Warum der Ramadan-Hype?

Ramadan-Beleuchtung wurde in mehreren Städten aufgehangen. Hier in Köln an der Venloer Straße. . Foto: Imago Images
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„Ich halte das Fasten im Ramadan für Kinder im Grundschulalter für eine Gefährdung des Kindeswohls. Und wir können so nicht unterrichten!“, empört sich Theresa B., Grundschullehrerin in Duisburg. Die Kinder ihrer ersten Klasse, die fasten – also von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts trinken und nichts essen - sind hungrig, müde und haben Kopfschmerzen. Viele haben große Probleme, sich zu konzentrieren und können nicht am Sportunterricht teilnehmen. „Mir tun die Kinder leid“, sagt die Lehrerin. „Ich sehe, dass das nicht gesund für sie ist.“ Ein siebenjähriges Mädchen sei bereits ohnmächtig geworden, ein achtjähriger Junge im Unterricht eingeschlafen, ein anderer habe vor Durst geweint. „Muss das wirklich sein?“

Hellen Nosrat: Es ist für uns ein Zeichen der schleichenden Islamisierung!

Und noch eine Beobachtung macht die Lehrerin in Duisburg: „Die Kinder, die fasten, werden immer jünger. Noch vor wenigen Jahren waren es ein paar Kinder der vierten Klassen, nun machen das sogar schon Kinder der ersten Klasse.“ Dabei sind Kinder unter 14 Jahren eigentlich von der muslimischen „Pflicht“ ausgenommen.

Sabine F., Lehrerin an einer Hauptschule in Gelsenkirchen, beobachtet in diesem Jahr ein neues Phänomen: eine Art Ramadan-Polizei. „Gläubige Jugendliche bedrängen massiv andere arabische Kinder, auch zu fasten. Einigen wurde das Pausenbrot aus der Hand geschlagen, immer wieder kommt es zu Raufereien und Mobbing. Der Schulfrieden ist gestört“, klagt die Lehrerin. Sogar ein türkischer Kollege, der mit dem Brötchen und einer Tasse Kaffee in der Hand die Pausenaufsicht machte, wurde von Schülern auf „Ramadan-Streife“ bedrängt, als „guter Muslim gefälligst zu fasten“.

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Seit den 1960er Jahren leben Millionen MuslimInnen in Deutschland. Doch der Ramadan war jahrzehntelang kein Thema. Zu Recht. Das rituelle Fasten ist im Islam zwar eine heilige Pflicht – so wie einmal im Leben eine Pilgerfahrt nach Mekka zu machen – aber es ist Privatsache. Genau wie das fünfmalige Beten am Tag. Auch dafür ziehen MuslimInnen sich traditionell diskret zurück. Sie halten intime Zwiegespräche mit ihrem Gott.

Neu ist, dass sowohl der Ramadan wie auch das Beten öffentlich demonstrativ zelebriert werden. Viele liberale MuslimInnen in Deutschland halten das für eine bewusste Provokation der Fundamentalisten, also der Islamisten. Sie fühlen sich auch selber bedrängt.

Diese Sittenwächter an deutschen Schulen setzen übrigens das um, was in manchen islamischen Ländern der Staat erledigt, mit teils drakonischen Strafandrohungen. Im Iran etwa bestraft das islamistische Regime Muslime, die vor dem Sonnenuntergang in der Öffentlichkeit essen oder trinken. Sie werden auf den Straßen von den Revolutionsgarden schikaniert und sogar verhaftet, inklusive Geldstrafen oder Peitschenhiebe.  

„Auch säkular lebende Muslime in Deutschland geraten stärker unter Druck“, klagt die gebürtige Iranerin Hellen Nosrat, die seit vielen Jahren in Köln lebt und sich für die Rechte der iranischen Frauen einsetzt (hier mehr). Sowohl den Ruf des Muezzin, der von der Kölner Ditib-Moschee schallt (EMMA berichtete) als auch die Ramadan-Beleuchtung an einer belebten Kölner Geschäftsstraße sieht sie mit wachsendem Unbehagen: „Ich bin vor dem islamistischen Regime in Iran geflohen. Ehrlich gesagt macht mir diese Beleuchtung sogar Angst. Viele Menschen hier glauben, dass sei ein Zeichen der Toleranz, eines bunten Miteinanders. Für viele säkulare Muslime aber ist es das genaue Gegenteil, nämlich ein Zeichen der schleichenden Islamisierung auch im Westen.“

Die Islamismusforscherin Susanne Schröter, Leiterin des „Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam“, erkennt zudem ein Ungleichgewicht: „Wir erleben zurzeit einen regelrechten Ramadan-Hype. Die Beleuchtungen in vielen Städten, das öffentliche Fastenbrechern mit PolitikerInnen, Ramadan-Artikel im Supermarkt. Die Öffentlichkeit wird immer muslimischer, gleichzeitig sorgt der radikale Islam dafür, dass andere Feste nur noch unter großen Sicherheitsaufgeboten oder gar nicht mehr stattfinden. So etwas kann man mit Fug und Recht Islamisierung der Öffentlichkeit nennen. Mitten in Deutschland!“

Canan Topcu: Das Fastenbrechen ist nichts, was man nach außen kehrt!

Und die Autorin Canan Topçu zum Beispiel kritisiert seit Jahren, dass das Fastenbrechen öffentlich zelebriert wird. Sich selbst bezeichnet sie als „muslimisch sozialisierte Journalistin türkischer Herkunft“. Sie sei in einer Zeit und in einem Umfeld aufgewachsen, „in der Religion und Glaube nicht für politische Zwecke instrumentalisiert wurden“, sagte Topçu der Frankfurter Rundschau. Das Fastenbrechen sei nichts, mit dem man nach außen gehe. Man lade Gäste ein, „macht aber keine Show daraus.“ Man spende für das Fastenmahl von Bedürftigen, ohne dass man das nach außen kehre.

Das so demonstrative öffentliche Fastenbrechen ist also weniger religiöser als politischer Natur, Propaganda von Islamisten. Es schlägt nicht nur muslimischen Kindern auf die Gesundheit, sondern schüchtert auch liberale und säkulare MuslimInnen ein. Ist es das, was die verantwortlichen PolitikerInnen für tolerant halten?

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