Vergewaltigung in der Ehe: Na, endlich!

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Nach 25 Jahren Protest wurde das Gesetz gegen Vergewaltigung reformiert. Jetzt ist auch strafbar: die Vergewaltigung in der Ehe, die „beischlafähnliche“ Vergewaltigung und die Tat bei Einschüchterung und Abhängigkeit.

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Endlich! Nach einem Viertel­jahrhundert ist es erreicht. Am 15. Mai 1997 beschloss der Bundestag, namentlich und ohne Frak­tionszwang, mit der überwältigenden Mehrheit von 470 Stimmen (Nein-Stimmen 138, Enthaltungen 35), dass vergewaltigende Ehe­männer keine Sonderrechte mehr genießen. Auch nicht durch eine sogenannte „Widerspruchsklausel“, mit der die Ehefrau die Einstellung des Strafverfahrens gegen ihren Mann hätte bewirken können. So wollten es ursprünglich die konservativen und liberalen Herren.
Aber die Damen schlugen ihnen ein Schnippchen, sogar einige aus den eigenen Reihen. Eine fraktions­übergreifende Frauenkoalition, angeführt von Ulla Schmidt (SPD) und Irmingard Schewe-Gerigk (Bündnis 90/Die Grünen), rief auf zum Frauen­aufstand im Parlament. Und der Coup gelang.
Mitte März legten Schmidt und Schewe-Gerigk einfach den – schon einmal vom Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP verabschiedeten, aber von der SPD-Mehrheit im Bundesrat wieder gekippten – Gesetzentwurf der
Regierungskoalition noch einmal als „Gruppenantrag“ vor. Dieses Mal allerdings ohne die skandalöse „Widerspruchsklausel“.
Mit von der Partie waren die streitbare Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und die von den Grünen zu den Christdemokraten konvertierte Vera Lengsfeld. CDU-Vorzeige-Emanze Rita Süssmuth hielt sich bedeckt. Aber da kam unerwartete Schützinnenhilfe aus Nordrhein-Westfalen.
Von dort aus verpasste Irmgard Karwatzki, CDU-Bundestagsabgeordnete und Chefin der NRW-Frauen­union, ihren Parteimännern in Bonn eine volle Breitseite aus dem Hinterhalt – in Form eines Beschlusses der CDU-Frauen aus NRW: „Die Widerspruchsregelung ist eine deutliche Mißachtung der Frauen, denen von ihren Ehemännern die schlimmste Form der Gewalt angetan wurde.“ Da wollte auch Frauenministerin Claudia Nolte (CDU) nicht länger hintenan stehen. Sie fand die Widerspruchklausel zwar nach wie vor richtig, wollte aber dennoch dem Frauen-Antrag auf Streichung zustimmen.
Als dann auch noch waschkörbe­weise Protestbriefe von Landfrauen und katholischen Frauengemeinschaften in der Bonner Parteizentrale eintrafen, hissten die christdemokratischen Mannen die weiße Fahne. Die Herren von der feinen FDP kapitulierten ebenfalls und hoben den Fraktionszwang auf.
Bei der Abstimmung im Bundestag am 15. Mai unterstützten dann auch Männer aus den Regierungs-Fraktionen in großer Zahl den Antrag der Frauen: 100 von der CDU und 16 von der FDP. Sogar der als Hardliner bekannte Alfred Dregger (CDU) sagte Ja, ebenso CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble, bis vor kurzem noch vehementer Befürworter der Widerspruchsklausel.
Bei der FDP stimmten die eher konservativen Hans-Dietrich Genscher (Ex-Außenminister und Ex-Parteichef) und Günter Rexrodt (Wirt­schafts­minister) zu. Was Arbeits­minister Norbert Blüm (CDU) nicht hindern konnte, gegen das Gesetz zu votieren. Genau wie der sich gerne als sozialliberal gerierende Burkhard Hirsch (FDP). Der smarte FDP-Bundesgeschäftsführer Guido
Westerwelle enthielt sich der Stimme.
In dem Beifall über den Frauensieg gegen die eheliche Vergewaltigung ging fast ein anderer Grund zu Freude unter. Denn die Vergewaltigung in der Ehe ist nur Teil der Reform des Vergewaltigungsparagraphen 177, die Feministinnen seit
25 Jahren fordern.
So schaffte der Bundestag am 15. Mai auch den minderschweren Straftatbestand der „Nötigung“ ab. Künftig werden alle erzwungenen „sexuellen Handlungen“, selbst wenn sie nicht mit einer Penetration verbunden sind, als Vergewaltigung bestraft: mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
Und mit einer Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren werden „besonders schwere Fälle“ geahndet: „Wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt, die dies besonders erniedrigen.“ Und: Wenn „die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird“ oder „der Täter das Opfer körperlich schwer misshandelt“.
Der neue  § 177 setzt nicht mehr die Gegenwehr des Opfers voraus. Jetzt gilt auch ein sexueller Übergriff als Vergewaltigung, bei dem der Täter „eine Lage“ ausnutzt, „in der das Opfer“ seinem „ungehemmten Einfluss preisgegeben ist“. Diese „hilf­lose Lage“ kann eine Krankheit oder Behinderung sein. Doch es sind auch Fälle gemeint, so heißt es im Kommentar zu dem Gesetz, „in denen Frauen vor Schrecken starr oder aus Angst vor der Anwendung von Gewalt durch den Täter dessen sexuelle Handlungen über sich er­gehen lassen“.
Der 15. Mai 1997 ist ein historisches Datum! Nicht nur für die Neue Frauenbewegung, die seit ihrem Aufbruch Anfang der 70er Jahre für eine Reform des Sexualstrafrechts kämpft, sondern auch für den Deutschen Bundestag und die Wählerinnen im Land. Denn eine fraktions­übergreifende Frauenkoalition hat das Unmögliche möglich gemacht: weil sie die Fraueninteressen über das von Männern dominierte Parteiinteresse stellte.

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