Wehrt der Scharia in Ückendorf!
Nicht einschüchtern lassen sich die Direktorin der Gelsenkirchener Gesamtschule, Felizitas Reinert, ihre Kolleginnen Barbara Friedland (rechts) und Ute Neumann. Trotz der Beschimpfung, sie seien "Rassistinnen" und trotz der hochministeriellen Anordnung der sozialdemokratischen Regierung in NRW wehren sie dem Einzug der Scharia in ihre Schule mitten im Ruhrpott. Das Kopftuch ist ein Zeichen der Frauenunterdrückung, finden sie, und gehört nicht in die Schule!
Felizitas Reinert sitzt in ihrem Rektorinnenbüro und macht drei Kreuze. In diesem Herbst ist der Kelch nochmal an ihr vorübergegangen. Unter den Referendarinnen, die zum Schuljahresbeginn ihren Dienst an der Gesamtschule Ückendorf antraten, ist diesmal keine, die ein Kopftuch trägt.
Gut ein Jahr ist es jetzt her, dass eine Referendarin an die Schule in der Ruhrgebiets-Stadt Gelsenkirchen kam und darauf bestand, mit Kopftuch zu unterrichten. Prompt brach im über hundertköpfigen Kollegium ein Krieg aus, dessen Folgen an der Schule bis heute nachwirken.
Keinen Gedanken hatte sich Barbara Friedland, Lehrerin für Deutsch und Gesellschaftslehre, zuerst darüber gemacht, dass der Name "ihrer" Referendarin in der Hospitationsliste für das neue Halbjahr türkisch klang: Halide Matar. Eine neue türkische Kollegin an der Gesamtschule, in der in jeder Klasse mehr "Kinder aus Einwandererfamilien" als deutsche SchülerInnen sitzen, fand sie sehr erfreulich. Doch als Referendarin Matar dann vor ihr steht, plangerecht und pünktlich, fällt Lehrerin Friedland die Kinnlade herunter. Die junge Frau trägt ein Kopftuch. Für Friedland gibt es da nichts zu überlegen. "Tut mir leid", sagt sie, "so können Sie bei mir nicht hospitieren."
Das ist der Satz, der die Schleusen öffnet. Die Argumente aus dem Lager der Kopftuch-BefürworterInnen sind die bekannten. Man könne der jungen Frau doch nicht verbieten, ein Symbol ihrer Religion zu tragen. Da müsste man ja auch jedes Kreuz um den Hals verbieten. Daraus sprächen Intoleranz und Rassismus. Und das an einer Gesamtschule mit einer linken Tradition, sehr peinlich sei das.
Was diejenigen sagen, die nicht wollen, dass eine Referendarin mit Kopftuch und oft auch bodenlangem Gewand an ihrer Schule unterrichtet, ist seltener zu hören und zu lesen. Sie sprechen weniger vom "Neutralitätsgebot", das jetzt auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Urteilsbegründung gegen das Kopftuch von Fereshta Ludin anführte. Stattdessen fallen Begriffe wie "politisches Symbol", "demokratische Grundwerte" und "Frauenunterdrückung".
Doch nicht nur Barbara Friedland, auch ein weiteres Dutzend ihrer Kolleginnen und auch Kollegen weigerte sich, Referendarin Matar in ihrem Unterricht hospitieren zu lassen. Denn sie alle beobachten schon länger einen Trend an ihrer Schule, der ihnen Unbehagen und einigen von ihnen sogar Angst bereitet. Seit geraumer Zeit tauchen immer mehr Schülerinnen plötzlich mit Kopftüchern auf, oft nach den großen Ferien. Die dürfen dann meist nicht mehr mit auf Klassenfahrten und in den Sportunterricht. Immer wieder bitten diese Mädchen verzweifelt um Hilfe: Weil ihre Eltern sie von der Schule nehmen wollen; weil sie demnächst einen Mann heiraten sollen, den sie gar nicht kennen; oder weil sie gegen ihren Willen in die Türkei zurückgeschickt werden sollen.
