Homo-Ehe: Auch das noch?
Denn es ist eine Sache, aus wohlerwogenen Gründen gegen die Institution Ehe zu sein was bedeutet, zu argumentieren, damit Frauen sich von dieser Fessel befreien können aber es ist eine andere Sache, Menschen zu verbieten, zu heiraten. Gegen die Ehe, die aus zwei eigenständigen Menschen zwei Hälften und, in einer Männergesellschaft, aus Frauen ein Anhängsel, "die Frau von", macht, habe ich als Feministin viele stichhaltige Argumente.
Dennoch käme es mir nie in den Sinn, eine Frau, die geheiratet hat oder heiraten will, dafür einfach zu verlachen oder gar zu verachten. Zu mächtig sind die Gefühle, Zwänge und Hoffnungen, die trügerisch oder nicht Frauen (und Männer) zum Standesamt drängen können. Noch weniger käme es mir in den Sinn, Frauen die Ehe gar verbieten zu wollen.
Doch als jüngst die Nachricht von der kirchlichen Trauung der beiden Frauen bekannt wurde, hatten auch unter meinen fortschrittlichen Freundinnen etliche nur ein verächtliches Schulterzucken nebst raschen Kommentaren wie "So was Spießiges" oder "Auch das noch".
Freundinnen, die selbst oft ledig, sehr oft aber auch geschieden, manchmal sogar verheiratet sind. Sie scheinen von homosexuellen Frauen (und wohl auch Männern) zu erwarten, dass die, ausgerechnet die, gefeiter sind gegen den Traum von der Ehe. Ich gehöre dir. Du gehörst mir. Wir gehören zusammen. Für alle Welt und alle Ewigkeit. Schön, oder? Leider zu schön, um wahr zu sein. Aber das ist wieder ein ganz anderes Kapitel.
Ausgerechnet Homosexuelle, die sich jeden Kuss, jede Liebe heimlich stehlen müssen! Ausgerechnet Homosexuelle, die den Widerstand ihrer ganzen Phantasie und ihres ganzen Begehrens aufbringen müssen gegen das alltägliche Trommelfeuer des Bollwerks Zwangsheterosexualität! Ausgerechnet Homosexuelle, für deren Erotik und Liebe nur in dunklen Nischen Platz ist in dieser Welt - ausgerechnet Homosexuelle sollen nicht träumen von der höchsten Weihe für ihre Liebe, vom heiligen Stand der Ehe?!
Die in ihrer heutigen Form historisch ja noch sehr junge Ehe ist ein Akt der Gefühle, eine soziale Demonstration sowie ein ökonomisches und juristisches Kalkül. In der patriarchalischen Ehe zum Vorteil des Mannes und zum Nachteil der Frau. Legionen von Männer, die als Freund oder Lebensgefährte noch selbst spülten und stopften, hören am Tag nach dem Standesamt schlagartig damit auf und pochen auf ihre ehelichen Rechte. Und bald wird es. wieder Legionen von Frauen geben, denen man mit dem Hinweis auf den ,,Doppelverdienst" das Recht auf Erwerb nimmt.
Diese bestehenden Verhältnisse lassen in der Tat nur einen Schluss zu: Hauptfunktion der heutigen Ehe ist die Reduktion und Ausbeutung von Frauen durch Männer. Aber auch das ist wieder ein ganz anderes Kapitel. Gleichzeitig und genau darum ist die Institution Ehe dem Männerstaat heilig.
Er schützt und hätschelt sie, denn sie nutzt ihm. Für Eheleute gibt es Vergünstigungen bei den Steuern, bei der Krankenversicherung, bei der Rente, im Erbrecht; es gibt für eine/n Ehegattin/en die Möglichkeit der Zeugnisverweigerung im Strafverfahren, sowie die, nach dem Tod des/der einen das Mietverhältnis fortzusetzen und bei der Vergabe von Studienplätzen werden Ehepartner/innen berücksichtigt; selbst beim Asyl und Ausländerrecht kann es von Vorteil sein, verheiratet zu sein. Das ist alles nicht zu verachten.
Aber mehr noch: die Eheschließung ist ganz einfach ein elementares Menschenrecht. Ein Menschenrecht, das im 3. Reich nur "unwertem Leben" versagt wurde. In der Bundesrepublik nun (und in allen mir bekannten heutigen Staaten und Gesellschaften) wird dieses Recht homosexuellen Frauen und Männern versagt.
