Bekämpft Geschlechter-Apartheid!

Die Initiatorinnen des Appells: Rebecca Schönenbach, Mina Ahadi und Naïla Chikhi.
Artikel teilen

 

Bekämpft Geschlechterapartheid! Gegen jeden Extremismus!

Anzeige

Die Terrorakte der letzten Wochen haben erneut gezeigt, wie gefährlich Islamismus ist. Gewalt entsteht nicht im luftleeren Raum, religiöser Extremismus muss bekämpft werden, bevor er Gewalt und Terror hervorbringt. Wie auch bei rechtsextremen Attentätern ist die Entmenschlichung von Frauen elementarer Bestandteil islamistischer Ideologie. Geschlechterapartheid fängt da an, wo die Trennung der Geschlechter gefordert und durchgesetzt wird, und wo Frauen und Mädchen gedroht wird, wenn sie ihre Freiheitsrechte ausüben wollen.

Daher muss jede Form von Frauenfeindlichkeit bekämpft werden!
Dazu gehört, nicht nur der am weitesten verbreiteten Form der Gewalt gegen Frauen, der häuslichen Gewalt, entgegenzuwirken, die Vorgaben der Istanbul-Konvention vollumfänglich umzusetzen, sondern auch, Hass auf Frauen als gefährlichen Untergrund für Extremismus und Terrorismus zu erkennen und entschieden entgegen zu treten.

Die Reaktionen von Staatsvertretern der Türkei, Pakistans, Tschetscheniens oder des iranischen Regimes auf die Terroranschläge haben gezeigt, dass Extremismus und Terrorismus nur international begegnet und Außenpolitik nicht losgelöst von der Extremismusbekämpfung im Inneren gesehen werden kann.

Daher fordern wir eine Änderung der Innen- wie Außenpolitik zur Aufrechterhaltung und Förderung von Frauenrechten und zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Im Inneren muss konsequent gegen die Beschneidung der Frauenrechte vorgegangen werden, vor allem zum Schutz von Frauen und Mädchen aus islamischen Gemeinschaften, das heißt:

  • Die konsequente Verfolgung von weiblicher Genitalverstümmelung, Kinderehen und Zwangsheiraten, sowie die bundesweite, finanzielle Förderung von Anlaufstellen und Frauenhäusern für betroffene Frauen und Mädchen, denn trotz Verboten sind Mädchen und Frauen weiter von diesen schädlichen Praktiken bedroht.
  • Die strafrechtliche Verfolgung derjenigen, die Frauen durch Gewaltandrohung zu „keuschem“ Verhalten zwingen, z.B. über das Liebesleben, die Kleidung und die Sozialkontakte der weiblichen Familienmitglieder bestimmen wollen.
  • Die gesonderte Erfassung sogenannter Ehrenmorde, bei denen der/die Täter und Täterinnen als Motiv angeben, die Frau habe sich „unkeusch“, zu westlich“ und/oder entgegen religiöser Regeln verhalten. Diese Morde sollen auch andere Frauen der Gemeinschaft abhalten, ihre Grundrechte in Anspruch zu nehmen, und stellen somit Terror gegen die im Grundgesetz, in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in der universellen Menschenrechtserklärung garantierte Gleichberechtigung sowie in der Istanbul-Konvention formulierten Rechte der Frauen dar.

Den Schutz von Schülerinnen und Schülern vor Radikalisierung an Schulen:
Präventive Arbeit gegen jegliche Formen von Radikalisierung muss mit weltanschaulich neutralen Akteurinnen und Akteuren ausgebaut werden. Sobald Lehrerinnen und Lehrer Zeichen von Radikalisierung feststellen, muss den Schulen ein Paket von konkreten Hilfsmaßnahmen und geschultes Personal zur Verfügung gestellt werden. Diese Hilfe sollte vom Bund organisiert und getragen werden. Konsequenzen sollten bei folgenden Anzeichen erfolgen:

  • Verweigerung z. B. der Themen Sexualkunde, Holocaust, Evolution, Genozid an Armeniern
  • Forderungen nach Geschlechtertrennung, Gebetsräumen, Gebetspausen
  • Wenn Schülerinnen und Schüler andere Kinder wiederholt wegen ihrer Herkunft und / oder religiösen Überzeugung oder Weltanschauung z. B. antisemitisch beschimpfen oder Mitschülerinnen stigmatisieren, die sich in ihren Augen „unehrenhaft“ verhalten
  • Proaktive Elternarbeit durch Aufklärungsangebote über die nachhaltigen Folgen von Gewalt gegen Frauen für die Gesellschaft, finanziert durch Bundesmittel.