Ein kleines Mädchen erklärte auf Nachfrage, der Hodscha in der Moschee habe gesagt, wenn sie ihr Kopftuch nicht trage, käme sie in die Hölle. Ein anderes kleines Mädchen wollte plötzlich nicht mehr neben ihrer deutschen Freundin sitzen, weil ein anderer Hodscha gesagt hatte, ihre Freundin sei unrein. Und türkische Eltern beschwerten sich darüber, dass im Biologieunterricht die Evolutionstheorie gelehrt wird und fordern mehr "islamische Züge" an der Schule.
Die LehrerInnen sind alarmiert. Sie wissen, dass es in der Welt Regime gibt, in denen Frauen ohne Kopftuch gejagt und gefoltert und verrutschte Kopftücher an den Kopf genagelt werden. "Und da sollen wir den Mädchen auch noch eine Referendarin mit Kopftuch als Vorbild hinstellen?", empört sich Barbara Friedland.
Das nordrhein-westfälische Schulministerium jedoch sah die Sache anders. "Das Tragen eines Kopftuchs als religiöses Symbol reicht nicht aus, um jemanden aus dem Schuldienst zu entfernen", lautete die Order aus Düsseldorf. "Die Person muss an ihren Äußerungen gemessen werden."
Sicher, Referendarin Matar äußerte sich immer nett: "Ich würde die Schule und das Vertrauen der Eltern niemals zu eigenen Zwecken missbrauchen und niemals versuchen, eigene Weltanschauungen zu vermitteln", sagte sie. "Auch von politischer Aktivität kann bei mir nicht die Rede sein." Kann nicht? "Frau Matar hatte die Affäre Ludin von A bis Z verfolgt. So naiv, wie sie tut, ist sie nicht", sagt Barbara Friedland.
In der Tat. Schon 1998 fragte der "Stern": "Wieviel Multikulti darf es sein?" und berichtete über fundamentalistische Tendenzen in Deutschland. Zwischen Bildern von betenden Anhängern des Islamistenführers Erbakan und Mekka-Pilgern an deutschen Grundschulen: Pädagogikstudentin Matar, 22-jährig und im sechsten Semester. Sie "wartet gespannt darauf, wie in der Sache Ludin vor Gericht entschieden wird" (Stern).
Drei Jahre später ist Halide Matar nun also Referendarin. Und löst an der Gesamtschule Ückendorf immer heftigere Debatten aus. Am heftigsten protestieren die türkischen Lehrer. Die vier Männer an der Gesamtschule sind regelrecht verzweifelt. Sie berichten ihren deutschen KollegInnen, wie sie in der laizistischen Türkei das bedrohliche Anwachsen der islamischen Fundamentalisten erlebt haben. Und dass sie selbst an der Universität von fanatisierten Islamisten bedroht und geschlagen wurden.
Dass sie jetzt mitten in Deutschland erleben müssen, wie hier unter dem Deckmantel von Religionsfreiheit und Toleranz islamistische Propaganda betrieben und Einfluss und auch Druck auf Eltern und Kinder ausgeübt wird, macht sie fassungslos. Für sie ist das Kopftuch kein religiöses Symbol, sondern ein politisches. "Das Kopftuch löst bei uns, wenn es von Staatsvertretern wie Lehrerinnen getragen wird, unter Umständen ähnliche Gefühle aus, wie bei manchen Deutschen das Hakenkreuz", klagt ein türkischer Lehrer einer Kollegin.
Nun wird gemunkelt, die türkischen Lehrer hätten Drohbriefe erhalten. Und an der Schule tauchen junge verschleierte Frauen aus einer islamischen Studentengruppe der Universität Essen auf, an der Matar studiert hat, und sammeln Unterschriften für das Kopftuch.
Die Gesamtschule Ückendorf, kurz: GSÜ, liegt im gleichnamigen Stadtteil am unteren Zipfel von Gelsenkirchen. Was für die meisten Städte der Norden, ist für Gelsenkirchen der Süden, sprich: Ückendorf ist ein Stadtteil mit dem üblichen Schmuddel-Charme, der entsteht aus dieser Mischung aus Bergmanns-Häuschen und 50er-Jahre-Einheitsfassaden, deutschen Kiosken und türkischen Gemüsehändlern. Die Straßen heißen "Flöz Dickebank" oder "Flöz Sonnenschein" und erinnern daran, dass hier vor den Zechenschließungen, von denen auch viele türkische Bergleute betroffen waren, mal bessere Zeiten geherrscht haben. Heute hat die Ruhrgebietsstadt die höchste Arbeitslosenquote in Westdeutschland. JedeR sechste ist hier ohne Job, jedeR achte AusländerIn.
