Woody Allens Sohn Ronan klagt an

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Da flaniert er (mal wieder) über den roten Teppich, eingerahmt von seinen Hauptdarstellerinnen Kristen Stewart und Blake Lively, die (mal wieder) groß, blond und ein halbes Jahrhundert jünger sind als er. Woody Allens neues Werk „Café Society“ war der Eröffnungsfilm in Cannes. Darin geht es um „wahre Liebe versus Materialismus“ (FAZ). Und die Presse jubelt (mal wieder).

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Schon als Kind irritiert über Woody Allens Verhalten gegenüber Dylan

Einer allerdings jubelt nicht mit. Es ist ein amerikanischer Journalist namens Ronan Farrow. In einem Gastbeitrag im Hollywood Reporter beklagt er: Woody Allen und seine Stars, die jetzt mit ihm über den roten Teppich flanieren, „können darauf vertrauen, dass die Presse ihnen die harten Fragen nicht stellt“. Wonach die Reporter fragen könnten, ja: müssten?

Ronan Farrow ist der leibliche Sohn von Mia Farrow und Woody Allen, also der Bruder von Dylan Farrow, 31, der Adoptivtochter von Farrow und Allen. Dylan hatte im Februar 2014 in einem Offenen Brief in der New York Times geschrieben: „Als ich sieben Jahre alt war, nahm mich Woody Allen an der Hand und führte mich in eine schummerige Dachkammer im zweiten Stock unseres Hauses. Er wies mich an, mich auf den Bauch zu legen und mit der elektrischen Eisenbahn meines Bruders zu spielen. Dann missbrauchte er mich sexuell. Seit diesem Tag finde ich es schwierig, mir Spielzeugeisenbahnen anzuschauen.“

Es war nicht das erste Mal, dass Dylan Farrow öffentlich machte, dass ihr Adoptivvater sie missbraucht habe. Sie hatte das schon als Siebenjährige immer wieder dem Staatsanwalt erzählt, nachdem nicht etwa Mutter Mia, sondern das Kindermädchen und der Kinderarzt Alarm geschlagen hatten. Der Vater habe sie am ganzen Körper geküsst, auch zwischen den Schenkeln, und seinen Finger in sie „rein gedrückt“. Dylan: „Es hat wehgetan. Er hat gesagt, wenn ich in dem Film vorkommen will, bleibt mir nichts anderes übrig. Er hat einfach immer wieder reingestoßen.“

Obwohl die Staatsanwaltschaft die Aussagen des Mädchens für glaubhaft hielt und den Missbrauch für „wahrscheinlich“, erhob sie mit Rücksicht auf die „Zerbrechlichkeit des Kindes“ keine Anklage. Doch in dem Sorgerechtsprozess, der ein Jahr später stattfand, bestätigte Richter Elliott Wilk, dass sich Allen seinen Kindern gegenüber „missbrauchend und gefühllos“ verhalten habe. Speziell sein Verhalten gegenüber Dylan sei „grob unangemessen“ und es müssten „Maßnahmen zu ihrem Schutz getroffen werden“. Er entzog Allen, der um das Sorgerecht für die drei gemeinsamen Kinder mit Farrow - Ronan, Dylan und Moses - geklagt hatte, Sorge- und Besuchsrecht für alle Kinder.

Die glamouröse Welt des Cinemas und die lebensferne Welt der Feuilletons hat das nie sonderlich geschert. „Es fühlte sich an, als ob mir all die Awards und Lobreden sagen sollten, dass ich die Klappe halten und abhauen sollte“, erklärte Dylan 2014, als Allen mal wieder für einen Oscar nominiert war und für seinen Film „Blue Jasmine“ gefeiert wurde. Eine der wenigen, die Stellung bezog, war Lena Dunham. Via Twitter lobte sie den Offenen Brief von Dylan Farrow als „mutig und kraftvoll“. 

