Trans-OPs: Sehr tiefe Narben

Narben nach einer Mastektomie.
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Als die Patientin in den OP-Saal geschoben wurde, hörte der Chirurg "etwas knallen". Und: „Als ich nachsah, stellte ich fest, dass das ganze Ding aufgerissen war.“ Das „Ding“ war die Vagina der Patientin, genauer gesagt: die Neo-Vagina. Denn bei der Patientin handelte es sich um Jazz Jennings. Die zum Zeitpunkt der Operation 18-jährige Amerikanerin gilt als eine Art Vorzeige-Transmädchen, das die Nation mit einer Reality-TV-Show („I am Jazz“) an seiner Transition teilnehmen ließ.

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Schon mit vier war bei dem biologischen Jungen aus Florida eine „Geschlechtsidentitätsstörung“ diagnostiziert worden. Er wurde mit Pubertätsblockern und später gegengeschlechtlichen Hormonen behandelt und schließlich mit 17 operiert. Doch wegen der Pubertätsblockade waren Jazzʼ äußere Geschlechtsorgane im Wachstum zurückgeblieben. So stand nicht genügend Gewebe für eine Vagina zur Verfügung, die ChirurgInnen verwendeten anderes Gewebe. „Es wird wie eine Patchwork-Vagina sein. Aber solange sie funktioniert, ist das alles, was zählt.“ Nur: Die Neo-Vagina funktionierte nicht, sie riss auseinander. Chirurgen nähten sie in einer fünfstündigen OP wieder zusammen.

Als Jazz Jennings in ihrer Serie ihr erstes Date mit einem jungen Mann hat, fragt sie sich, ob ihr Sex wohl Spaß machen würde. „Jeder mag ihn, aber was, wenn es mir nicht gefällt, weil meine Vagina so verpfuscht ist?“ Und sie gestand: „Es kann sein, dass ich nie einen Orgasmus haben werde.“ Das Vorzeige-Transmädchen der Nation ist heute 23, schwer übergewichtig, und spricht in ihrer Show regemäßig über ihre „mental health issues“, ihre psychischen Probleme.

Die gravierenden Komplikationen der Operationen sind vielen nicht bewusst

Jazz Jennings ist nicht die einzige, bei der die Operationen nicht so laufen wie erwünscht. Er müsse sich alle zehn Jahre per OP sein „Erektionsgerät“ erneuern lassen, erfahren wir von einem Transmann im britischen Guardian – aus einer der sich mehrenden „Regret“-Stories von Transmenschen, die sich über die Konsequenzen einer „angleichenden Operation“ haben täuschen lassen. Denn welche zum Teil gravierenden Komplikationen die körperliche „Angleichung“ ans gewünschte Geschlecht mit sich bringt, ist vielen zuvor nicht bewusst. Darum ist Aufklärung geboten, zumal immer mehr – und immer jüngere - Menschen betroffen sind.

In Deutschland lag die Zahl der „geschlechtsangleichenden“ Operationen im Jahr 2007 noch bei 419. Im Jahr 2021 waren es mit 2.598 Eingriffen bereits mehr als sechsmal so viele. Bei den 15- bis 25-Jährigen versechzehnfachte sich die Zahl der OPs sogar von 54 auf 917.

Die Ärztin Martina Lenzen-Schulte ist Expertin für Beckenbodenschäden und sexuelle Beschwerden. Foto: Edel Books
Die Ärztin Martina Lenzen-Schulte ist Expertin für Beckenbodenschäden und sexuelle Beschwerden. Foto: Edel Books

Um zu verstehen, was da geschieht, sollte man den Dreierschritt der Geschlechtsangleichung kennen: Sie beginnt mit Pubertätsblockern, die die Pubertät stoppen, so dass das Wachstum der Geschlechtsmerkmale unterdrückt wird: Die Brüste und weiblichen Genitalien eines Mädchens, der Penis eines Jungen bleiben unterentwickelt. Über die Spätfolgen der Pubertätsblocker, so beklagen immer mehr MedizinerInnen, ist wenig bekannt, die Studienlage ist mangelhaft.