Extremistische Organisationen werden oft durch ausländische Schirmherren mit frauenverachtender Agenda gefördert. Auch Bund und Länder unterstützen immer wieder Organisationen des extremistischen Spektrums.
Daher fordern wir gesetzliche Regelungen zur Transparenz der Finanzierung gemeinnütziger Organisationen und die Einstellung staatlicher Förderung von und Zusammenarbeit mit religiösen Institutionen und Vertretern zum Zweck der Integration. Integration sollte sich immer um Individuen bemühen, nicht Menschen nach Herkunft und vermeintlicher religiöser Zugehörigkeit kollektivieren.

Wie die rechtsextremen Attentäter, die der Incel-Szene zugerechnet werden, zeigen auch islamistische Attentäter ausgeprägten Hass auf Frauen. Deshalb fordern wir:

  •  die Finanzierung von Forschung, die den Zusammenhang zwischen dem Hass auf Frauen und Extremismus analysieren, sowie die Einrichtung von Lehrstühlen, die insbesondere Formen des islamischen Extremismus untersuchen
  • den aktiven Schutz von Frauen und Männern, die bedroht werden, wenn sie über Extremismus berichten und/oder forschen

Wer die Werte des Grundgesetzes nicht überzeugend nach außen vertritt, wird sie im Inneren nicht verteidigen können. Die Bundesregierung und die Europäische Kommission müssen den Zusammenhang zwischen der Außenpolitik gegenüber Regimen, die eine Politik der Frauenverachtung verfolgen, und der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlands und der Länder der Europäischen Union erkennen und dementsprechend handeln. Dazu gehört:

  • die Einstellung der staatlichen Förderung aller Organisationen und Institutionen, die Verbindungen zu frauenfeindlichen Regimen unterhalten, z. B. Propaganda des iranischen Regimes oder der türkischen Religionsbehörde verbreiten
  • die Freilassung aller Frauen, die in Gefängnissen sitzen, weil sie für die Gleichberechtigung der Geschlechter eintreten
  •  den Stopp der Hinrichtung von Homosexuellen, den Stopp aller Hinrichtungen im Iran und in Saudi-Arabien zu fordern

Wir appellieren an die Bundesregierung und die Europäische Kommission allen Regimen, in denen Geschlechterapartheid herrscht, mit konsequenten Sanktionen zu begegnen und sie zu isolieren.

Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus und Homophobie müssen international geächtet und diejenigen Kräfte gestärkt werden, die sich für Demokratie, Freiheit und Gleichberechtigung einsetzen.
Wir appellieren an Sie, die Gefahr für unsere freiheitlichen und demokratischen Gesellschaften ernst zu nehmen und Extremismus zu bekämpfen. Nur durch konsequentes Vorgehen gegen jede Form der Diskriminierung von Frauen und Mädchen und Geschlechterapartheid kann Extremismus die Grundlage entzogen werden.

Hier den Appell via Kontaktformular unterzeichnen.

Verfasserinnnen:
Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime in Deutschland
Naïla Chikhi, unabhängige Referentin für Integration und Frauenpolitik
Rebecca Schönenbach, Vorsitzende von Frauen für Freiheit e. V.