Jetzt, da Allen wieder unter dem Applaus der Medien über den roten Teppich flaniert, meldet sich Dylans Bruder Ronan zu Wort und stellt sich an die Seite seiner Schwester. Die Medien „haben dabei geholfen, eine Kultur der Straflosigkeit und des Schweigens zu schaffen“, klagt der Jurist und Journalist. „Wenn du ein Interview mit Blake Lively führst, in dem du sie fragst, welche Klamotten sie trägt, aber nicht, warum sie mit einem mutmaßlichen Kindesmissbraucher dreht, dann ist es an der Zeit, dein Gewissen zu befragen.“

Diese Art der Stille über den Fall ist falsch und gefährlich

Dass 1992 – aus Rücksicht auf das Opfer - keine Anklage gegen Allen erhoben wurde, sei keine Rechtfertigung. Ronan: „Es passiert oft, dass missbrauchte Frauen keine Anzeige erstatten oder die Anzeige nicht mit einer Verurteilung endet. Die Rolle eines Reporters ist sicher nicht, der Wasserträger für diese Frauen zu sein. Aber es ist unsere Pflicht, in unseren Berichten die Fakten zu nennen und sie ernst zu nehmen.“

Ronan Farrow kennt die Fakten: Er sei als Kind selbst „irritiert“ gewesen vom „seltsamen Verhalten unseres Vaters Dylan gegenüber“. Allen sei „mitten in der Nacht in Dylans Bett geklettert“ oder „habe sie gezwungen, an seinem Daumen zu lutschen“. Es treffe seine Schwester tief, dass all das niemanden zu interessieren scheint. „Diese Art der Stille ist nicht nur falsch“, erklärt Ronan. „Sie ist gefährlich. Sie sendet den Opfern die Botschaft, was wir übersehen, wen wir ignorieren, wer uns wichtig ist und wer nicht.“ Es gebe „noch eine Menge zu tun, um eine Kultur zu schaffen, in der Frauen wie meine Schwester nicht länger behandelt werden, als wären sie unsichtbar. Es ist an der Zeit, die harten Fragen zu stellen.“ 

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Woody Allens Tochter Dylan klagt an

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Dylan (die heute einen anderen Namen trägt) hat als Erwachsene noch nie öffentlich darüber gesprochen. Darüber, was ihr von Allen im Gedächtnis geblieben ist und wie sein dama­liges Verhalten sie gequält hat. Sie weigert sich bis heute, jemals seinen Namen auszusprechen. „An vieles kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich habe nicht vergessen, was im Speicher passiert ist. Ich weiß noch, was ich trug und was ich nicht trug.“ 

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Dylan ist 28, hat einen Collegeabschluss und ist mit einem Informatikspezialisten verheiratet. „Er ist das Beste, was mir je passiert ist. Ohne ihn wäre ich nicht funktionsfähig.“ Sie ist schlagfertig, äußerst ­intelligent und dabei, einen 500-Seiten-Roman im Genre von „Game of Thrones“ zu schreiben und zu illustrieren. Vor unserem Gespräch, das mehr als vier Stunden dauerte, versprach ich ihr, weder ihren jetzigen Wohnort noch andere erkennbare Einzelheiten zu enthüllen. An die Paparazzi, die sich damals, 1993, während der Nachwehen des Skandals um Mias Wohnhaus scharten, kann Dylan sich noch lebhaft erinnern. „Wenn ich den Haupteingang benutzen musste, um zur Schule zu gehen, wurde ich in Decken gewickelt und zum Auto getragen.“

„Wenn ich mir ­vorstelle, dass ich verfolgt werde – dann ist er es, der mich jagt.“ (Dylan)

Menschen außerhalb der Familie, die Anfang der 1990er Jahre bei Farrow zu Gast waren, berichteten mir damals, dass Dylan sich verschloss, wenn Allen zu ­Besuch kam. Das Kind klagte über Bauchschmerzen und sperrte sich im Bad ein, um ihm aus dem Weg zu gehen. Eine Babysitterin sagte aus, sie habe am Tag des mutmaßlichen Vorfalls auf dem Dachboden, während Mia einkaufen war, Allen im Fernsehzimmer überrascht, wie er vor Dylan gekniet hatte, das Gesicht in ihrem Schoß. „Ich wusste damals nicht, dass etwas Unerlaubtes passierte“, sagt Dylan heute. „Alles, was mir unangenehm war, gab mir das Gefühl, ein böses Kind zu sein, weil ich nicht das tun wollte, was man von mir verlangte.“ Der Speicher, sagte sie, gab ihr den Rest. „Ich zerbrach. Ich musste etwas sagen. Ich war sieben. Ich tat es, weil ich Angst hatte. Ich wollte, dass es aufhörte.“

