Quote: Vom Regen in die Traufe
Das Gesetz zur Quote wurde einstimmig in letzter Lesung am 15. Dezember 1998 verabschiedet. Die Universelle Republik versinkt in Gleichgültigkeit. Es lebe die Republik der Geschlechtertrennung, schon bald eine Republik der Aufspaltung! Der männliche Widerstand gegen die gerechte Verteilung der politischen Macht ist eine Krankheit, die sich wohl auf dem Weg der Heilung befindet. Aber um welchen Preis! Im Jahre 1793 wurden die Frauen im Namen ihrer "andersartigen Natur" aus der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Zweihundert Jahre später boxen sie sich mittels ebendieses Kriteriums in die Politik. Durch einen für die Gleichheit der Geschlechter höchst gefährlichen Umgang mit Konzepten bestimmt jetzt die Biologie das Gesetz.
Anstatt dem Universellen seine Männlichkeit vorzuwerfen und es auf die Müllhalde der Geschichte zu werfen, wäre es gerechter gewesen, die jenigen Männer anzuklagen, die das Prinzip der Universalität verhöhnen. Statt das Konzept der menschlichen Natur zu sexualisieren - wobei das Risiko eingegangen wird, es radikal zu verändern - hätte man besser daran getan, für die Anerkennung der Prinzipien der Republik zu kämpfen. Aber die Schlacht um die Prinzipien findet nicht statt. Die Feministinnen haben den "Femininen" das Feld überlassen.
Der Universalismus ist angesichts der biologischen Forderungen zerborsten. Die menschliche Natur ist nicht länger das, was alle Menschen vereint, unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihter Rasse etc., sondern die Vereinigung zweier Gruppen von Menschen: den Männern und den Frauen. Das Reproduktionsmodell wird zum Paradigma der Politik. Mit den Worten von Elisabeth Guigou, die eine weitverbreitete Meinung wiedergeben: "Es gibt zwei Geschlechter, zwei Weltanschauungen" und deshalb auch zwei Arten, Politik zu machen...
Obwohl die Quoten-Frauen sorgsam vermeiden, an ihre biologische Andersartigkeit zu erinnern, und sich eher auf ihre psychologische Andersartigkeit berufen (weniger kriegerisch, weniger eitel, sachlicher, mehr um das Alltägliche und die anderen besorgt, mehr dem Kampf für das Leben und die Freiheit gewidmet), tritt das Mutterideal klammheimlich wieder in Erscheinung und bestätigt auch noch die moralische Überlegenheit der Frauen über die Männer und ihre Vorrechte. Wenn Frauen friedlicher und altruistischer sind, dann liegt doch auf der Hand, daß sie die strahlende Zukunft der Menschheit sind. Progesteron, Mütter aller Tugenden...
Ausgehend davon folgert man, der Faktenlage zum Trotz, daß es zwei Weltanschauungen gibt: eine aus weiblicher und eine aus männlicher Perspektive, wobei erstere deutlich sympathische ist. Wenn das tatsächlich so wäre, sollte man besser eine Männer- und eine Frauenpartei ins Auge fassen, die jeweils von Angehörigen ihres eigenen Geschlechts gewählt werden. Aber jeder weiß, daß es nicht eine, sondern eine Vielzahl weiblicher Meinungen gibt, besonders zu Themen, die in erster Linie sie angehen: Abtreibung, Mutterschaftsgeld, Teilzeitarbeit oder eben die Quote - was beweist, daß die Geschlechtertrennung für die Politik nicht der Weisheit letzter Schluß ist.
Die Quoten-Frauen heute scheinen zu glauben, daß sich seit fünfzig Jahren nichts geändert hat und daß Simone de Beauvoir sie mit ihrem Diskurs über die Ähnlichkeit der Geschlechter in die Irre führte. Damit offenbaren sie eine beunruhigende Unkenntnis der geistesgeschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Weil es nämlich die systematische Kritik der den Frauen aufgrund ihres Geschlechts aufgezwängten Rollen ist, mit der Beauvoir einen großen Beitrag dazu leistete, den Weg in Richtung Gleichberechtigung zu weisen.
Erinnern wir uns: Es ist noch nicht so lange her, daß eine Frau nur als Ehefrau, Mutter und Hausfrau achtbar war. Daß die Mutterschaft als schreckliche Veräußerung der eigenen Person erlebt werden konnte, weil sie das zwingende Schicksal aller Frauen war. Daß es kein Heil außerhalb der Ehe gab. Ja genau: Simone de Beauvoir hat mit ihrer theoretischen Kritik und indem sie mit eigenem Beispiel voranging die Türen des Käfigs aufgestoßen. Ja, aufgrund dieser Philosophie haben die Frauen ihre größten Gewinne gemacht: dieselben sexuellen Freiheiten wie die Männer, Zugang zu allen Berufen, intellektuelle Gleichheit.
Warum wollen Frauen Soldatinnen oder Polizeikommissarinnen werden, wenn unser Geschlecht doch so "friedliebend und zart" ist?
Die so argumentierenden Differentialistinnen haben seit einem halben Jahrhundert geschlafen und die Umwälzung des Geschlechterverhältnisses, die sich vor aller Augen vollzieht, nicht mitbekommen. Sie meinen, Frauen seien gezwungen, sich eine männliche Haltung zuzulegen, also sich von sich selbst zu entfremden, um sich einen Platz in der männlichen Welt zu verschaffen, und scheinen zu ignorieren, daß keine der angeblich männlichen Tugenden (Selbstbeherrschung, den Willen sich selbst zu übertreffen, Freude am Risiko, Herausforderung und Eroberung) ihnen eigentlich fremd ist.
Hier ist von den Frauen die Rede, die die Männer dazu ermutigt haben, ihre sorgsam seit Jahrhunderten verdrängte Weiblichkeit zu entdecken und anzufangen, sich von einem gleichermaßen unterdrückenden wie zerstörerischen männlichen Modell zu befreien. Männer haben mehr als Überheblichkeit und Herrschaftsbestreben zu bieten. Sie sind, genauso wie Frauen, fähig, das Alltägliche zuregeln und sich um ihre Kinder zu kümmern. Indem wir anerkennen, daß beide Geschlechter jeweils über männliche und weibliche Tugenden verfügen, machen wir einen Schritt in Richtung Gleichberechtigung.
Es gibt nur eine menschliche Natur. Jeder Mann und jede Frau ist Verwahrer der gesamten menschlichen Natur. So können wir uns in unserer Funktion als Bütger übet unsere individuellen Interessen und Eigenschaften erheben und gleichzeitig die Rechte und Pflichten im Privaten wie im Öffentlichen in ihrer Gänze teilen.
Mit der Wiederaufnahme der Dualitätsdebatte zwängen die Quoten-Befürworter Männer und Frauen in stereotype Schemata, aus denen der Ausbruch so schwer gelingt. Damit laufen sie Gefahr, eine Entwicklung zu stoppen, die ohnehin durch die wirtschaftliche Krise verlangsamt und erschwert wurde: Den Männern der Arbeitsplatz, den Frauen das Mutterschaftsgeld! Womit wir wieder beim Anfang wären...
Der wirkliche Fortschritt hin zur Gleichberechtigung ist nur über die Teilung der alltäglichen, häuslichen und elterlichen Pflichten mit den Männern und über die finanzielle Autonomie der Frauen möglich. Solange diese beiden Forderungen nicht erfüllt sind, ist die Gleichberechtigung nur eine Illusion.
Es mag zwar morgen schon genauso viele Frauen wie Männer in politischen Institutionen geben, aber solange den Frauen das Gewicht eines doppelten Arbeitstages und die ganze Verantwortung für Haus und Kinder auf den Schultern lasten, werden es nur die Ledigen oder diejenigen schaffen, die über Mittel verfügen, sich im Haushalt helfen zu lassen. So werden durch die Privilegien einiger Frauen alle anderen ideologisch entwaffnet.
Damit die Frauen endlich den legitimen Platz einnehmen können, den die Republik ihnen schuldet, müßten sich lediglich alle politischen Parteien dazu entschließen, sich dem Prinzip der Gleichberechtigung zu unterwerfen, das sie so ungeniert lobpreisen.
ELISABETH BADINTER
Aus dem Französischen von Antje Görnig