Erstunterzeichnerinnen:
Rana Ahmad, Vorstand der Säkularen Flüchtlingshilfe e.V.; Avzin Arbilly, Jounalistin; Ulrike Becker, Mideast Freedom Forum Berlin; Halina Bendkowski, Agentin für Feminismus & Geschlechterdemokratie; Brigitta Biehl, Rechtsanwältin; Nazanin Borumand, Zentralrat der Ex-Muslime; Vera Botterbusch, Regisseurin; Carola Dengler, säkulare Feministin; Birgit Ebel, Lehrerin und Gründerin der Präventions- und Empowermentinitiative „extremdagegen!“; Davina Ellis, unabhängige Denkerin; Manijeh Erfani-Far, Frauenrechtlerin; Ninve Ermagan, Journalistin; Mitra Fazeli, Frauenrechtlerin; Verena Claudia Fuchslocher, Bündnis 90/Die Grünen Mannheim; Melanie Götz, Soziologin; Krystyna Grendus, Bundesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne; Dr. Elvira Grözinger, SPME-Germany; Sina Heshmati, Frauenrechtlerin; Prof. Dr. Barbara Holland-Cunz, Politikwissenschaftlerin (i.R.); Dr. Agnes Imhof, Islamwissenschaftlerin; Monireh Kazemi, Frauenrechtlerin; Dr. Sylke Kirschnick, Literaturwissenschaftlerin; Stephanie Koch, Bibliothekarin; Birgit Kreipe, Psychologin; Carola Kullmann, Pens.; Véronique Le Métayer, Lehrerin; Ute Lefelmann-Petersen, LAG Säkulare Bündnis90/Grüne Schleswig-Holstein; Sandra Mai-Duffner, Realschullehrerin; Hannah Melms, Massagetherapeutin; Doro Meuren, Bündnis 90/Die Grünen Weinheim; Gita Neumann, Dipl.-Psychologin; Barbara Nieter, Musikwissenschaftlerin; Mahshid Pegahi, Frauenrechtlerin; Eva Quistorp, MdEP a. D.; Simone Rodan-Benzaquen, Europadirektorin American Jewish Committee (AJC); Sabine Röseler, Politologin; Helke Sander, Regisseurin; Nooshin Sanjabi, Atheist Refugees/women lives matter; Viola Schäfer, Psychologin; Dr. Doris Schöps, Lehrerin; Monika Schröder, Lehrerin; Prof. Dr. Susanne Schröter, Ethnologin; Patricia Stempel, Sozialwissenschaftlerin; Jale Taleb Hariri, Frauenrechtlerin; Nicole Thies, säkulare Feministin; Helga Tilp, Lehrerin i. R.; Rahima Valena, B90/Die Grünen; Hannah Wettig, Publizistin, B90/Die Grünen; Maya Zehden, Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V.; Nariman (Nachname aus Sicherheitsgründen zurückgehalten), Zentralrat der Ex- Muslime

Artikel teilen

"Das ist antidemokratisch!"

Artikel teilen

Naïla, was genau ist in Frankfurt passiert?
Die Moderatorin Fatma Keser vom AStA hat uns um ein erstes Statement gebeten, und schon währenddessen wurde ich durch Zwischenrufe aus dem Publikum unterbrochen. Als Ingrid König (Schulleiterin a.D. und Autorin des Buches „Schule vor dem Kollaps“, Anm. d. Red.) dann sprach, standen mehrere Leute, darunter Frauen mit Kopftuch, auf und haben ein Statement vorgelesen. Wir haben dann darum gebeten, dass die Zwischenrufer bis zur Diskussion mit dem Publikum warten. Das haben sie nicht gemacht. Stattdessen hat eine Gruppe ein großes Transparent entrollt und sich zwischen Publikum und Podium gestellt. Dann brach Chaos aus. Ein Tisch wurde umgeworfen und es gab ein Handgemenge, weil eine der Störerinnen das Ganze filmte, obwohl vorher gesagt worden war, dass nur fotografiert werden darf.