Der zweite Schritt ist die geschlechtsangleichende Therapie mit Sexualhormonen, der Fachausdruck dafür heißt „Gender Affirmative Hormone Therapy“ oder GAHT. Bei biologischen Mädchen und Frauen gehören eine tiefer werdende Stimme und möglicherweise Glatzenbildung zu den harmloseren irreversiblen Veränderungen. Für beide Geschlechter gilt: MedizinerInnen warnen vor der zu erwartenden Zunahme lebensbedrohlicher Herz-Kreislauferkrankungen bei Transmenschen. Deutsche EndokrinologInnen nennen zudem Leberschäden, hormon-empfindliche Tumore oder psychische Erkrankungen als mögliche Folgen der massiven medikamentösen Eingriffe. Und sie warnen dringlich vor Eigentherapien mit Präparaten vom Schwarzmarkt oder aus dem Internet.

Transformationswillige sollten überdies wissen, dass sich just diese Hormontherapien sogar nachteilig auf Schritt drei auswirken können: die Operationen.

Wenn etwa bei biologischen Jungen aufgrund der Pubertätsblocker der Hodensack nicht altersgemäß wachsen kann, steht später bei der Konstruktion einer neuen Scheide nicht genügend Hautmaterial zur Verfügung, denn hierfür benutzen manche plastische ChirurgInnen die Skrotalhaut, die den Hodensack bildet. Auch Jazz Jennings mangelte es an genügend Gewebe, so dass andere Strukturen für die Neo-Vagina benutzt werden mussten.

Auch in Deutschland bieten Kliniken Mastektomien für Minderjährige an

Mangelnde Transparenz fällt nicht zuletzt auf den werbend-optimistisch formulierten Webseiten jener Kliniken auf, die solche Angleichungsoperationen anbieten. Zum Beispiel bei der Mastektomie, also Brustamputation, der sich viele Mädchen und Frauen unterziehen, die sich als „Transmänner“ oder „Nicht-binär“ identifizieren. In den USA wird sie schon an Mädchen im Alter von zwölf Jahren vorgenommen. Und auch in Deutschland bieten Kliniken auf ihren Websites Mastektomien für Minderjährige an.

Der künftige Transmann muss mit Sensibilitätsverlusten rechnen. Wer liest, „in der Regel“ sei es „möglich“, die „mamilleneigenen Gefühlsnerven“ zu erhalten, ahnt wohl kaum, welches Risiko er bzw. sie eingeht. Wer aber die vielen Studien erfahrener BrustchirurgInnen liest, die sich aus anderen Gründen (etwa wegen genetisch erhöhtem Brustkrebsrisiko) mit Brustamputationen gut auskennen, findet ehrlichere Informationen.

Diese ChirurgInnen bekennen offen, dass ihre Prozeduren ein hohes Risiko bergen: Nämlich, dass die Operierten im Brustwarzenbereich weniger oder kaum noch sexuelle Erregung empfinden können, und dass dieses Risiko entschieden höher ist als bei einer Brustvergrößerung.

Wer dann später als Transmann seinen Frauenkörper zurück will, muss bei einer Brustwiederherstellung mit zusätzlichen Sensibilitätsverlusten rechnen. Die Website „Transmann.de“ listet über ein Dutzend weitere mögliche Komplikationen auf, darunter Narbenbrüche, Taubheitsgefühle im gesamten Brustbereich oder das Absterben der Brustwarze.

