den Sets gefahren bin, habe ich aber immer stärker nach dieser Anerkennung gelechzt. An oberster Stelle stand zwar das Geld, aber es entstand eben auch das Gefühl: Wir sind alle eine große Familie. Man kannte sich ja im Laufe der Zeit, begrüßte sich, fiel sich in die Arme. Und man hat gar nicht gemerkt, wie man immer mehr abstumpfte. Ich hab dann irgendwann selbst die Kolleginnen belächelt, die es nicht anal gemacht haben, das war ja schließlich normal.

Junge Mädchen, die nicht so konnten und Angst hatten, so wie ich damals, die habe ich … ich will nicht sagen: willig gemacht, aber ich hab denen erzählt, wie’s geht. Die hatten irgendwie Vertrauen zu mir, obwohl ich eine richtige Ziege war. Ich bin ganz kalt geworden und konnte gar keine Gefühle mehr zeigen. Aber die Mädchen haben mir immer ihre Geschichten erzählt.

Und alle diese Mädchen – egal ob aus Deutschland, Spanien, Tschechien, aus Russland oder den USA – alle, alle, alle hatten eine schlimme Erfahrung gemacht. Oder mehrere. Ob es der Missbrauch durch den Vater war, die drogenabhängige Mutter oder Heimkinder. Und eigene Drogenerfahrungen, die ja auch irgendwoher gerührt haben.

Es waren alles Mädchen mit einer Geschichte dahinter. Einige waren schon völlig zerstört, wenn sie kamen. Viele kamen auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung und mit der Illusion des einfach verdienten großen Geldes. Viele sagen: „Ich mach das jetzt ein, zwei Mal, weil ich Schulden habe.“ Junge Mädels, die zum Beispiel eine riesige Handyrechnung hatten. Die sieht man dann ein Jahr später mit aufgepumpten Titten und Highheels über die Messe takern.

Im Laufe der Zeit kamen dann die Agenten der Porno-Branche. Die sind ganz gezielt in Ostdeutschland rumgefahren und haben in den Dorfdiscos Mädchen aufgegabelt. Denen haben sie erzählt: „Hier wartet das ganz große Geld auf dich, denn ich sehe in dir einen Star!“ Die Mädchen waren jung und kannten noch nix von der Welt und sind mit denen nach Berlin. Und da wurden sie verheizt. Die Agenten haben die dann immer als „meine Freundin“ bezeichnet. Die hatten immer ganz viele Freundinnen, wie Zuhälter. Viele der Mädchen waren erst 18. Eine war 16, die hatte noch eine Zahnklammer. Die wurde dann mit Zöpfchen hergerichtet, für die Kinderficker.

Keine von den Porno-Darstellerinnen ist angestellt, außer den Exklusiv-Stars. Die haben einen Vertrag mit der Firma, dass sie soundsoviele Filme im Monat oder im Jahr zu drehen haben und auf sämtlichen Autogramm-Veranstaltungen und Messen, für Internet- und Fernsehauftritte für die Firma da zu sein haben. Sie durften keinerlei andere Verpflichtungen eingehen. Die bekommen ein Honorar zwischen 1800 und 3000 Euro dafür, dass sie jederzeit zur Verfügung stehen.

Ich hatte diesen Status aber nie, weil ich ziemlich schnell verheizt wurde. Das nennt man in der Branche so, wenn die frischen Mädchen innerhalb kürzester Zeit von Firma zu Firma gereicht werden. Ich habe drei Jahre in der Branche gearbeitet. In dieser Zeit habe ich pro Woche etwa zwei bis vier Szenen gedreht. Und ich hab mich selbst nicht mehr erkannt. Ich fing an, diese Rolle der kalten, ewig Geilen auch außerhalb der Drehs zu spielen. Ich hatte immer knallenge Hosen und meine Highheels an und fing an, Männer zu manipulieren.

Ich kam da einfach nicht mehr raus. Wär’ ich einmal ich gewesen, wäre ich zusammengeklappt. Nur, wenn mein Kind in der Nähe war, dann konnte ich ein bisschen ich sein. Das war das einzige, was ich noch geschafft habe: Mutter zu sein. Aber im Spiegel konnte ich mich ungeschminkt nicht mehr angucken, weil ich diese Frau dort nicht mehr erkannt habe. Ich habe mich vor mir selber geekelt.

Die meisten Frauen nehmen Drogen, anders halten sie das gar nicht aus

Es kamen mir immer diese Gerüche von Wichse hoch, und von Krankheiten. Viele Frauen hatten Pilze, Chlamydien und Tripper. Wenn man seine Tage hat, muss man natürlich trotzdem drehen und bekommt dann Schwämmchen. Die werden vor die Gebärmutter geschoben. Wenn man stark blutet, braucht man auch zwei oder drei. Und dann kommt halt der Mann noch hinterher. Dann hat man natürlich umso mehr Schmerzen. Man geht dann aus seinem Körper. Man denkt drüber nach, was man mit dem Geld macht. Man ist woanders.