Allen leugnete anfangs, im Speicher ­gewesen zu sein. Als dort Haare von ihm gefunden wurden, sagte er, er könnte ­ein- oder zweimal seinen Kopf hineingesteckt haben. Aufgrund des Fundorts der Haare konnte seine Anwesenheit nicht eindeutig nachgewiesen werden.

„Hat er Ihnen gesagt, es sei ein Geheimnis?“, fragte ich 20 Jahre danach. „Ja. Er sagte: ‚Du darfst es niemandem erzählen.‘ Ich erkannte nicht, wie vorsichtig er war – Sachen, die passierten, wenn niemand im Zimmer war. Mir war es unangenehm, wenn er mir den Daumen in den Mund steckte oder wie er mich umarmte.“ Als ihr gesagt wurde, sein Verhalten sei nicht normal, „habe ich mich noch schuldiger gefühlt. Ich habe mich bei allem schuldig gefühlt. Ich glaubte, ich würde die Familie zerstören, das war erdrückend, belastend.“ 

Direkt nachdem Dylan ihrer Mutter erzählt hatte, was passiert war, nahm Mia den Bericht auf Video auf und brachte das Mädchen zu einem Kinderarzt. Dylan erzählte dem Arzt zunächst, sie sei „an der Schulter“ berührt worden, weil es ihr peinlich war. 

Für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren musste Dylan mehrfach untersucht werden und während des erbitterten Kampfs um das Sorgerecht immer wieder. „Das war die Zeit, in der ich in all den verschiedenen Büros erzählen musste, was passiert war. Je öfter ich es erzählen musste, desto weniger wurde mir geglaubt, das spürte ich.“ (Laut Woody Allens Anwalt Elkan Abramowitz bestreite Allen nach wie vor den sexuellen Missbrauch.)

Nach Ende des zermürbenden Prozesses gab Mia Farrow 1993 ihre Wohnung in New York auf und zog mit den jüngeren Kindern nach Connecticut. Dort blühte Dylan für einige Jahre auf. Sie erinnert sich: „Ich hatte ein tolles Leben. Ich war ein Mädchen, das auf einer Farm lebte, und ich hatte ein Pony. Meine Geschwister Ronan, Tam und ich waren wie die Drei Musketiere.“ 

Als sie in die Highschool kam, fiel es dem Mädchen jedoch schwer, Freunde zu finden. Durch Tams plötzlichen Tod im Jahr 2000 – das aus Vietnam adoptierte Mädchen starb an Herzproblemen – zerbrach Dylans schöne neue Welt. Die 14-Jährige zog sich in sich zurück und verfiel in eine schwere Depression. Sie fing an, sich zu ritzen und machte sogar einen halbherzigen Selbstmordversuch. „Ich bin nicht stolz darauf. Mir fiel es sehr schwer, zurechtzukommen. Mom war mein Fels, und Ronan war mein bester Freund.“ 

Der Anblick eines Schulkameraden in einem Woody-Allen-T-Shirt löste bei Dylan einen Brechanfall aus. Sie fürchtet sich immer noch davor, dass er sie anrufen könnte. „Ich hatte Zusammenbrüche, weil ich eine Zeitschrift auf der falschen Seite aufschlug. Einmal war ich bei Madame Tussaud und wurde von meiner Freundin getrennt. Ich setzte mich auf eine Bank und hielt nach ihr Ausschau. Eine Wachsfigur fiel mir ins Auge. Er! Das war das einzige Mal, dass ich in der Öffentlichkeit geschrien habe.“ Sie nennt ihre Ängste „lähmend“ und sagt: „Ich habe Angst vor ihm, vor seinem Bild. Niemand möchte glauben, dass dieser legendäre Filmemacher mein schlimmster Albtraum ist. Wenn ich mir vorstelle, dass ich verfolgt werde oder etwas passiert – dann ist er es, der mich jagt.“ 

