Parastou Forouhar: „Ich kämpfe um die Ehre meiner Eltern!“

Parastou Forouhar bei einer Gedenkveranstaltung für ihre Eltern. Für ihre Kunst ist sie im Iran angeklagt.
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"Ich werde diesen Sonntag im Jahr 1998 nie vergessen, an dem ich vom Tod meiner Eltern erfahren habe. Damals habe ich in Offenbach als Künstlerin gearbeitet. Und normalerweise riefen meine Eltern jeden Sonntag bei mir und meinen Söhnen an. Also habe ich gewartet und gewartet. Aber der Anruf kam nicht. Stattdessen meldete sich am späteren Abend eine BBC-Journalistin und wollte wissen, wann ich denn zuletzt mit meinen Eltern gesprochen hätte. Mehr nicht. Da habe ich sofort aufgelegt und einen iranischen Freund in Paris angerufen. Als er den Hörer abnahm, hat er ­geweint. Und da ahnte ich, dass etwas Furchtbares passiert ist. Ist mein Vater tot? habe ich ihn gefragt. Und er hat geant­wortet: Nicht nur er.

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Mir war klar, dass ich sofort in den Iran reisen musste. Die Beerdigung meiner Eltern wurde zu der ersten Groß­demonstration von Oppositionellen seit Sommer 1981, als die Hardliner ihr Machtmonopol endgültig etabliert hatten. 20.000 Menschen, die für Demokratie und Rechtstaatlichkeit protestierten. Rückblickend würde ich den Mord an meinen Eltern als Ritualmord mit religiöser Motivation bezeichnen. Die Leiche meines Vaters hatten sie sogar auf einen Stuhl gesetzt und gen Mekka gedreht.

Die 18 angeklagten Männer, die schließlich vor Gericht gestellt worden sind, waren alle Beamte des Informationsministeriums. Sie haben erklärt, dass sie nur Befehle ausgeführt hätten, die von der höheren Instanz gegeben worden seien. Aber die Richter haben ihre Aussagen einfach ignoriert, die ganze politische ­Dimension des Mordes. Ein einziger Schauprozess!

Deswegen bestehe ich so vehement darauf, dass der Aufklärungsprozess zu Ende geführt wird und organisiere jedes Jahr eine Gedenkfeier im Iran. Auf meinen Reisen in den Iran werde ich immer wieder verhört. Im Dezember 2017 wurde ich sogar zu sechs Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, wegen „Beleidigung der heiligen islamischen Werte“ und „Propa­ganda gegen das System“.

Ich bin kein Einzelfall. Auch andere Familien fordern Aufklärung. Wir sind ein Teil der vielseitigen Protestbewegung im Iran, die immer sichtbarer wird. Allen voran: die Frauen! Ihr Unmut explodiert gerade. Da geht es um mehr als um Zwangsverschleierung. Mehr als die Hälfte der Akademiker im Iran sind Frauen. Aber nur 12 Prozent kommen jemals im Beruf an.

Die Diskrepanz zwischen dem Wunsch der Frauen, ihr Leben in die Hand zu nehmen und ihren realen Möglichkeiten, ist immens.

Ganz zu schweigen von der Gewalt. Das hat man zuletzt am Weltfrauentag gesehen: Eine friedliche Demonstration vor dem Arbeitsministerium in Teheran war angekündigt. Und die wurde mit ­einem Großaufgebot der Polizei innerhalb von einer Stunde gewaltsam auf­gelöst. Am Ende ist die Polizei mit drei Bussen voller Verhafteter abgefahren.

Ich bin genau deswegen begeistert von dem Protest der „Mädchen von der Revolutionsstraße“, vor allem von ihrem unglaublichen Mut. Sie stellen sich in ihrer ganzen Verletzlichkeit da oben auf einen Stromkasten und entlarven so erst recht die Gewalttätigkeit der anderen Seite. Und die Anteilnahme in der Bevölkerung wächst. Inzwischen hören wir von Anwälten, die sich freiwillig melden, um diese Frauen zu verteidigen. Oder von Protestbriefen an die Regierung, wie kürzlich der einer Gruppe Dokumentarfilmerinnen. Und selbst in den iranischen Medien ­erscheinen inzwischen kritische Worte über das harte Vorgehen der Polizei. Es gibt sogar Menschen, die die Frauen vor Ort verteidigen und so regelecht verhindern, dass die Polizei sie mitnimmt.

Wir erleben also gerade einen Wendepunkt. Die Menschen haben zu lange auf die reformistischen Versprechen von Politikern innerhalb des Systems gesetzt. Aber diese Zeit der faulen Kompromisse mit den Hardlinern ist vorbei. Diejenigen, die jetzt protestieren, stellen das komplette System in Frage. Dass Trump nun die Sanktionen wiederaufleben lassen will, macht vielen Iranerinnen und Iranern Angst. Sie befinden sich seit Jahren in der Falle zwischen dem Druck von außen und dem Druck von innen durch das ­Regime. Ich finde schlimm, dass kaum ­jemand darüber nachdenkt, was das mit der iranischen Zivilgesellschaft macht.

Ich habe übrigens wegen des Urteils gegen mich Revision eingelegt. Ich werde in Teheran vor Gericht erscheinen. Wir werden sehen, was dann passiert."

Protokoll: Alexandra Eul

Information:
Bis zum 31. Oktober zeigt das Museum Lindwurm in Stein am Rhein (Schweiz) ­Forouhars Foto-Arbeit „Das Gras ist grün, der Himmel ist blau, und sie ist schwarz …“.
www.parastou-forouhar.de

 

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Sie kämpfen für ihre Schwestern

Foto: Kaveh Kazemi/Getty Images
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Auch den Mädchen der Revolutionsstraße drohen drakonische Haftstrafen und Peitschenhiebe. Kürzlich erst wurde eine der bekanntesten Aktivistinnen, Shaparak Shajarizadeh, zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach EMMA-Informationen befindet sie sich inzwischen im Ausland.

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Und auch der 16-jährigen Maedeh Hojabri drohen vier Jahre Gefängnis und 80 Peitschenhiebe - sie hatte auf Instagram Tanz-Videos veröffentlicht. Seither folgen zahlreiche IranerInnen im In- und Ausland ihrem Beispiel. Sie tanzen aus Protest gegen die Verhaftung der jungen Frau. So wie schon am vergangenen Freitag in Köln vor der Ditib-Moschee. Und am Montag vor der iranischen Botschaft in Berlin. Auf Twitter läuft die Aktion unter dem Hashtag #DanceForFreedom.

In der letzten Ausgabe berichtete EMMA über diesen neu auf­flammenden Protest der Enkelinnen-Generation im Iran, den „Mädchen von der Revolutionsstraße“. In  der Juli/August Ausgabe porträtieren wir vier Iranerinnen im deutschen Exil: Sie sprechen über ihre relativ freie Jugend im Schah-Regime, über ihre Todesängste im Khomeini-Regime, ihre Flucht und ihr Leben im Exil.

Sie sind sehr unterschiedlich, sind Apothekerin, Unternehmerin oder Künstlerin – aber alle sind politisch engagiert gegen die iranische Diktatur und fordern Solidarität mit den Oppositionellen im Iran.

Bemerkenswert: Diese Exil-Iranerinnen befürworten überwiegend den Boykott des iranischen Regimes! Ihr Argument: Damit es irgendwann ein Ende hat und die Menschen wieder frei sind.

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