Nicht weniger problematisch sind bei Frauen, die Transmänner werden wollen, die Eingriffe am Beckenboden – euphemistisch „bottom surgery“ genannt. Sie betreffen zum Beispiel die Harnröhre – die bei einem Mann rund dreimal länger ist als bei einer Frau. Noch am einfachsten – aber für viele im Ergebnis unbefriedigend – ist die Konstruktion eines sogenannten Klitorispenoiden. Dabei wird die Klitoris „gestreckt“, die Harnröhre aus den kleinen Vulvalippen bis zur Klitorisspitze hin verlängert. Da die Klitoris der Frau nichts mit der – darunter liegenden - Harnröhre zu tun hat, kommt aus ihr auch später kein Harn.

Man erweckt nur den Eindruck, es sei wie bei einem Mann, bei dem die Harnröhre durch den Penisschaft hindurch geht. „Meist“, also nicht immer, sei ein Urinieren im Stehen durch diesen Minipenisersatz möglich.

Wer die größere Variante wünscht, muss zum Beispiel Muskeln aus dem Unterarm für eine so genannte „Lappenplastik“ opfern, ein Defekt im Unterarm inklusive. Um ihn zu decken, entnimmt man Gewebe aus Regionen mit „Hautüberschuss“ wie Unterbauch oder Leiste – überall wird etwas herausgeschnitten. Aus dem Unterarm wird „eine Art Penis“ plus eine Verlängerung der Harnröhre hergestellt.

Alice Schwarzer/Chantal Louis (Hrsg.): Transsexualität. Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? (KiWi) - www.emma.de/shop
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Die Klitoris endet entweder integriert „in der Harnröhrenwand“ oder sie wird seitlich am Ursprung des Penoids eingepflanzt. So wird der künstliche Phallus jedoch nicht steif. Das leistet eine hydraulische Prothese, die frühestens nach einem Jahr und nach Korrekturoperationen bei Komplikationen möglich ist. Die Penisprothese wird vor dem Intimverkehr manuell mit Flüssigkeit gefüllt – dies bewirkt eine Aufrichtung und Verhärtung.

Der Speicher für die Flüssigkeit ist ein künstliches Reservoir, das neben der Harnblase liegt. Der Betroffene betätigt eine Handpumpe, die bei den Operationen in den Hodensack eingesetzt wird, und saugt so manuell Flüssigkeit in die Prothese. So kann der Penis im Alltag schlaff bleiben. Solche Pumpsysteme haben die früheren, ständig steifen Penisprothesen weitgehend abgelöst. Ziel der Penisprothetik ist die „Erektion auf Knopfdruck“ - so ein ebenso vages wie vollmundiges Versprechen.

Die wissenschaftliche Studienlage hingegen ernüchtert. Je nach Methode beziffern gerade die ehrlicheren, neuesten Studien die Komplikationsraten auf 25 bis 30 Prozent: Schmerzen, Inkontinenz, sexuelle Funktionsstörungen. Das verwundert nicht. Kaum eine Körperregion ist so dicht mit Nervenenden, Antennen für Vibration und zarteste Berührungen, ausgestattet wie die erogene Beckenbodenzone der Frau.

Die Klitoris verdichtet an ihrer Spitze Wollustkörperchen und andere Sensoren, rund 8000. Da sie doppelt so dicht platziert sind wie die Nerven an der Peniseichel, und diese auch viel größer ist, verschafft das einer Frau im Vergleich zu einem Mann eine 50-fach höhere Empfindlichkeit – Unversehrtheit vorausgesetzt.
Wer intakte Nerven schädigt, verstümmelt einen Menschen unwiederbringlich

Wer an der Klitoris herumschnippelt, verletzt mehr als nur Haut. Eine intakte Sexualität benötigt intakte Nerven und intakte Sensibilität. Wer dies schädigt oder gar zerstört, verstümmelt einen Menschen unwiederbringlich. Das zu betonen, ist umso wichtiger, als die überwiegende Zahl der Angleichungsbegehren inzwischen von Mädchen ausgeht.