Die Geschäfte in den Straßen von Ückendorf heißen "Ümit Fleisch", "Bagdad Markt" oder "Nal Electronic", gleich neben dem "Türk Export" liegt das islamische Bestattungsinstitut.
Wieviele Nationen unter den 1.400 SchülerInnen an der GSÜ vertreten sind, weiß niemand so genau. 17 oder vielleicht auch 27. "Sagen wir mal so: Es gibt nicht viele Nationen, die wir nicht an unserer Schule haben", versucht sich Schulleiterin Reinert an einer Antwort. Jedenfalls, so viel kann man sagen, sind drei von vier SchülerInnen in dem verschachtelten schieferschwarzen Gebäude nicht deutscher Herkunft.
Das war nicht immer so. Als die Gesamtschule Ückendorf 1982, also vor genau 20 Jahren, als zweite in Gelsenkirchen ihre Türen öffnete, galten noch die üblichen Gesamtschul-Grundsätze: Ein Drittel sehr gute Schüler, ein Drittel Mittelfeld, ein Drittel schlechte; ein Viertel ausländische SchülerInnen. Dann begann das Hauptschulsterben und die Gesamtschulen wurden zum Auffangbecken für die Schwächsten - leistungsmäßig wie sozial. So geriet die GSÜ bald in den Ruf, eine Art "Bronx-Schule" zu sein. Aber eine mit einem ausgesprochen engagierten Kollegium und guten pädagogischen Konzepten.
Auch die GSÜ hatte den PISA-Knick zu beklagen: Zunächst schienen es die Töchter und Söhne der "Gastarbeiter" an den Schulen leistungsmäßig noch zu packen. Die zweite Generation sprach perfekt Deutsch, machte immer öfter Abitur und wurde Sozialpädagogin oder Maschinenbauingenieur. Aber die dritte und vierte Generation brach wieder ein. Seit Anfang der 90er Jahre werden die Schulabschlüsse von Migrantenkin-dern seltener und schlechter. Heute geht in Nordrhein-Westfalen jeder zweite Jugendliche ausländischer Herkunft nur mit Hauptschulabschluss oder ohne jeden Abschluss von der Schule ab (aber nur jeder vierte Deutsche). Hauptgrund: die "fehlgeschlagene Integration".
Um dieselbe Zeit, als die Integration "fehlzuschlagen" begann und die von fanatischen Islamisten geschürten Parallelwelten aufblühten, stellte Barbara Friedland, zurück von einem zweijährigen Auslandsaufenthalt, auf dem Schulhof erschreckt fest: "Ich sehe hier nur noch Kopftücher!" Ihr Erschrecken war doppelt groß, weil sie die zwei Jahre an einer französischen Schule verbracht und dort die konsequente Anwendung des laizistischen demokratischen Prinzips bei den Franzosen selbst gegenüber kopftuchtragenden Schülerinnen erlebt hatte: Das Kopftuch hat in einer weltlichen Schule nichts zu suchen! Anfangs war Friedland noch skeptisch, doch dann begriff sie bei einem Fernseh-Interview mit algerischen Mädchen: "Da ziehen immer Männer im Hintergrund die Fäden. Die Mädchen werden von den Islamisten als Speerspitze der Bewegung benutzt."
Noch 1987 hatte der damalige Schulleiter auch in Gelsenkirchen dem ersten Mädchen, das an der GSÜ mit Kopftuch erschien und in die Koranschule ging, erklärt, dass das Tuch an der Schule nicht erwünscht sei. Vier Jahre später, nach Barbara Friedlands Rückkehr Anfang der 90er, tauchten immer mehr Mädchen mit Kopftüchern auf - und irgendwie schienen das inzwischen alle normal zu finden.
"Und ab Mitte der 90er nahm das dann bei den Mädchen inflationär zu", stellt auch Ute Neumann fest. "Zumachen" nennt das die Lehrerin für Englisch und Gesellschaftslehre. "Die Hatice war so ein lebendiges Mädchen, und dann kam die nach den Ferien zurück und war zu!" Während sie "zu" sagt, zieht Lehrerin Neumann mit der flachen Hand eine Grenze zwischen Gesicht und Außenwelt.