Dylans Retter ist ihr Mann, den sie kurz nach ihrem Collegeabschluss kennenlernte. Nach der ersten Woche trennte sie sich von ihm, mit der Begründung, sie hätte wegen Kindheitserinnerungen ein gestörtes Verhältnis zum Sex. „Ich hatte so viel Angst davor.“ Als sie ihm erklärte, sie könnte es nicht genießen, antwortet er: „Nein! Das akzeptiere ich nicht. Du bist nicht kaputt. Das ist nur eine Überreaktion auf etwas, das sich vollkommen in deinem Kopf abspielt.“ Sie war so wütend, dass sie hinausstürmte, ihn aber mehrere Stunden danach anrief. „Hör zu, ich habe da ein paar Leichen im Keller. Sie wohnen dort. Einige vielleicht auf Dauer, aber wenn du bereit bist, mir bei der Verarbeitung zu helfen, wäre ich dir sehr dankbar.“ „Ich bin so froh, dass du angerufen hast“, erwiderte er. Sie heirateten 2010.

Das Personal der Klinik für sexuell missbrauchte Kinder in Yale-New Haven kam damals zu dem Schluss, dass Dylan nicht sexuell missbraucht worden sei. Die Klinik war von Frank Maco, dem für den Fall zuständigen Staatsanwalt aus Connecticut, gebeten worden, ihre Meinung ausschließlich zu Dylans Fähigkeit abzugeben, Tatsachen korrekt wahrnehmen, sich erinnern und die Geschichte im Zeugenstand wiederholen zu können. Stattdessen wurde, laut Maco, nicht nur sein Ersuchen ignoriert, sondern die Klinik ging weit darüber hinaus: Im März 1993 erfuhr er von Dr. John Leventhal, dem Kinderarzt und Leiter der Klinik: „Wir finden die Behauptung unbegründet und werden dies Woody Allen mitteilen.“ Am nächsten Tag „stand Woody auf den Stufen von Yale und beteuerte seine Unschuld“, erinnert sich der Staatsanwalt. Maco erklärt: Allen die Ergebnisse als Erstem mitzuteilen, das Ersuchen des Staatsanwalts zu ignorieren und dann das Urteil zu dem Fall zu verkünden – das alles sei beispiellos.

Die Klinik klassifizierte Dylans „lockere Assoziationen“ und ihre lebhafte Phantasie als „Denkstörung“. Dylan hatte ihnen zum Beispiel erzählt, sie habe „tote Köpfe“ in einer Truhe im Speicher gesehen. Als Leventhal mitgeteilt wurde, dass Mia „eine Truhe auf dem Speicher hatte, in der sie Perücken aus ihren Filmen auf Perückenständern verwahrte“, schreibt der Journalist Andy Thibault, „musste er einräumen, dass dies kein Beweis für ein Phantasieproblem oder eine Denkstörung war.“

Thibault hatte den Fall 1997 recherchiert und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Klinik: „Das Yale-Team benutzte Psychologen von Allens Gehaltsliste, um Schlussfolgerungen über Dylans geistige Gesundheit zu ziehen.“ Er berichtete, das Team hätte alle Notizen vernichtet und Leventhal hätte Dylan nie persönlich befragt. Sie hätten auch niemanden befragt, der ihre Missbrauchsbehauptungen hätte bekräftigen können. Richter Elliott Wilk, der den Vorsitz über das von Allen angestrengte Sorgerechtsverfahren führte, schrieb 1993 in seiner Entscheidung, er habe „Zweifel an der Verlässlichkeit des Berichts“ der Klinik gehabt. 

