Nonbinär ist echt reaktionär!

Die von Nemo Mettler erhoffte Revolution für ein "drittes Geschlecht" ist bisher ausgeblieben. - Foto: Philipp Stirnemann/IMAGO
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Der Jubel war groß, als der Sieger der Eurovision Song Contest (ESC) in der Nacht zum 12. Mai feststand. Gewonnen hatte Nemo, ein 24-jähriger Schweizer, mit seinem Song „The Code“. Gejubelt wurde aber nicht nur über die tatsächlich beeindruckende Stimme des Sängers und die Qualität des Stückes, sondern vor allem über Nemos „Geschlechtsidentität“. Denn Nemo identifiziert sich als „nichtbinär“.

Was das heißen soll? „Ich fühle mich weder als Mann noch als Frau“, erklärt er. Wobei „er“ hier eigentlich gar nicht verwendet werden darf, denn Nemo benutzt für seine Selbstbezeichnung keine Pronomen, möchte also weder als „er“ noch als „sie“ benannt werden. Und das will der eindeutig biologisch männliche Nemo nun so auch in seinen Pass eintragen lassen. Einen Termin mit dem Schweizer Justizminister Beat Jans hatte er schon. Ziel: die Einführung eines „dritten Geschlechts“. Es geht Nemo also nicht um ein Spiel mit den Geschlechterrollen, nicht darum, dass er bei seinem Auftritt ein rosa Röckchen und eine pinke Tüllwolke trug, sich also als Mann nicht an den „männlichen“ Dresscode hält. Nemo behauptet, kein Mann (und keine Frau) zu sein. Das gilt, zumindest in gewissen Kreisen, als hip und fortschrittlich. Dabei ist es reaktionär. Warum?

Könnte man auch, je nach gefühltem Alter, das Geburtsdatum ändern lassen?

Erstens: Wir sprechen hier nicht von Fakten, sondern von einem „Gefühl“. Nemo Mettler ist ein biologischer Mann (der übrigens seit fünf Jahren mit einer Frau liiert ist). Dass er sich als „nichtbinär identifiziert“, ist sein persönliches Empfinden. Dass er dieses Empfinden in seinen Pass eintragen lassen möchte, ist ein erstaunliches Ansinnen. Denn genauso gut könnte man sein biologisch eindeutiges Geburtsdatum ändern lassen, wenn man sich älter oder jünger fühlt, als man faktisch ist.

Zweitens, und das ist aus feministischer Sicht noch wichtiger: Warum sollte denn ein Mann, der nicht den gängigen Geschlechterbildern entspricht, ein „anderes Geschlecht“ haben? Wir Feministinnen sind doch dafür angetreten, dass Mädchen keine rosa Prinzessinnen sein müssen und Jungs keine blauen Supermänner. Wir haben dafür gekämpft, dass ein zarter, weicher Mann nicht als „Weichei“ heruntergemacht wird, sondern auch ein „richtiger Mann“ ist (und eine Frau mit Kurzhaarschnitt und festem Schuhwerk eine „richtige Frau“).

Was aber lernen Jungen, die Nemo beim ESC mit seiner nichtbinären Flagge wedeln sehen? Ein Mann im rosa Rock ist kein Mann. Sondern irgendetwas anderes, er ist ein „drittes Geschlecht“.

Was bleibt am  Ende übrig? "Echte" Männer und „Nichtbinäre“. Das ist kein Fortschritt.

Für alle kleinen und großen Jungen, die auf Rosa stehen und sich gern mal die Fingernägel lackieren würden, ist das keine Ermutigung. Im Gegenteil: Wenn sie es wagen, gegen die Konventionen zu verstoßen, dann nur, wenn sie gleichzeitig das Mannsein ablegen.

Am Ende bleiben übrig: die „echten“ Männer und „die Nichtbinären“. Und das ist kein Fortschritt, sondern Rückschritt. Denn es schafft die Geschlechter-Schubladen nicht ab, sondern schafft neue: Wenn du gegen das Rollendiktat verstößt, dann gehörst du in eine andere Schublade. Das ist kein Ausbruch aus dem Käfig. Es ist einfach nur ein dritter Käfig.