Nicht nur die Mädchen, auch die Eltern machten unter dem Einfluss der Hodschas und Muezzine immer mehr "zu". "Wir sind früher oft in die Familien eingeladen worden", erinnert sich Lehrerin Friedland. "Heute spielen sich die Gespräche mit muslimischen Eltern immer öfter auf dem Bürgersteig ab." Wenn überhaupt.
Noch vor kurzem, als Friedland die Eltern einer hochintelligenten 14-jährigen Libanesin dazu bewegen wollte, das Mädchen doch mit auf Klassenfahrt zu lassen, beteten die auf dem Wohnzimmerboden einfach so lange gen Mekka, bis die Lehrerin entnervt wieder abzog. Auf Elternsprechtagen müssen weibliche Lehrer zunehmend hinnehmen, dass ihnen muslimische Väter nicht mehr die Hand geben. Weil Frauen "unrein" sind. "Oder die ignorieren uns ganz."
Und nun stand also diese Referendarin vor Barbara Friedland und wollte hospitieren. Mit Kopftuch. Für die Lehrerinnen Friedland und Neumann war ganz klar: Das können wir nicht zulassen. Dennoch machten ihnen die Rassismus-Vorwürfe mancher KollegInnen zu schaffen. Neumann: "Angesichts der deutschen Geschichte stecke ich das nicht so weg."
Die heute 54-jährige Lehrerin hatte mit Vorwürfen dieser Art schonmal Bekanntschaft gemacht. Nämlich als sie und andere Lehrerinnen Ende der 80er Jahre nach langem politisch korrektem Zögern wagten, die steigende Gewalt und das Machotum zu benennen, das türkische Jungen noch stärker an den Tag legten als ihre deutschen Geschlechtsgenossen. "Damals hat man uns auch schon Rassismus vorgeworfen", sagt Ute Neumann. Bis eine schwangere Kollegin im Keller von fünf Jungen bedrängt wurde. "Da konnten wir endlich anfangen, über Jungensozialisation zu reden. Auch über türkische."
Jetzt also wieder der "Rassismus"-Vorwurf. Glücklicherweise hatten sich im Gelsenkirchener Kopftuch-Konflikt nun auch die türkischen Kollegen zu Wort gemeldet. Das machte es für die deutschen Lehrerinnen leichter, ebenfalls Farbe zu bekennen. Neumann, an der GSÜ seit Jahren engagiert in Sachen Mädchenarbeit, fasste sich also ein Herz und nahm sich vor, mit Referendarin Matar über Mädchensozialisation zu reden. Darüber, was es bedeutet, wenn sie den muslimischen Mädchen in ihrer Mädchen-AG mühselig Selbstbewusstsein vermittelt hat und da plötzlich eine Referendarin vor ihnen steht, die meint, ihre "weiblichen Reize" bedecken zu müssen und so demonstriert, dass Frauen und Männer höchst ungleiche Sorten Menschen sind.
"Haben Sie sich eigentlich mal über unsere Geschichte und unsere Kämpfe in der Frauenbewegung informiert?", wollte die Gesellschaftskunde-Lehrerin von der Referendarin wissen. Fehlanzeige. "Die wusste nix. Und da hab ich zu ihr gesagt: Frau Matar, wir fallen an dieser Schule hinter das, was wir frauenpolitisch erreicht haben, nicht mehr zurück!"
Das sieht auch Felizitas Reinert so. Die Schulleiterin lebt unverheiratet mit einem Mann zusammen. "Das hätte mich früher den Job gekostet, und ich bin sehr froh, dass diese Zeiten vorbei sind." Kräfte, die solche Zeiten wieder heraufbeschwören wollen, will die Rektorin an ihrer Schule nicht dulden. Sie findet es selbstverständlich, dass Jungen und Mädchen gleiche Chancen bekommen und alle Mädchen am Sportunterricht und den Klassenfahrten teilnehmen dürfen.