„Würde ich heute mit der siebenjäh­rigen Dylan reden, würde ich sie ermutigen, tapfer zu sein.“ (Dylan)

Die Gerichtsverfahren und die Anhörungen zogen sich über mehr als vier Jahre hin. Obwohl Allen Millionen Dollar für Anwaltskosten ausgab, verlor er zwei Prozesse und zwei Berufungen. Am Tag, nachdem der Bericht der Yale-New Haven-Klinik veröffentlicht wurde, gab Staatsanwalt Maco eine Pressemitteilung mit der Ankündigung heraus, er werde weiter ermitteln.

Inzwischen hatte Allen Privatdetektive engagiert. „Es gab ernsthafte Bemühungen, Negatives über Maco und verschiedene Ermittler der Polizei auszugraben, um Einfluss auf das Ermittlungsverfahren zu nehmen. Und es zeigte Wirkung“, sagt Thibault, der mit einigen der betroffenen Ermittler gesprochen hat. Mir erzählte einer der führenden Ermittler des Falls: „Sie haben versucht, Dreck über die Polizisten auszugraben – zum Beispiel, ob sie Affären hatten.“ 

Im Juni 1993 sprach Richter Elliott Wilk Mia Farrow das alleinige Sorgerecht für Dylan zu und verweigerte Allen das Besuchsrecht für das Kind. Der Richter kam zu dem Schluss, dass Allen „keine elterlichen Fähigkeiten“ zeige und „egozentrisch, unzuverlässig und unsensibel“ sei. Allens Verfahrensstrategie, schloss er, habe darin bestanden „seine Kinder von deren Brüdern und Schwestern zu trennen; die Kinder gegen ihre Mutter aufzubringen.“ Er habe „keine schlüssigen Beweise“ für Allens Behauptung gefunden, „dass Dylan von Ms. Farrow instruiert worden ist oder Ms. Farrow aus dem Wunsch nach Rache gehandelt hat, weil er Soon-Yi verführt hatte.“ Allen legte Berufung ein. Das Urteil blieb bestehen.

Im Gegensatz zum Personal von Yale-New Haven fanden die Ermittler Dylan glaubwürdig. „Wenn ein kleines Mädchen sagt, jemand habe sie mit dem Finger penetriert“, erzählte mir einer von ihnen, „wenn ein Kind in dem Alter mit diesem Vorfall Schmerz in Verbindung bringt, dann ist das glaubwürdig.“ 

Staatsanwalt Maco hatte es während der Untersuchungen von Yale-New Haven vermieden, Dylan zu befragen. Nach der Entscheidung von Wilk beschloss er jedoch, selbst zu überprüfen, ob man sich auf sie im Zeugenstand verlassen könnte. „Ich habe mich mit dem Kind, meiner Sekretärin und einer Staatspolizistin getroffen, und wir sind auf dem Boden herumgetollt – wir hatten Stofftiere. Sobald ich Woody erwähnte, erstarrte das Kind.“

Am 24. September 1993 erklärte Maco auf einer Pressekonferenz, er habe hinreichende Verdachtsmomente, Woody Allen zu verhaften, würde aber aufgrund der Zerbrechlichkeit des „kindlichen Opfers“ keine Anklage erheben.
„Ich wurde nie in den Zeugenstand gerufen“, erzählte mir Dylan und fügte hinzu: „Wenn ich heute mit der siebenjährigen Dylan reden könnte, würde ich sie ermutigen, tapfer zu sein und gegen ihn auszusagen.“

