Zwei vor, eins zurück

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Erinnern wir uns: Vor 20 Jahren stand die damals noch kämpferische Petra Kelly im Bundestag auf und fragte den Justizminister, ob er sich denn vorstellen könne, daß die Vergewaltigung in der Ehe einmal ins Strafgesetz aufgenommen würde? Der donnert damals ein kategorisches „Nein“ zurück. Und alle Herren im Bundestag, wirklich alle, hielten sich die dicken Bäuche vor Lachen. Eine erhellende Szene, wie gesagt, 20 Jahre her.

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Jetzt muß frau zugeben, daß Mann im Bundestag dazugelernt hat. Seit dem 9. Mai wird die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt. Dem Ehemann drohen, wie jedem anderen Vergewaltiger auch, von nun an mindestens zwei Jahre Gefängnis – er kann also nicht auf Bewährung hoffen.
In den neuen Paragraphen 177-179 des Straf­gesetzbuches geht es nicht nur um die Vergewaltigung in der Ehe, sondern um jede Art von Vergewaltigung. Und die hat der Gesetzgeber rea­li­stischer definiert: Als Vergewaltigung gilt nicht mehr nur der Koitus, sondern jede Art von Penetration, auch oral oder anal und mit Gegenständen. Dank dieser gesetzlichen Klarstellung kann sexuelle Gewalt nicht länger schöngeredet werden. Auch Urteile, in denen der Vergewaltiger frei­gesprochen wurde, weil das angstvolle Opfer auf Gegenwehr verzichtete, kann es künftig nicht mehr geben. Und schon auf „sexuelle Nötigung“ steht eine Mindeststrafe von sechs Monaten. – Das ist die gute Nachricht.
Die schlechte Nachricht ist: Die män­nerbündischen Kräfte im Bundestag haben eine sogenannte Widerspruchsklausel eingebaut. Danach kann eine Ehefrau die Anzeige gegen ihren Mann jederzeit zurückziehen. Im „Interesse der Ehe und Familie“ kommt es dann nicht zu weiteren Ermittlungen und einem Prozeß. Wird ein Mensch Opfer eines Raubes oder Mordes, muß der Staatsanwalt oder Richter ermitteln – egal, ob Aussagen widerrufen werden oder nicht. Doch „ist das Opfer mit dem Täter ver­heiratet, so kann die Tat nicht verfolgt werden, wenn das Opfer widerspricht“. Mehr noch: dieser „Widerspruch kann nicht zurückgenommen werden“. Im neuen Gesetz ist also gleich ein Sonderrecht für vergewal­tigende Ehemänner mit eingebaut.
Aber nicht nur das: Dieses neue Kompromissgesetz öffnet leider weiterer ehelicher Gewalt Tür und Tor. Denn das wissen längst alle, die mit geschlagenen und vergewaltigten Ehefrauen zu tun haben: die gehen meist erst nach einer langen häuslichen Leidenszeit zur Polizei. Jetzt wird ganz sicherlich der angezeigte Mann aber, neben kurz­fristigen Reuephasen, weiter Druck auf die Ehefrau ausüben. Ziel: die Widerrufung der Anzeige.
Er wird sich doch ganz bestimmt bessern, von vorne mit ihr beginnen, nie mehr schlagen und vergewaltigen. Ehrlich, versprochen. Wenn sie jetzt aber mal wieder glaubt und die An­zeige zurückzieht, ist sie für alle Zeiten weg vom Tisch. Und der Gewalt­kreislauf beginnt von vorne. Denn Gewalttäter bleibt Gewalttäter. Hier helfen bestenfalls Selbstbesinnung und lange Therapie.
Nur milde lächeln kann frau auch bei dem eingefügten Passus: „Der
Widerspruch muß persönlich ein­gereicht werden“. Damit Staatsanwalt und Richter Aug in Aug die angst­-freie, selbstverantwortete Entscheidung der Ehefrau beurteilen können?
Selten, nicht mal bei den heißen Diskussionen um die Neufassung des  
218, habe ich die Frauen im Bundestag so engagiert erlebt. War es ein Zufall, daß diese wichtige Debatte erst abends um 20 Uhr 15 begann? Aber sie waren allesamt präsent: Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die mutig erklärte, nicht mit ihrer Fraktion stimmen zu können. Aber auch Claudia Nolte, die Familien- und Frauenministerin, die aufrechten Hauptes und mit fester Stimme an die deutschen Staatsanwälte und Richter glaubte: „Sie werden ganz sicherlich erkennen, wenn eine Frau unter Druck ihre Anzeige zurücknimmt und dann weiter er­mitteln“. Sie habe schließlich gerade auf diesen Passus in ihrer Partei so viel Wert gelegt.
Als der amtierende Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig dann auch noch im Brustton der Überzeugung den Koalitionsentwurf mit diesen Worten verteidigte: „Es ist doch nicht Aufgabe des Staates, im Ehebett gegen den Willen der Beteiligten zu ermitteln“, kam es zu regelrechten Tumulten bei den Bundestagsfrauen. Ulla Schmidt von der SPD überschlug sich fast vor Empörung: „Da haben Sie sich aber gewaltig vergriffen. Auch sonst wird bei Verbrechen ermittelt, warum nicht bei einer Vergewaltigung?“
Wohl wahr. Dies ist ein Zwei-Klassen-Recht für Vergewaltiger. Weil eben nach Meinung mancher Herren der „Erhalt der Familie“ wichtiger ist als die Ehre der Frauen.

Letzte Nachricht: Das vom Bundestag, der Abgeordnetenkammer, verabschiedete Gesetz zur Vergewaltigung in der Ehe wurde am 14. Juni im Bundesrat, der Länderkammer, gestoppt. Die SPD-Länder hoffen auf die Rücknahme der „Versöhnungsklausel“.

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