Ein Jahr nach dem Einstieg hab’ ich wieder angefangen zu kiffen. Außerdem hab’ ich Speed genommen und gekokst. Die meisten Frauen in der Branche kiffen und koksen. Oder nehmen Ephedrin. Drogen sind völlig normal in dieser Branche.

Es gibt ja auch diese Gangbangs, wo man auf dem Boden liegt und drumherum sind ganz viele Männer, die einen angucken. Man ist nackt und man muss es sich selber machen. Überall sind die Kameras und die Männer spielen an sich rum und gucken einen an. Und man sieht diese Gier. Ich finde keine Worte für das, was man ist. „Tier“ wäre ein zu guter Ausdruck. Man ist einfach ein Stück, das da auf dem Boden liegt und wo sie gleich rüber dürfen. Es gibt keine Gegenwehr, und das turnt sie an. Die sehen dich da auf dem Boden und kriegen ihn ziemlich schnell hoch. Das siehst du in den Augen, dieses „Du bist meins und gleich mach ich mit dir, was ich will!“ Und dementsprechend behandeln sie einen auch.

Irgendwann sind nur noch Schwänze um einen rum. Wie beim Marathon gibt es dann den Startschuss: Alle Schwänze stehen und dann geht’s los. Dann können sie einen drehen und wenden, wie sie wollen. Man hat ja unterschrieben, dass man macht, was von einem verlangt wird. Und man hat vor sich nur noch Schwänze und Eier und diese glänzenden glasigen Augen von den erregten Männern. Man riecht den Schweiß und die unterschiedlichen Parfums, und man hört, wie sie sich gegenseitig anfeuern: „Fick sie man richtig in den Arsch!“ – „Passt meiner da auch noch rein?!“ – „Ja, ne geile Fotze!“ – „Steck ihn ihr ordentlich ins Maul! Mach mal nen Maulfick!“

Die Produzenten wühlen sich dabei mit der Kamera durch die ganzen Schwänze und schreien: „Dreh den Arsch richtig ins Licht!“ Und jemand anders brüllt: „Reiß ihr den Arsch auseinander! Fick sie richtig durch!“ Und man selbst muss ja für die Kamera funktionieren. Man kann da ja nicht sagen: „Nein, lass das!“ Und dann sagt man halt „Ja, nimm mich, fick mich weiter! Das ist geil!“ Und das macht man natürlich auch, um die Männer anzuheizen, damit es bald vorbei ist. Man redet, wie man reden soll. Man macht die Gesichter, die einem beigebracht werden.

Gern wird dann gesagt: „Guck mal, als ob du ein bisschen Schmerzen hast, aber lass in deinen Augen noch ein bisschen Geilheit!“ Man lernt auch, auf eine bestimmte Art zu stöhnen. Und das geht alles über Stunden. Und dann ruft jemand: „Ja, ich komme!“ Und alle, die nicht darauf stehen, die Wichse von einem anderen Mann an sich kleben zu haben, springen dann zur Seite. Und dann wird die Frau vollgespritzt. Die spritzen ja alle auf den Körper ab, ins Gesicht, auf die Haare. Und man muss dann für die Kamera noch mit der Wichse spielen. Scheiße wird besser behandelt, die wird das Klo runtergespült. Die ist dann weg. Aber man selbst liegt noch da.

Es gibt einen bestimmten Gangbang-Produzenten in Süddeutschland, bei dem werden Frauen nicht nur vergewaltigt, sondern die werden auch als Toilette benutzt. Die werden mit Scheiße eingeschmiert und mit Urin abgeduscht. Die Mädchen, die da waren, die sind mit so einem Schaden wiedergekommen … Die haben völlig abgeschaltet.

Und es gibt ja auch den Trend zum Amateur-Porno. Die Veranstaltungen heißen „Fick einen Pornostar!“ Das hab ich auch gemacht.

Man stumpft so ab. Wir, und damit meine ich alle Darstellerinnen, haben nur funktioniert. Die meisten mit Drogen. Das Problem ist, dass man weiß: Es wurde so viel mit einem gemacht und die Leute haben das gesehen. Das heißt, wenn man noch ein bisschen Kontakt zu Menschen haben will, geht das eigentlich nur in der Pornobranche. Dann muss man in diesem Milieu bleiben. Da rauszukommen, ist ganz schwer. Die Kraft hat nicht jeder.