Doch das Bundesverwaltungsgericht hat 1993 für rechtens erklärt, dass muslimische Eltern ihre Töchter vom Sport fernhalten dürfen, sofern sie gemeinsam mit Jungen unterrichtet werden. So bleibt Schulleiterin Reinert nur eine Hilfskonstruktion: ein so genannter "Schulvertrag", den die Eltern bei Einschulung ihres Kindes unterschreiben müssen und in dem sie sich verpflichten, dass sie auch ihre Töchter an den Fahrten teilnehmen lassen. Das Ganze hat natürlich keinerlei rechtliche Relevanz, aber die Schulleiterin hofft darauf, dass durch die Unterschrift die Hemmschwelle der Eltern steigt. "Viele Familien leben in einer komplett abgetrennten Welt", klagt sie.
Als Referendarin Matar an die GSÜ kam, war Felizitas Reinert, die ihren Job erst vor kurzem übernommen hat, noch nicht da. Doch selbst wenn sie schon auf Posten gewesen wäre, hätte sie aufgrund der Order der Schulministerin nicht viel unternehmen können. Durchgesetzt wird diese Order aus Düsseldorf an der Gesamtschule in Gelsenkirchen von der zuständigen Bezirksregierung in Münster. Von dort reiste die zuständige Dezernentin im Mai 2001 zu einer Dienstbesprechung an und wies die sich weigernden LehrerInnen energisch an, "uneingeschränkt ihrer Dienstpflicht nachzukommen", sprich: Referendarin Matar in ihrem Unterricht hospitieren zu lassen. Am folgenden Tag stand nämlich der Besuch einer UNESCO-Delegation ins Haus, und die Regierungsvertreterin aus Münster ließ durchblicken, wie überaus peinlich sie es fände, wenn vor den Augen des internationalen Besuches eine solche Intoleranz gegenüber anderen Kulturen zum Ausdruck gebracht werde.
Die immer noch kritischen türkischen Kollegen wurden gleich nach Münster zitiert. Ergebnis: Nach diversen jeweiligen Einzelgesprächen unterschrieben sie eine Erklärung, in der sie sich verpflichteten, künftig Referendarinnen mit Kopftuch in ihrem Unterricht zuzulassen.
Niederlage auf der ganzen Linie für die Kopftuch-KritikerInnen? Nicht ganz. Referendarin Matar ließ sich im Juni 2001 an eine andere Schule versetzen. Doch ist allen Beteiligten klar, dass das Problem damit nur vertagt ist. Bis zur nächsten Referendarin, die sich mit Kopftuch vor die Klasse stellen will.
Schon zum nächsten Halbjahrwechsel im Februar 2003 kann es wieder so weit sein. Darum wäre es Schulleiterin Reinert entschieden lieber, "wenn das Kopftuch für Referendarinnen und Lehrerinnen in NRW verboten wird und Schluss". So wie in Baden-Württemberg, wo CDU-Bildungsministerin Annette Schavan die verschleierte Lehrerin Ludin dank ihres Verbots verhindern konnte. Schavans Begründung: "Die Mehrheit muslimischer Frauen trägt weltweit kein Kopftuch. Das Kopftuch wird in der innerislamischen Diskussion als politisches Symbol gewertet."
Das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gab im Falle Ludin der baden-württembergischen Ministerin Recht. Doch wird das in Nordrhein-Westfalen keine Folgen haben. Auch nicht nach der Ablösung von Schulministerin Gabriele Behler (SPD) durch Ute Schäfer (SPD), die neue Ministerin für Schule, Jugend und Kinder. "Es gibt keine Veranlassung, die liberale Praxis zu ändern", antwortete nach erfolgtem Amtswechsel Mitte November die NRW-Pressestelle auf EMMAs Anfrage.
Anfang November war eine verschleierte Referendarin wegen des vehementen Protestes von deutschen wie türkischen Eltern in Düsseldorf-Garath nach Neuss versetzt worden, wo man sie "ohne Vorbehalte aufnahm". Die Lehramtsanwärterin für den staatlichen Schuldienst besteht nicht nur darauf, im Unterricht Kopftuch zu tragen. Sie weigert sich auch, Männern die Hand zu geben. Und sie bekundet offen, dass der Koran, also die Scharia, für sie oberstes Gesetz ist. Noch immer keine Veranlassung, die "liberale" Praxis zu ändern?
Chantal Louis, EMMA Januar/Februar 2003
In Emma zum Thema u.a.: Die Kopftuchlüge (Januar/Februar 1999) + Elisabeth Badinter: Der Schleier verstößt gegen das Menschenrecht (Sonderband + Taschenbuch "Krieg" 1992)