Anzeige

Und wie haben Sie reagiert?
Ich habe den Raum verlassen. Draußen habe ich mit zwei Jungs gesprochen, die zu dieser Gruppe gehörten. Ich habe sie gefragt: „Warum stört ihr auf diese Art und Weise? Warum diskutieren wir nicht vernünftig miteinander? So eine Aktion bestätigt nur das negative Bild, das die AfD versucht, über muslimische Migrantinnen zu verbreiten. Ihr spielt denen voll in die Hände!“

Was haben sie darauf geantwortet?
Sie haben kritisiert, dass das Podium einseitig besetzt sei. Dabei hatten wir noch nicht mal angefangen zu diskutieren. Und als wir das später endlich konnten, hatte der grüne Stadtverordnete Uwe Paulsen durchaus eine andere Meinung als ich. Er erklärte zum Beispiel, er habe kein Problem damit, wenn eine Lehrerin ein Kopftuch trägt. Ich habe den beiden jungen Männern dann vorgeschlagen, dass wir wieder reingehen, sie ihre Freunde beruhigen, wir die Diskussion auf dem Podium führen und wir dann anschließend alle zusammen diskutieren. Darauf erklärten die, dass sie das nicht wollten.

Sie wollten also nicht diskutieren, sondern einfach die Veranstaltung sprengen.
Ja. Wir haben sie zum Dialog eingeladen, aber das haben sie abgelehnt. Stattdessen haben sie uns daran gehindert, die Diskussion weiterzuführen. Das ist ein Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, und es ist antidemokratisch.

Wie hat sich die Situation dann wieder beruhigt?
Inzwischen war die Polizei gekommen. Die Störer sind dann geschlossen gegangen, und einige Leute aus dem Publikum auch, weil die Situation schwer erträglich war. Es war zum Beispiel eine Gruppe iranischer Frauen aus der Generation meiner Mutter da. Die sind vor den islamischen Fundamentalisten geflohen und ins Exil gegangen. Die waren natürlich schockiert.

Die Gruppe nennt sich „Studis gegen rechte Hetze“. Wie ist es, als Algerierin, die vor den Islamisten geflohen ist, als rechte Hetzerin bezeichnet und am Sprechen gehindert zu werden?
Diese Leute machen doch genau das gleiche: Sie betreiben Hetze. Aber das überrascht mich nicht, weil es nicht das erste Mal war. Alle, die den politischen Islam bekämpfen, und zwar aus eigener bitterer Erfahrung, werden doch als „Rechte“ diffamiert, von Necla Kelek bis Ahmad Mansour. Aber ich kenne das ja sehr gut: Dieses „Argument“ haben die Islamisten in Algerien auch schon gegen uns Demokraten verwendet. Damals hat man uns gesagt, wir Feministinnen hätten uns an Frankreich verkauft. Entschuldigung - die Tatsache, dass man für seine Menschenwürde kämpft, hat keine Nationalität. Ich hätte nur nicht gedacht, dass mir das gleiche hier in Deutschland auch passiert. Die übernehmen hier einfach die gleiche Rhetorik. Das ist sehr traurig. Aber wir dürfen das nicht hinnehmen. Viele von uns haben ihre Länder verlassen müssen, weil wir keine andere Wahl hatten. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als hierzubleiben und für Demokratie und Frauenrechte zu kämpfen.

Jemand wie Sie wird jetzt also von drei Seiten attackiert: den Islamisten, den Rechten und jetzt auch von Linken.
Ja, wir kämpfen an drei Fronten. Die Verbündete des politischen Islam ist leider die identitäre und regressive Linke. Es kann doch nicht sein, dass sich diese Leute, die sich theoretisch für die Freiheit der Frau einsetzen, mit Leuten zusammentun, die die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränken und Frauenrechte mit Füßen treten. Ich habe in Algerien den Aufstieg des islamischen Fundamentalismus erlebt. Und ich sehe: Wir sind jetzt in der nächsten Phase angekommen. Bis vor kurzem haben sich ein paar solcher Leute in Veranstaltungen gesetzt und lange Redebeiträge gehalten. Jetzt, wie ja auch kürzlich bei der Veranstaltung mit Alice Schwarzer in Wien, versuchen sie, die Veranstaltungen ganz zu verhindern. Die Islamisten haben in den letzten Jahren alle möglichen Bereiche unterwandert und verbreiten ihre Ideologie auch in den Unis.

Naïla Chikhi ist Kulturwissenschaftlerin. Sie arbeitet als Beraterin und Referentin für Frauenpolitik und Integration. Sie ist Mitfrau bei Terre des Femmes und Erstunterzeichnerin des Aufrufs zum Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes.

 

Weiterlesen
 
Zur Startseite