Prostitutionsgesetz: Was übrig blieb
Seit der Bundestagswahl im November 2013, also zweieinhalb Jahre lang, hat die Koalition verhandelt. Zuvor hatten mehrere Regierungen jahrelang die Hände in den Schoß gelegt und die katastrophalen Folgen der fatalen rot-grünen Prostitutionsreform von 2002 ignoriert, die Deutschland zu einem El Dorado für Zuhälter und Menschenhändler und zum Einreiseland für Sextouristen gemacht hat.
Es hätte ein großer Wurf werden können. Aber von dem ehemaligen Entwurf der CDU/CSU, die mit ihrem Zwölf-Punkte-Papier eine effiziente Reform zum Schutz der Prostituierten vorgelegt hatte, ist dank der SPD nicht viel übriggeblieben. Die SozialdemokratInnen, die sich fast ausschließlich von der Pro-Prostitutions-Lobby hatten „beraten“ lassen, haben nahezu alles herausverhandelt, was die Frauen in der Prostitution schützen könnte und dafür viel hineinverhandelt hat, was Zuhältern und Bordellbetreibern nützt. Erwartungsgemäß stimmten Union und SPD geschlossen für das neue "Prostituiertenschutzgesetz", Grüne und Linke, die das Gesetz "moralisierend" finden, geschlossen dagegen. Was nun im Gesetz stehen wird – und was nicht:
- Die Kondompflicht wird eingeführt. Zwar ist sie nicht kontrollierbar, aber Prostituierte können sich von nun an dem Freier gegenüber immerhin darauf berufen. Und Bordellbetreiber können (theoretisch) nicht mehr "ohne" verlangen.
- Die Anmeldepflicht für Prostituierte wird eingeführt. Künftig müssen Frauen, die sich prostituieren, sich bei einer Behörde (die vom jeweiligen Bundesland bestimmt wird) anmelden. Die Anmeldung gilt für zwei Jahre und muss danach verlängert werden. Um die Frauen, die häufig alle paar Wochen von Bordell zu Bordell, von Wohnung zu Wohnung verschoben werden, wirklich zu schützen, hätte eine Anmeldung in jeder Stadt verpflichtend sein müssen, denn nur so hätte die Behörde tatsächlich wissen können, wo sie sich aufhält (und bemerkt, wenn sie verschwindet).
- Verbunden mit der Anmeldebescheinigung ist eine Gesundheitsberatung der Prostituierten. Sie muss einmal im Jahr wiederholt werden, für Frauen unter 21 Jahren alle sechs Monate. Eine verpflichtende monatliche Gesundheitsuntersuchung, wie sie die Union gefordert hatte, kommt nicht. Dabei hätte die nicht nur dem gesundheitlichen Schutz der Frauen gedient, sondern ihnen auch regelmäßigen Kontakt zu einer Person außerhalb des Bordells unter vier Augen ermöglicht.
- Die Erlaubnispflicht für BordellbetreiberInnen Wer ein Bordell eröffnen will, darf künftig nicht mehr vorbestraft sein, muss seine „Zuverlässigkeit“ nachweisen und ein „Betriebskonzept“ vorlegen. Die Erlaubnispflicht wird von der Koalition als „Kernstück“ der Reform bezeichnet. Dabei ist es laut Polizei schon lange gang und gäbe, dass zwielichtige Bordellbetreiber problemlos Strohmänner und -frauen einsetzen.
- Künftig werden Freier bestraft, die wissentlich die Dienste eines Opfers von Zwangsprostitution kaufen. Das wird allerdings nur symbolische Wirkung haben, denn der Straftatbestand ist praktisch nicht beweisbar. Effektiver wäre gewesen, auch die „fahrlässige“ sexuelle Benutzung eines Menschenhandels-Opfers unter Strafe zu stellen. Zur Bestrafung aller Freier, also einem Sexkaufverbot nach Nordischem Modell, wie es kürzlich auch Frankreich eingeführt hat, hat sich die Koalition bekanntlich nicht durchringen können.
- Schwangeren Frauen darf die Anmeldebescheinigung nur in den üblichen Mutterschutz-Zeiten, sprich in den letzten Wochen der Schwangerschaft verweigert werden. Beantragt eine Frau die Anmeldebescheinigung kurz vor dem Mutterschutz, kann sie sich bis zur Geburt des Kindes prostituieren. Ein Prostitutionsverbot für Schwangere hatte die SPD als „Eingriff in die Berufsfreiheit“ abgelehnt. Immerhin wird Werbung für die Prostitution mit Schwangeren künftig verboten sein (für die es einen speziellen Markt und „Sex-Partys“ gibt).
- Frauen (und Männern), die zum Beispiel aufgrund einer Behinderung erkennbar keine „Einsichtsfähigkeit“ darüber haben, was die Prostitution für sie bedeutet, sollte die Behörde nach dem Willen der CDU/CSU die Anmeldung versagen können. (Menschenhändler rekrutieren ihre Opfer u.a. in osteuropäischen Heimen und schicken ihre geistig zurückgebliebenen Opfer in die Prostitution). Die SPD hielt diese Regelung für überflüssig.
- Das "Weisungsrecht" für Bordellbetreiber bleibt - und damit Deutschland das einzige Land der Welt, dass Bordellbetreibern ein solches Recht gesetzlich einräumt.
- Die Wuchermieten, die Betreiber von "Laufhäusern" von den Prostituierten verlangen dürfen, werden auch in Zukunft nur schwer zu bekämpfen sein. Aktuell müssen die Frauen für ein kleines Zimmer bis zu 180 Euro am Tag zahlen. Allein für die Zimmermiete müssen die Frauen also rund 100 Freier im Monat bedienen. Künftig sollen die Zimmermieten nicht mehr "in auffälligem Missverhältnis" zu anderen gewerblichen Mieten stehen. Diese schwammige Formulierung wird in der Praxis kaum nützen. Notwendig wäre gewesen, einen Prozentsatz festzulegen - oder zu bestimmen, dass die Zimmermieten überhaupt nicht über anderen gewerblichen Mieten liegen dürfen.
- Ein Mindestalter ab 21 wird es nicht geben. Es hätte die schutzlosesten und besonders leicht beeinflussbaren sehr jungen Frauen (die nicht selten von ihren eigenen Familien in die Prostitution geschickt werden), geschützt. Die SPD hatte auch das Mindestalter zynischerweise als „Eingriff in die Berufsfreiheit“ abgelehnt.
- Eine Krankenversicherungspflicht für Prostituierte wird es nicht geben.
Nach dieser verschenkten Chance einer echten Reform dürften nun wieder Jahre ins Land gehen, in denen die 90 bis 95 Prozent importierter Frauen in der Prostitution den Profiteuren hilflos ausgeliefert sind. Bordellbetreiber, Zuhälter und Menschenhändler können (mal wieder) die Sektkorken knallen lassen.