In der Zeit hatte ich nur eine Beziehung mit einem Mann. Der hat mich als Mensch gesehen, weil ich mit ihm ab und zu Mensch war. Ich konnte mit ihm reden. Solange er mich nur berührt hat, war es schön. Aber in dem Moment, wo er in mir drin war, hat es sich von allein abgeschaltet. Ich hatte keine Empfindungen mehr im Unterleib. Es war immer vorher und nachher schön. Manchmal konnte ich auch überhaupt nicht mit ihm schlafen. Ich musste aufpassen, dass er für mich nicht einer von denen wird. Einer von diesen kranken, notgeilen Wichsern. Wenn ich von der Arbeit kam und er war dann bei mir zu Hause, war das schwer zu unterscheiden.

Irgendwann kam der Moment, wo ich nicht mehr konnte. Immer, wenn ich nüchtern war, kamen mir die Szenen wieder hoch: Wie viele Männer gerade wieder über einen rüber sind.

In der Kleinstadt, in der ich gewohnt habe, haben die Männer, die die Filme gesehen hatten, mich auf der Straße als „Pornoschlampe“ beschimpft. Manche haben auch gesagt: „Bring mal deine Tochter vorbei, ich zeig ihr, wie man bläst!“ Frauen haben da aber auch mitgemacht. Die sagten Sachen wie: „Na, du Porno-Fotze, hast du heute schon ‘nen Schwanz drinstecken gehabt?“ Einmal, vor einem Discoeingang, ist eine Frau einfach auf mich los und hat mich geschlagen, hat mich angespuckt und gebrüllt: „Du Porno-Hure, was willst du hier?“

Im Kindergarten meiner Tochter hab ich das natürlich auch gemerkt. Es gab Kinder, die nicht mit ihr spielen durften, und sie wurde auch nicht auf Kindergeburtstage eingeladen. Diese verachtenden Blicke und überall wurde getuschelt. Die Tagesmutter hat irgendwann gesagt, sie wollte nicht mehr auf meine Tochter aufpassen.

Ich wollte sterben. Meine Tochter hat mir das Leben gerettet

Ich habe dann versucht, weniger zu drehen, weil ich dachte, umso weniger von mir kommt auf den Markt. Ich hab dann in einer Kneipe gearbeitet. Der Besitzer wollte mich als Zugpferd haben. Der fand das ganz toll, dass ich aus der Porno-Branche kam, seine Frau ging auch anschaffen. Ich wollte die Gäste einfach freundlich bedienen. Aber da musste ich mir natürlich auch viel anhören. Irgendwie hat man angefangen, damit zu leben, dass man für die nur ein Stück Scheiße ist. Und innerlich hat man gemerkt: Man geht ein.

Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr. Ich hatte in der Zeit eine Hirnhautentzündung. Von den ganzen Analgeschichten ist mir öfter alles eingerissen, bis es geblutet hat. Ich hatte Chlamydien. Tripper zum Glück nicht, aber der war auch im Umlauf. Die Krankheiten waren auf dem Vormarsch. Einmal habe ich bei meiner Periode acht Wochen lang durchgeblutet.

Die Drogen haben da längst auch nicht mehr geholfen. Am Schluss hab’ ich gedacht: Je mehr ich jetzt nehme, umso größer ist die Chance, dass ich am nächsten Morgen nicht mehr aufwache. Ich konnte mir nicht bewusst das Leben nehmen, wegen meiner Tochter. Aber ich hab’ gehofft, dass ich nicht mehr aufwachen muss.

Meine Tochter hat mir das Leben gerettet. Dadurch, dass sie da war und mir so viel Liebe gegeben hat. Ihre strahlenden Augen, wenn sie mich gesehen hat, ihre Herzlichkeit und Unbefangenheit.

Am 3. Juni 2008 hatte ich dann meinen letzten Dreh.

Das war nicht so einfach, da gab’s schon ein ziemliches Generve mit den Leuten. Ich hab dann ab und zu noch diese „Fick einen Pornostar“-Shows mitgemacht. Da zahlen die Männer 100 Euro und dürfen dann über einen rüber. Ich hab ja sowieso nichts mehr gespürt. Aber auch das konnte ich bald nicht mehr.

Ich mache jetzt eine Umschulung zur Kauffrau im Verlagswesen. Meine Tochter und ich knapsen am Existenzminimum. Seit knapp zwei Jahren bin ich bei „Frauen helfen Frauen“. Da mache ich einmal in der Woche eine Therapie bei einer Traumatherapeutin. Als mein Staubsauger kaputt ging und ich mir keinen neuen kaufen konnte, haben die Frauen mir einen organisiert. Und als mein Computer einen Virus hatte, haben sie dafür gesorgt, dass das repariert wird. Und immer, wenn ich mich alleine fühle, kann ich mich melden. Dann sind die Frauen für mich da.

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