"Das ist antidemokratisch!"
Naïla, was genau ist in Frankfurt passiert?
Die Moderatorin Fatma Keser vom AStA hat uns um ein erstes Statement gebeten, und schon währenddessen wurde ich durch Zwischenrufe aus dem Publikum unterbrochen. Als Ingrid König (Schulleiterin a.D. und Autorin des Buches „Schule vor dem Kollaps“, Anm. d. Red.) dann sprach, standen mehrere Leute, darunter Frauen mit Kopftuch, auf und haben ein Statement vorgelesen. Wir haben dann darum gebeten, dass die Zwischenrufer bis zur Diskussion mit dem Publikum warten. Das haben sie nicht gemacht. Stattdessen hat eine Gruppe ein großes Transparent entrollt und sich zwischen Publikum und Podium gestellt. Dann brach Chaos aus. Ein Tisch wurde umgeworfen und es gab ein Handgemenge, weil eine der Störerinnen das Ganze filmte, obwohl vorher gesagt worden war, dass nur fotografiert werden darf.
Und wie haben Sie reagiert?
Ich habe den Raum verlassen. Draußen habe ich mit zwei Jungs gesprochen, die zu dieser Gruppe gehörten. Ich habe sie gefragt: „Warum stört ihr auf diese Art und Weise? Warum diskutieren wir nicht vernünftig miteinander? So eine Aktion bestätigt nur das negative Bild, das die AfD versucht, über muslimische Migrantinnen zu verbreiten. Ihr spielt denen voll in die Hände!“
Was haben sie darauf geantwortet?
Sie haben kritisiert, dass das Podium einseitig besetzt sei. Dabei hatten wir noch nicht mal angefangen zu diskutieren. Und als wir das später endlich konnten, hatte der grüne Stadtverordnete Uwe Paulsen durchaus eine andere Meinung als ich. Er erklärte zum Beispiel, er habe kein Problem damit, wenn eine Lehrerin ein Kopftuch trägt. Ich habe den beiden jungen Männern dann vorgeschlagen, dass wir wieder reingehen, sie ihre Freunde beruhigen, wir die Diskussion auf dem Podium führen und wir dann anschließend alle zusammen diskutieren. Darauf erklärten die, dass sie das nicht wollten.
Sie wollten also nicht diskutieren, sondern einfach die Veranstaltung sprengen.
Ja. Wir haben sie zum Dialog eingeladen, aber das haben sie abgelehnt. Stattdessen haben sie uns daran gehindert, die Diskussion weiterzuführen. Das ist ein Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, und es ist antidemokratisch.
Wie hat sich die Situation dann wieder beruhigt?
Inzwischen war die Polizei gekommen. Die Störer sind dann geschlossen gegangen, und einige Leute aus dem Publikum auch, weil die Situation schwer erträglich war. Es war zum Beispiel eine Gruppe iranischer Frauen aus der Generation meiner Mutter da. Die sind vor den islamischen Fundamentalisten geflohen und ins Exil gegangen. Die waren natürlich schockiert.
Die Gruppe nennt sich „Studis gegen rechte Hetze“. Wie ist es, als Algerierin, die vor den Islamisten geflohen ist, als rechte Hetzerin bezeichnet und am Sprechen gehindert zu werden?
Diese Leute machen doch genau das gleiche: Sie betreiben Hetze. Aber das überrascht mich nicht, weil es nicht das erste Mal war. Alle, die den politischen Islam bekämpfen, und zwar aus eigener bitterer Erfahrung, werden doch als „Rechte“ diffamiert, von Necla Kelek bis Ahmad Mansour. Aber ich kenne das ja sehr gut: Dieses „Argument“ haben die Islamisten in Algerien auch schon gegen uns Demokraten verwendet. Damals hat man uns gesagt, wir Feministinnen hätten uns an Frankreich verkauft. Entschuldigung - die Tatsache, dass man für seine Menschenwürde kämpft, hat keine Nationalität. Ich hätte nur nicht gedacht, dass mir das gleiche hier in Deutschland auch passiert. Die übernehmen hier einfach die gleiche Rhetorik. Das ist sehr traurig. Aber wir dürfen das nicht hinnehmen. Viele von uns haben ihre Länder verlassen müssen, weil wir keine andere Wahl hatten. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als hierzubleiben und für Demokratie und Frauenrechte zu kämpfen.
Jemand wie Sie wird jetzt also von drei Seiten attackiert: den Islamisten, den Rechten und jetzt auch von Linken.
Ja, wir kämpfen an drei Fronten. Die Verbündete des politischen Islam ist leider die identitäre und regressive Linke. Es kann doch nicht sein, dass sich diese Leute, die sich theoretisch für die Freiheit der Frau einsetzen, mit Leuten zusammentun, die die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränken und Frauenrechte mit Füßen treten. Ich habe in Algerien den Aufstieg des islamischen Fundamentalismus erlebt. Und ich sehe: Wir sind jetzt in der nächsten Phase angekommen. Bis vor kurzem haben sich ein paar solcher Leute in Veranstaltungen gesetzt und lange Redebeiträge gehalten. Jetzt, wie ja auch kürzlich bei der Veranstaltung mit Alice Schwarzer in Wien, versuchen sie, die Veranstaltungen ganz zu verhindern. Die Islamisten haben in den letzten Jahren alle möglichen Bereiche unterwandert und verbreiten ihre Ideologie auch in den Unis.
Naïla Chikhi ist Kulturwissenschaftlerin. Sie arbeitet als Beraterin und Referentin für Frauenpolitik und Integration. Sie ist Mitfrau bei Terre des Femmes und Erstunterzeichnerin des Aufrufs zum Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes.