Kein totales PID-Verbot: Aber 260 gegen
Bei der CDU/CSU haben von insgesamt 237 genau 154 gegen das Menschenrecht auf PID gestimmt. Darunter, neben Angela Merkel, auch die Ministerinnen Schavan, Aigner und Böhmer sowie Minister Röttgen. Nun könnten alle bewussten Frauen und alle aufgeklärten Menschen sich sagen: Okay, wählen wir also die Anderen, die SPD oder die Grünen zum Beispiel. Aber da sind keine Anderen. Der Versuch, christliche Überzeugungen via Gesetz allen BürgerInnen dieses Landes aufzuzwingen, ist längst kein Patent der Christlichen mehr, sondern geht quer durch alle Parteien.
So haben bei der SPD von insgesamt 146 Abgeordneten zwar „nur“ 36 gegen das Recht auf PID gestimmt, darunter jedoch nicht nur die üblich verdächtige Andrea Nahles, sondern auch der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) Elke Ferner, sowie die einst als Parteilinke, wenn nicht gar Feministin geführten Ex-Ministerinnen Ulla Schmidt und Heidemarie Wieczorek-Zeul!
Den relativ höchsten Anteil der PID-GegnerInnen aber haben, neben den Konservativen, die Grünen. Da sind knapp zwei Drittel, 41 von 68, für ein PID-Verbot! Genauer: Nur 27 sind für das Recht auf PID, 36 dagegen und 5 haben sich enthalten bzw. nicht abgestimmt. Unter den PID-Gegnern sind, neben der einschlägig verdächtigen Katrin Göring-Eckardt, auch die Fraktionsvorsitzende Renate Künast und die Parteivorsitzende Claudia Roth, sowie Bärbel Höhn und Volker Beck. Es ist kaum zu fassen!
Und, eine echte Überraschung: Auch bei der Linken ist die Hälfte für ein PID-Verbot! Von insgesamt 76 Abgeordneten sind 29 für ein Verbot (plus 8 Enthaltungen bzw. Nicht-Abstimmer), darunter die als ganz besonders links geltende Frauen Luc Jochimsen und Ulla Jelpke.
Der von den Gegnern eines Rechts auf PID in den vergangenen Monaten viel beschworene „Dammbruch“ ist also eingetreten. Wenn auch anders, als sie meinten. Zufrieden dürften sie darum trotz der Niederlage sein. Ihr Anliegen gewinnt rasant an Terrain. Der wahrhaft grotesk-fundamentalistische, jeglicher Rechtsstaatlichkeit widersprechende Versuch, erwachsene BürgerInnen in ihrem fundamentalen Recht auf ein gesundes Kind zu bevormunden, zieht sich durch alle Parteien, von links bis rechts.
Nur die FDP scheint wenigstens an dem Punkt noch bei Verstand. Von ihr, von der Abgeordneten Ulrike Flach, kam auch die Initiative für den relativ fortschrittlichsten Gesetzesentwurf zur PID-Zulassung. Von insgesamt 93 liberalen Abgeordneten sind 87 für die Zulassung der PID, darunter die gesamte Parteispitze, fünf dagegen – nur eine, nicht irgendeine, hat nicht abgestimmt: Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, früher aktive Befürworterin des Rechts auf die Fristenlösung.
Nach Nennung all dieser traurigen Gestalten sollten auch einige Positive aus den Reihen der Konservativen benannt werden. Dort votierten für das Recht auf PID (und damit gegen ihre Kanzlerin) u.a.: die MinisterInnen Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble, sowie Staatssekretärin Ursula Heinen.
Die ganze Debatte betrifft – wie auch Erfahrungen in Nachbarländern zeigen – nicht mehr als rund zweihundert Paare im Jahr. Sie sollen nicht länger gezwungen werden, ein eventuell belastetes Ei einzupflanzen und dann später entweder abzutreiben oder eine Todgeburt bzw. ein schwerstbehindertes Kind in Kauf zu nehmen. Es geht also bei dieser Debatte in Wahrheit nicht nur um das Eine, sondern ums Ganze: um symbolische Politik. Politik gegen eine selbstbestimmte Mutterschaft. Mal wieder. Denn natürlich steht es in einem Land, in dem fast die Hälfte aller Abgeordneten aus allen Parteien gegen das selbstverständliche Recht auf eine Vorab-Untersuchung eines befruchteten Eis sind in nicht allzu großer Ferne auch das Recht auf Abtreibung des Fötus bei Behinderung auf der Agenda – und dann ist in nicht mehr allzu weiter Ferne das gesamte Recht auf Abtreibung in größter Gefahr!
Logische Fortsetzung: Sodann wird der Pessar verboten, der die Einnistung des befruchteten Eis im Uterus verhindert (von denen sich übrigens überhaupt nur ein Ei von dreien überhaupt einnistet). Folgt das Verbot der Verhütung überhaupt – und endlich hätten wir es erreicht: Deutschland ein Gottesstaat. Wenn wir nicht mit Macht Einhalt gebieten. Und zwar JETZT!
Das Recht auf Abtreibung wurde Anfang der 1970er Jahre nicht zufällig zum Auslöser der Frauenbewegungen in der ganzen westlichen Welt. Denn es gibt für eine Frau nichts Existenzielleres, als selbst bestimmen zu können, ob sie Mutter wird oder nicht – und unter welchen Umständen.
Es wird Zeit, dass wir uns der Debatte stellen: Wann beginnt das Menschsein? Die Antwort darauf dürfen wir uns nicht länger von Gläubigen und Opportunisten diktieren lassen, die sich lieber gut stellen mit dem lieben Gott als mit den Menschen.
Ein Wort sei mir noch gestattet zu der absurden Argumentation von Behinderten-Funktionären, das Recht auf PID diskriminiere Behinderte. Ich bin unehelich geboren. Meine Mutter hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie am liebsten abgetrieben hätte (was bei den Nazis strikt verboten war). Ich käme nicht auf den Gedanken, deswegen nicht für das Recht von Frauen auf Abtreibung zu sein!
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