Sterneköchin Anna Sgroi
Die Gäste ihres kleinen, edlen Restaurants freuen sich entsprechend, wenn sie nach der Arbeit am Herd endlich an einen der wenigen Tische tritt. Denn meistens bleibt Anna in ihrer Küche und bereitet jedes Gericht für die höchstens 38 Gäste eigenhändig zu. „Mein Platz ist am Herd“, sagt sie. „Wenn ich mal krank bin, bleibt das Restaurant geschlossen.“ Doch keine Angst, sie ist nur sehr selten krank.
Anna Sgroi hat viel erreicht. Sie war die erste italienische Köchin in Deutschland, die mit einem Michelin-Stern belohnt wurde. Zum Stern gesellten sich bei Anna Sgroi 15 Gault Millau-Punkte. Dies ist ein schöner Leistungsausweis – ganz besonders für eine Autodidaktin, wie sie es ist. Sie hat sich ihr ganzes Küchenwissen selbst beigebracht, hat jahrelang probiert und experimentiert, hat sich an ihre sizilianischen Wurzeln und an die Kochrezepte ihrer Oma erinnert, bis sie ihren Stil fand.
Ursprünglich lernte sie den Beruf der Friseurin. Dass sie dann die Schere und die Lockenwickler mit dem Kochlöffel tauschte, war – wie so oft im Leben – purer Zufall. Sie war ihrem Freund nach Hamburg gefolgt, der Musik machte und oft hungrig war. Genau wie seine Kollegen. Anna fing an zu kochen. Zuerst waren da zwei Tische, dann fünf, und schließlich eröffneten die beiden das „Anna e Sebastiano“ in Hamburg-Eppendorf.
Ihr Stil ist klar und schnörkellos. Geradlinig bringt sie die Produkte auf den Teller, möglichst so, wie sie gewachsen sind. Das Ausgangsprodukt muss gut sein, erst dann kann auch das Gericht exzellent werden, ist ihre Devise. Aus diesem Grund hat sie vor Kurzem neben ihrem Restaurant einen Shop mit „Alimentari“ eingerichtet, zumeist direkt aus Italien importiert.
Anna Sgroi hat ein untrügliches Gefühl für beste Grundzutaten, für das beste Öl, die frischesten Kräuter, das schmackhafteste Geflügel, den wohlschmeckendsten Fisch. Ihre Ravioli sind unvergleichlich zart und gelten in Hamburg als die besten, die in der Stadt zu finden sind. Mal füllt sie den feinen Teig mit Austern und Spinat und serviert sie an Schnittlauchbutter, mal packt sie Kürbis, Salbei und Parmigiano hinein. Oder sie entscheidet sich für eine Füllung aus Rochen mit Kräutern, Oliven und Tomaten.
Wenn es um die italienische Küche geht, kann die kleine, zierliche Anna sehr kategorisch und resolut werden. „Was hierzulande als ‚italienische Küche’ verbrochen wird, ist oft eine Schande für mein Heimatland“, zürnt sie. Und dass man in einem italienischen Restaurant mindestens einen „Primo“ und einen „Secondo“ bestellt, machte sie einst einem Gast klar – auch wenn dies ein Journalist war.
Wie kommt die zierliche Anna Sgroi mit den schweren Töpfen zurecht? Wie behauptet sie sich als Quereinsteigerin in der männergeprägten Kochwelt? „Für die schweren Töpfe frage ich um Hilfe. Und mit dem Personal habe ich keine Probleme, nur weil ich eine Frau bin. Ich würde auch dem größten Kerl sagen, was ich will“, lacht sie. Der Unterschied liege anderswo – nämlich im Kopf: „Ein Mann kann monatelang nach dem perfekten Gericht suchen, eine Frau schaut, ob der Geschmack und die Harmonie stimmen. Sie denkt anders“, bringt es die Köchin auf den Punkt.
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Anna Sgroi, „Typisch Anna! La vera cucina italiana“ (AT Verlag 29.90€). www.sgroi.de