Allerdings: das Verbot der Homosexuellen-Ehe kann sich in der Bundesrepublik nicht aufs Grundgesetz berufen. Denn das Grundgesetz stellt zwar mit Artikel 6 die Ehe unter den "besonderen Schütze der staatlichen Ordnung", redet in dem Zusammenhang aber nicht von Mann und Frau, sondern nur von "Eltern", deren "zuvörderst ihnen obliegende Pflicht" die "Pflege und Erziehung der Kinder" sei. Gleichzeitig gebietet Artikel 3 des Grundgesetzes: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich".
Längst ist es herrschende Moral, dass Ehen nicht nur mit dem Hauptmotiv Kinder geschlossen werden, sondern auch und zu nehmend, um so die Bindung zwischen zwei Menschen zu manifestieren. Der Gesetzgeber schließt Ehen, ohne nach dem Kinderwunsch zu fragen und versagt folgerichtig auch zeugungs- oder gebärunfähigen Menschen den staatlichen Segen nicht.
Doch selbst wenn das so wäre: Auch zwei Frauen (zwei Männer) können Eltern sein, können Kinder aufziehen. Dass trotzalledem die Interpreten des Grundgesetzes Schlüsse ziehen wie Schmidt/Bleibtreu/Klein, bei denen es heißt: "Ehe ist auch für das Grundgesetz die Vereinigung eines Mannes und einer Frau" dafür kann das Grundgesetz nichts und die herrschende Moral alles.
"Ich stehe", schreibt die von EMMA nach ihrer Einschätzung befragte Münchner Anwältin Maria Sabine Augstein, "mit der Rechtsauffassung, dass bereits die jetzige Rechtslage die homosexuelle Ehe zulässt, wohl ziemlich allein. Doch wenn nicht mehr nur die Fortpflanzung, sondern die personale Bindung und Selbstverwirklichung zwischen zwei Menschen ebenso Zweck der Ehe ist, wie dies für Mann und Frau längst anerkannt ist, dann gibt es keinen Grund, gleichgeschlechtliche Paare vom Wesen der Ehe auszunehmen. Dann ist es sogar verfassungsrechtlich geboten, das Ehegesetz im Sinne der Zulässigkeit der homosexuellen/lesbischen Ehe zu interpretieren. Der Artikel 6 des Grundgesetzes enthält ein Recht auf Eheschließung mit der/dem gewünschten Partner/in."
Die Anwältin weiß auch schon, wie homosexuelle Ehekandidat/inn/en vorzugehen hätten: Erster Schritt, ganz schlicht, der Antrag beim Standesbeamten, das Aufgebot zu bestellen. Zweiter Schritt, nach der zu erwartenden Ablehnung, ein Antrag beim Amtsgericht, den Standesbeamten anzuweisen, das Aufgebot zu bestellen. Dritter Schritt, nach der zu erwartenden Ablehnung, die Beschwerde beim Landgericht. Vierter die beim Oberlandesgericht. Fünfter und letzter Schritt die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Denn, wie gesagt, alle Menschen sind gleich.
Ich bin übrigens ganz und gar sicher, dass diese Gesellschaft homosexuellen Frauen und Männern nie das uneingeschränkte Eherecht zugestehen wird. Was jedoch ehewillige Homosexuelle nicht hindern sollte, dafür dennoch zu kämpfen! Im Gegenteil: ein solcher Kampf würde vermutlich den wahren Charakter der Ehe, nämlich ihre Funktion als Frauenfalle und Männerpfründe, nur noch klarer machen. Denn das ist der Sexismus der Kernfamilie, des mit so vielen schönen Worten und Gefühlen verbrämten Fetisch Ehe. Aber eben diese schönen Worte und Gefühle sind in einem homosexuell liebenden Herzen halt nicht weniger lebendig und heftig, als in einem heterosexuellen ...
Darum scheint mir die Sehnsucht nach der Ehe gerade in einer homosexuellen Liebe individuell gesehen zwar durchaus konform, strukturell gesehen aber gleichzeitig glatt revolutionär: In einer zwangsheterosexuellen Welt wie der unseren ist und bleibt es eine Unerhörtheit, die homosexuelle Liebe so ernst zu nehmen, wie die heterosexuelle. Und genau das drückt sich im Ehewunsch aus. Denn die Ehe, das ist eine verdammt ernste Sache.