#NoHijabDay: Musliminnen rufen auf
Ihre Stimmen sind nicht neu – aber gerade sind sie erstaunlich laut: Via Twitter und Facebook mobilisieren Musliminnen, Ex-Musliminnen und Sympathisantinnen auf der ganzen Welt für einen „No Hijab Day". Termin: Freitag, 1. Februar 2019.
Am selben Tag sollte eigentlich erneut der „World Hijab Day“, sprich: der „Welttag für das Kopftuch“ stattfinden. Den hatte im Jahr 2013 die US-Aktivistin Nazma Khan ins Leben gerufen, um „die Millionen Musliminnen auf der Welt sichtbar zu machen, die sich freiwillig für das Kopftuch und ein Leben in Sittsamkeit entschieden haben“. Doch stattdessen melden sich in den sozialen Online-Medien seit Wochen vor allem muslimische Frauen zu Wort, die von ihrer Unfreiheit unter dem Kopftuch berichten. "Der Hidschab ist wie eine Leine für die Freiheit der Frauen! Er repräsentiert einen uralten arabischen Frauenhass und die Versklavung von Frauen und Mädchen", schreibt zum Beispiel Tania auf Twitter.
https://twitter.com/taniajoya7/status/1090412128950013953
„Postet ein Foto von euch mit einem Kopftuch an einem Stock“, fordert unter anderem die algerische Frauenrechtlerin Djemila Benhabib auf Facebook. Benhabib lebt im kanadischen Exil und bezieht sich mit ihrem Aufruf auf die „Mädchen der Revolutionsstraße“, die vor genau einem Jahr im Iran ihr Kopftuch wie eine Fahne am Stock geschwenkt haben, in todesmutigen Aktionen gegen den Kopftuchzwang in ihrem Land.
Die in Algerien geborene Benhabib hat die Gewalt der Islamisten selbst erlebt, bevor sie zunächst ins französische Exil flüchtete. Nicht zufällig erinnert sie deswegen in ihrem Aufruf auch an die Schülerin Katia Bengana, die in den „schwarzen Jahren“ am 28. Februar 1994 in der algerischen Kleinstadt Meftah auf offener Straße von einem Islamisten erschossen wurde - weil sie unverschleiert war. Damals wurde das Land noch von Islamisten terrorisiert. Das ist zum Glück vorbei.
Auch Ensaf Haidar, Ehefrau des in Saudi-Arabien inhaftierten Bloggers Raif Badawi, ruft zu dem Aktionstag auf: „Leute, am 1. Februar findet die Propaganda-Kampagne #WorldHijabDay statt. Bitte steht stattdessen für die Frauenrechte auf – und für die Opfer, die darunter leiden, dass sie unter den Niqab oder den Hidschab gezwungen werden“, twittert sie. In Saudi-Arabien sind die religiösen Fundamentalisten bekanntermaßen bis heute an der Macht.
Schon als kleines Mädchen hatte sich Haidar in Saudi-Arabien gegen ihre Verschleierung gewehrt. Sie war aktiv in einem Zirkel aufgeklärter Intellektueller, der sich auf Initiative von Raif Badawi zusammen getan hatte. Bis er verhaftet und öffentlich ausgepeitscht wurde. Badawi sitzt bis heute in Haft.
Guys, February 1st, the Islamic propaganda campaign #WorldHijabDay, is happening. Please stand up for women's rights and, for the victims who suffer from being forced to wear the hijab and niqab, support #NoHijabDay pic.twitter.com/xlQ014kWzg — Ensaf Haidar (@miss9afi) January 30, 2019
Die Aktivistin Yasmine Mohammed, die mit ihrem Blog „Confessions of an ExMuslim“ bekannt geworden ist, weist auf Twitter explizit darauf hin, dass es sich nicht um eine Kampagne gegen Muslime handelt, im Gegenteil. „Bitte beachtet, dass viele Menschen, die den #NoHijabDay unterstützen, selbst MuslimInnen sind“, erklärt sie.
Please note that many ppl supporting #NoHijabDay and #FreeFromHijab are Muslim.
In fact, my partners in spearheading this campaign @AsraNomani and @miss9afi are both Muslim.
This is NOT an anti-Muslim campaign in any way, it is a campaign to support women who want to be free!🕊 pic.twitter.com/9zxhX6ftsu— Yasmine Mohammed 🦋 ياسمين محمد (@YasMohammedxx) January 31, 2019
Zu den Unterstützerinnen der Aktion in Deutschland zählt die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. „Wir kritisieren den sogenannten ‚Feminismus‘ einiger weniger privilegierter Frauen in den freien Gesellschaften, die das Kopftuch verharmlosen oder gar verherrlichen und damit zur praktizierten Geschlechterapartheid beitragen“, erklärt TdF. „Sie ignorieren alle Frauen, die tagtäglich versuchen, sich vom Kopftuch zu befreien und erschweren ihnen den Weg zur gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe.“
https://twitter.com/TDFeV/status/1090947637157785600
Auch der „Zentralrat der Ex-Muslime“ ruft zum „Widerstand“ gegen den „World Hijab Day“ auf – und zum Protest auf der Kölner Domplatte am 2. Februar um 14 Uhr. „Die Bewegung gegen den Hidschab ist eine weltweite Bewegung“, heißt es in einer Erklärung der Organisation.
Der 1. Februar ist übrigens kein ganz zufälliger Termin. Es ist der Tag, an dem 40 Jahre zuvor Ajatollah Khomeini zu Zeiten der sogenannten „islamischen Revolution“ aus dem Pariser Exil in den Iran zurückkehrte. Das Land kippte quasi über Nacht in den Gottesstaat, der fundamentalistische Islam wurde zur Staatsdoktrin erklärt. Khomeini und seine Gefolgsleute hatten ein unmissverständliches Symbol für ihren Triumph auserkoren: Die (Zwangs)Verschleierung der Iranerinnen.
Am 8. März 1979 gingen deswegen tausende Iranerinnen in Teheran und auch in weiteren Städten auf die Straße – aber diese in der Geschichte beispiellose Gegenwehr konnte sie nicht mehr retten. Die Mullahs waren – nicht zuletzt dank der Unterstützung des Westens - schon viel zu mächtig geworden. Bis heute gilt der Umsturz im Iran als Zeitenwende für den politisierten Islam – und die Unterdrückung von Frauen- und Menschenrechten.
https://twitter.com/ASJBaloch/status/1088527416044118018