Rückblende 1992: Die Autorin Priscilla Gilman, die Freundin von Mia Farrows Sohn Matthew aus der Highschool und dem College, ging ständig in Mias Wohnung ein und aus. Eines Tages, erinnert sie sich, rief Matthew sie in Yale an und sagte: „Ich muss zu dir kommen. Es ist einfach so schrecklich.‘ Er war grün im Gesicht, sank auf mein Sofa und sagte: ‚Woody hat eine Affäre mit Soon-Yi.‘ „Soon-Yi war die Letzte, die mir eingefallen wäre“, sagt sie. Matthew zeigte ihr die Nacktfotos von Soon-Yi, die Mia gefunden hatte. „Sie waren äußerst pornografisch – wirklich verstörend.“ Gilman sagt, sie hätte immer geglaubt, Soon-Yi, die sie für die Außenseiterin in der Familie hielt, sei in Matthew verknallt. Allen habe sich „eindeutig die Beschützenswerteste in der Familie ausgesucht“, fährt sie fort. „Sie hat Stunden für ihre Hausaufgaben gebraucht; sie hatte einen Privatlehrer.“ Soon-Yi, Kind einer koreanischen Mutter, die sich prostituierte und das Kind vernachlässigt und misshandelt hatte, hatte auch Schwierigkeiten, Beziehungen aufzubauen. „Ich erinnere mich, dass Matthew erzählte, sie hätte ihn gekratzt und angespuckt“, sagt Gilman.

Mia erteilte Allen nach der Entdeckung der schockierenden Fotos im Januar 1992 kein Hausverbot. Sie erlaubte ihm, seine adoptierten Kinder weiterhin zu besuchen, und beendete den Film „Ehemänner und Ehefrauen“, an dem sie gemeinsam arbeiteten. „Die Kinder haben ein Recht darauf, wütend zu sein – sie hat sie nicht beschützt“, sagt ein Beobachter. „Sie hat es weiterlaufen lassen, wollte keinen Staub aufwirbeln. Er war schon wegen ‚unangemessenen Verhaltens‘ gegenüber Dylan in Therapie, als er sie adoptierte! Welchen Sinn ergibt das denn?“ Gilman glaubt: „Mia wollte nicht, dass die Medien davon erfuhren. Sie wollte nicht, dass Woodys Name besudelt wird.“

Allen tat laut Gilman und anderen alles, was er konnte, um Mia wieder für sich zu gewinnen und Dylan weiterhin sehen zu können. „Ich habe erlebt, wie er sie immer wieder anflehte, zu ihm zurückzukommen und behauptete, Soon-Yi bedeute ihm nichts und die Sache sei ein ‚Hilfeschrei‘, weil es nach der Geburt des Babys [Ronan] so schwierig gewesen sei. Ich weiß noch, wie er mit Geschenken vorbeikam“, erinnert sich Gilman.

Der nächste Schock kam, als Mia erfuhr, dass Dylans Kinderarzt juristisch verpflichtet war, ihre Anschuldigungen den Behörden zu melden. Eine Woche nachdem der Bericht eingereicht worden war, reichte Allen, gegen den die Polizei von Connecticut bereits ermittelte, eine Präventivklage ein, um das Sorgerecht für Moses, Dylan und Ronan zu bekommen. Er hielt eine Pressekonferenz ab, in der er seine „Liebe“ zu Soon-Yi bekannt gab. In  Time verkündete er: „Das Herz will, was es will.“

Allen behauptete, Mia hätte die Anschuldigungen wegen Kindesmissbrauchs nur erhoben, weil sie sich als verschmähte Frau betrachtete. Was sie tue, sei „eine ­gewissenlose und grausam schädigende Manipulation unschuldiger Kinder aus rachsüchtigen und eigennützigen Motiven.“ 

Fletcher Previn, der Adoptivsohn von Mia Farrow und ihrem Ex-Mann André Previn, ist heute 39 Jahre alt. Per Photoshop hat er aus jedem einzelnen Familienfoto und -video seinen (sozialen) Vater Woody Allen entfernt. „Jetzt können wir endlich die Fotos anschauen und an das Gute denken, ohne permanent an das Schlechte erinnert zu werden.“

„Verheerend“ ist der Begriff, den die inzwischen erwachsenen Kinder für das verwenden, was ihnen von Allen angetan wurde. Daisy, heute Ingenieurin in Brooklyn, sagt: „Es hat unsere Welt auf den Kopf gestellt. Das würde man niemandem wünschen.“ Und Fletcher fügt hinzu: „Für meine Geschwister und mich war Allen wie ein zweiter Vater. Sowas kann deine Welt bis in die Grundfesten erschüttern.“ 

Aus dem Amerikanischen: Susanne Aeckerle 
 

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