Nicht zu reden von anderen Komplikationen, die bei rund jeder und jedem Dritten Nachoperationen nötig machen: zum Beispiel Urinverlust bei Harninkontinenz; Fisteln in der Harnröhre und Darmverletzungen. In schwerwiegenden Fällen kann die Klitoris nekrotisch werden und völlig absterben. Nicht nur wissenschaftliche Fachartikel legen das offen, auch die Forumseiten der Transgender-Community sprechen ehrlich an, was Werbeprospekte der Kliniken verschweigen.  

Hier erfährt man ebenso von Unannehmlichkeiten, vor denen auch Transfrauen nicht gefeit sind. Etwa wenn sie sich eine Scheide wünschen – eine so genannte Neo-Vagina. Dass sie zu kurz geraten kann, ist allenfalls unbefriedigend.

Wenn die Skrotalhaut nicht ausreicht, dient Dickdarm (Sigma-Darm) als Ersatz. Jede Neovagina erfordert es, zunächst Raum im Beckenboden dafür zu schaffen. Dann wird diese offene Wunde mit Skrotalhaut oder mit Darmhaut „ausgekleidet“. Da dies kein natürlich angelegter Muskelschlauch ist, bedarf es ab einigen Wochen nach der Operation des „Offenhaltens“ des neu angelegten Organs, weil sonst die Gefahr besteht, dass dieses wieder enger wird, aufgrund von Wundheilungsvorgängen und Narbenbildung. Narben ziehen Gewebe zusammen. Dieses Offenhalten erfolgt mit Bougierstäben unterschiedlicher Weite und kann in manchen Fällen lebenslang in regelmäßigen Abständen notwendig werden.

Guter Sex braucht funktionierende Sexualorgane. Sie bezahlen mit ihrer Lust.

Ein bekanntes Problem der Sigma-Neo-Vagina ist deren Geruch. Dazu erklärt eine Betroffene: „Ja, ich weiß, bei einer Sigmascheide kommt es zu ständigem Ausfluss und zu unangenehmem Geruch. Mir ist das aber ziemlich egal, denn Binden muss ich seit einem Jahr sowieso täglich tragen, da ich auch jetzt schon starken Ausfluss habe. Und riechen tut es jetzt auch nicht gerade nach Rosen.“ Und eine andere Transfrau sagt: „Es ist keine Bio-Vagina und eine Neo-Vagina braucht eben viel mehr Pflege als eine natürliche, und ich will, dass das die Menschen wissen. Das sagt dir nur kein Arzt vorher.“

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Aufwändige, lebenslange Pflege der Urogenitalregion, dauerhafte Hormoneinnahme, eventuell noch etliche Operationen kommen hinzu, wenn die Gesichtszüge weiblicher, die Brust größer oder was auch immer besser an das angestrebte Geschlecht angepasst werden soll – dies alles sind Folgeerscheinungen, die im Wort „Transition“ oder „Geschlechtsangleichung“ nicht vorkommen. Suggeriert ein solcher Begriff doch einen abgeschlossenen Vorgang.

Ganz schwierig wird es, wenn junge Menschen ihren Schritt bereuen und eine De-Transition wünschen, also eine Rückkehr ins biologische Geschlecht, was immer öfter der Fall ist. Jede weitere Operation geht mit noch mehr OP-Risiken, noch mehr Narben und noch mehr Funktionseinbußen einher – und deutlich schlechterem Sex. Denn guter Sex braucht funktionierende Sexualorgane.

So geht eine aktuelle, noch nicht in einem wissenschaftlichen Journal vollständig veröffentlichte Studie aus Großbritannien davon aus, dass mehr als die Hälfte der Betroffenen nach Angleichungsoperationen Schmerzen beim Intimverkehr haben. Junge Menschen, die eine Transition planen, sollten wissen, dass sie dafür mit ihrer sexuellen Lust bezahlen könnten.

Die Autorin ist Ärztin, Medizinjournalistin und Expertin für Beschädigungen des Beckenbodens, der Kontinenz und daraus resultierender sexueller Beschwerden. Von ihr erschien zuletzt das Buch „Untenrum offen“ (Edel-Verlag). - Quellen zum Artikel

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