Kulturrevolution in Köln
In ihrer Heimat darf ihr Film nicht gezeigt werden. Dabei hatte Regisseurin Li Yu mit ihrem Film „Lost in Beijing“ gar nicht die Diktatur des Proletariats attackiert, sondern die Geschichte einer Vergewaltigung und ihrer Folgen erzählt. Als die junge Ping Guo von ihrem Chef geschwängert wird, schließt ihr Ehemann einen Pakt mit dem Täter: Der soll zahlen und bekommt dafür nach der Geburt das Baby. Der Deal endet fatal.
Jurymitglied Li Yu ist eine von sechs chinesischen Filmemacherinnen, die vom 23. bis 26. April beim Internationalen Frauenfilmfestival in Köln zu Gast sind und in Diskussionen und Werkstattgesprächen über Aufbruch und Begrenzungen der chinesischen Filmindustrie – der drittgrößten der Welt – berichten werden. Denn in dem sich rasant modernisierenden Land entstehen neben staatlichen Produktionen immer mehr Filme, die durch privates Kapital oder ausländische Kooperationen gefördert werden. Und so ist die fiebrige Transformation des Landes und der Umgang der Menschen damit eines der häufigsten Themen der insgesamt zwölf Filme des „Fokus: China“, wie es auch der Titel des aktuellen Spielfilms der ebenfalls anwesenden Grande Dame des chinesischen Films, Ning Ying, ausdrückt: „Perpetual Motion“ – Ständige Bewegung.
Neben dem brandaktuellen Länderschwerpunkt zeigt das Festival fast 100 Filme aus 30 Ländern in den bekannten Kategorien Debütspielfilm-Wettbewerb, Panorama und Querblick und streift dabei Themen von Italienische Frauenbewegung („Vogliamo anche le rose“) bis Kindersoldatinnen („Woman See Lot of Things“). Eröffnet wird das Festival, das nach der Fusion der Kölner Feminale mit der Dortmunder Femme Totale im Jahr 2006 nun zum dritten Mal stattfindet, mit einem Film aus der Kategorie Gendertrouble: In „XXY“ porträtiert die argentinischen Regisseurin Lucía Puenzo den 15-jährigen Alex, dessen Geschlecht nicht so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick scheint.