Man sieht sie jetzt häufig, die Jungs mit den langen Haaren, den lackierten Fingernägeln und den Perlenketten. Wunderbar, eigentlich. Nur schade, dass sie das so spannende Spiel mit den Geschlechterrollen verwechseln mit dem biologischen Geschlecht. Denn das ist eine Tatsache, kein „Gefühl“. Und es ist gelinde gesagt erstaunlich, dass die Medien, jedenfalls die meisten, bei dieser Konfusion von sex (biologisches Geschlecht) und gender (soziale Geschlechterrolle) willfährig mitmachen.

„Sam Smith ist nichtbinär“, schreibt nicht nur die einschlägige taz über den homosexuellen britischen Sänger. Auch die der Anbiederei an den queeren Zeitgeist eher unverdächtige FAZ übernimmt unhinterfragt die Behauptung der Sängerin Janelle Monaé, sie sei „nichtbinär“. Dabei ist Monaé natürlich sehr eindeutig eine Frau, die vor einiger Zeit ihre Bisexualität öffentlich gemacht hat.

Im Gegensatz zu den Medien blicken die Menschen allerdings durch. Der Text, den ich nach dem ESC auf EMMAonline veröffentlichte, brach sämtliche Facebook-Rekorde. In 2.500 Kommentaren diskutierten sich die UserInnen die Köpfe heiß. Tenor: Endlich sagt es mal jemand! Denn dass etwas nicht stimmt mit diesem „nichtbinären“ Popanz, dass Gefühl etwas anderes ist als Realität, das ist einer großen Mehrheit der Menschen klar.

Richtig tragisch wird diese Verwirrung übrigens für die biologisch weiblichen „Nichtbinären“. Während nämlich Musiker Nemo oder Schriftsteller Kim de l’Horizon als schillernde Paradiesvögel unterwegs sind, aber körperlich Männer sind und bleiben, endet das angeblich so fortschrittliche Nichtbinärsein für viele junge Frauen mit der lebenslangen Einnahme von Hormonen, gegen die die Antibabypille ein Lutschbonbon ist, und der Amputation ihrer Brüste.

So schnell hat frau sich aus dem gedemütigten Geschlecht „herausdefiniert“.

Aber es klingt natürlich besser, wenn man dem unter Mädchen immer stärker grassierenden Hass auf den eigenen Körper einen cooleren Namen gibt. Dann ist das Unbehagen mit dem Frauwerden und -sein eben nicht mehr Resultat einer frauenfeindlichen Gesellschaft, sondern eine angeborene und daher unabänderliche „Geschlechtsidentität“.

Wie praktisch, wenn das Mädchen, das seinen weiblichen Körper ablehnt, weil er ständig begutachtet und begrapscht wird, weil er in Pornos besamt und bespuckt wird, wenn dieses Mädchen nicht gegen all das patriarchale Elend aufbegehrt, sondern stattdessen schlicht erklärt: „Ich bin nichtbinär.“ So schnell hat frau sich aus dem gedemütigten Geschlecht „herausdefiniert“.

Und die Ampelregierung applaudiert dazu, indem sie in ihrem ab 1.11.2024 gültigen sogenannten „Selbstbestimmungsgesetz“ jedem Menschen gestattet, sich ohne jegliche Voraussetzung offiziell als „divers“ eintragen zu lassen. (Bisher galt der Geschlechtseintrag „divers“ nur für körperlich intersexuelle Menschen, die dafür ein ärztliches Attest vorlegen mussten. Rund 2.000 Menschen haben seither von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Das sind 0,0025 Prozent der Bevölkerung.)

Zurück zu Nemo und dem ESC. Tom Neuwirth hat 2014 als Conchita Wurst beim ESC ein wirklich mutiges Zeichen gesetzt. Denn Neuwirth hat nie behauptet, etwas anderes zu sein als ein Mann. Ein Mann mit Bart, der sich das Recht und die Freiheit nimmt, Schminke und Kleider zu tragen. Er hat der Welt gezeigt, was und wie Männer alles sein können. Zehn Jahre später hat Nemo diesen Schritt zurückgedreht.

Es sind genau die zehn Jahre, in denen die Transideologie im Westen weltweit ihren Siegeszug angetreten und dafür gesorgt hat, dass der Glaube staatliche Gewissheit wurde, Abweichungen von der Geschlechterrolle hätten angeblich eine biologische Ursache. Das ist purer Biologismus. Und das ist schlicht reaktionär.

CHANTAL LOUIS

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