Das Verbrechen, über das niemand spricht

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Väter, die die eigenen Töchter vergewaltigen. "Niemand sagt die Wahrheit darüber, die ich hiermit laut hinausschreie, und die ich mit zehntausenden von Briefen beweisein kann: Die meisten Vergewaltigungen spielen sich in den Familien ab! Die Opfer sind zwischen acht und 16 Jahre alt. Scham und Angst lassen sie schweigen." Das sagt Menie Gregoire. populäre und beliebte Journalistin und Psychologin in Frankreich, die sich in einer täglichen Nachmittagssendung im Radio life den Kummer vieler allein zu hause sitzenden Menschen, und das sind vor allem Frauen und Kinder, anhört und versucht, zu helfen.

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In der BRD trug Dr. Maisch in der Reihe Sexologie Material zum "Inzest" zusammen. Auch das ergibt: die Opfer schweigen vor allem aus Scham und Angst: Angst vor der Gewalt des Vaters! Angst vor der Reaktion der Mutter! Angst vor Heimeinweisung und vor der Schande überhaupt! Wohlgemerkt: nicht die Täler schämen sich oder haben Angst, sondern die Opfer. Jedes zehnte Mädchen glaubt sogar, dass es das "Recht" des Vaters sei. Väter haben darum zur Vergewaltigung Gewalt oft gar nicht nötig: die Opfer sind total eingeschüchtert, denn der, der sich an ihnen vergeht ist ja ihre höchste Autorität - ist der Mensch, vor dem sie den meisten Respekt haben, ja, für den sie vielleicht sogar die innigste kindliche Zuneigung hegen.

Auch das ist besonders erschütternd: dass sowohl Väter vergewaltigen, die ein sehr aggressives Verhältnis zu ihren Töchtern (und meist auch Ehefrauen) haben, die prügeln und bekannt sind als Haustyrannen; als auch solche, die besonders vergöttert werden von ihrem Kind. So zitiert Maisch unter anderem den Fall eines jahrelang missbrauchten Mädchens, das unter schwersten Angstträumen litt, den Vater vergeblich anflehte, sie zu verschonen, sogar geschwängert wurde - und dann, als der Vater im Gefängnis landete, immer noch angstvoll fragte: "Ja hat der Vati uns denn nicht mehr lieb?"

Dass ein Mensch sich an einem anderen Menschen, der ihm so ausgeliefert ist, in dieser Art vergehen kann, scheint schwer vorstellbar und kaum erträglich - und ist doch so. Ja, es ist sogar selbstverständlich in einer Welt, in der Beziehungen auf Macht und Ohnmacht basieren; in der Männer glauben. Frauen seien ihr Besitz: erwachsene Frauen  und kleine Mädchen, die ihrem Vater ja doppelt - in ihrer Eigenschaft als Frau und als Kind - ausgeliefert sind.

Die Täter sind keine Ausnahmen, sondern - das zeigen die Statistiken - Durchschnittsmänner. Die Vergewaltigung von Töchtern durch ihre Väter ist nichts Abnormes, sondern sogar etwas Übliches. Und entsprechend sieht das von Männern Geschriebene zu diesem Thema aus. In der Mythologie und Geschichte wird die Vergewaltigung der Töchter von den Vätern romantisch verklärt und verharmlost und - wahnhafte Männerprojektion! - häufig sogar umgekehrt: da sind es die Töchter, die die Väter verführen (Lots Töchter etc.).

In der Literatur ist das Thema vorwiegend "prickelnd" (de Sade etc.) und in der Wissenschaft wird es zunehmend zu einer Sache, die sich zwischen zwei Menschen abspielt und die - so die Progressiven - ganz zu Unrecht tabuisiert oder gar bestraft wird.

So setzten sich die progressiven Sexualwissenschaftler in der BRD erfolgreich für eine Reform des Inzest-§ 173 ein. Ein Beispiel aus dem Vorwort zum "Inzest"-Buch von Maisch: "Mit Ausnahme von Tötungsdelikten an Intimpartnern gibt es wohl kaum einen Strafbestand, der Täter und Opfer in so enger, oft tragischer Verkettung von Zuneigung und Ablehnung, Angst und Faszination, Fürsorge und Rücksichtslosigkeit - kurz, der ganzen Zwiespältigkeit, die gerade den engsten zwischenmenschlichen Beziehungen innewohnen kann - gemeinsam verstrickt."

Liest man die nachfolgenden Fälle, so wird einem der Zynismus eines solchen Satzes erst richtig klar: Da wird so getan, als handele es sich bei dem Vergewaltiger und seinem Opfer um Partner! Als könne es hier eine gleichberechtigte Gegenseitigkeit geben! Hier, wo nur eines existiert: brutalste Machtausübung von Seiten des Täters und erschütterndste Ohnmacht auf Seiten des Opfers! Das Buch, dessen Autor sich ganz sicherlich für fortschrittlich hält (und es in bezug auf die Männerinteressen auch ist!) schließt nach der erschütternden Dokumentation der seelischen und körperlichen Verstümmelung der Opfer (15 Prozent der untersuchten Opfer wurden auch noch schwanger!) mit dem Satz: "Der Inzest kann aber auch für das Opfer völlig konfliktfrei und ohne nachweisbare psychische Auswirkungen verlaufen." Auf deutsch: Mädchen, stellt euch nicht so an.

Sehr bezeichnend für diese sogenannte Liberalisierungstendenz ist auch die Tatsache, dass in der BRD immer weniger Vergewaltiger-Väter verurteilt werden (zu maximal geringen Gefängnisstrafen). Innerhalb von 15 Jahren sank ihre Zahl von 436 auf 111. Und das nicht etwa, weil immer weniger Väter vergewaltigen...

Dabei ist die Rolle der Mütter übrigens häufig eine tragische. Sie wissen oft davon, aber sie verschließen die Augen, schweigen und liefern ihr Kind damit weiterhin aus. Warum?

Sie haben Angstvor ihrem Mann. Alle fürchten den Skandal, wenn "es" rauskommt. Manche haben auch Angst, selber wieder "herhalten" zu müssen im Bett, wenn sie den Missbrauch der Tochter unterbinden. Gleichzeitig sind sie vielleicht dennoch gedemütigt durch die Tatsache, dass der Ehemann die Tochter sexuell attraktiver findet: daraus kann eine widersprüchliche Aggression gegen das eigene Kind als "Rivalin" resultieren.

Auffallend ist, dass unter den Müttern von Inzest-Opfern besonders viele mit vorehelichen Kindern sind. Das heißt, es handelt sich um Frauen, die sich in einer überdurchschnittlichen großen Abhängigkeit vom Manne befinden ("Kann dankbar sein, dass er sie genommen hat ...").

Dies ist das erste Mal, dass EMMA über Vergewaltiger-Väter berichtet. Wir bitten Mädchen, die betroffen sind, nicht länger zu schweigen! Mädchen, die niemanden finden, der ihnen hilft, sich zu wehren, sollten sich sofort bei uns melden. (Wir bitten Anwältinnen, die helfen wollen, Kontakt mit uns aufzunehmen.)

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