Femen: „Geht mit uns auf die Straße!"

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Inna, welche Eindrücke bringt ihr von eurer Europa-Tour mit?
Inna Shevchenko: Wir wollen ja unsere Form von Protest in der ganzen Welt verbreiten und es ist toll, dass wir mit dieser Tour den ersten Schritt dazu gemacht haben. Wir hatten viele positive Reaktionen von Frauen und auch von Männern. In Zürich haben junge Schweizerinnen sogar selbst bei unseren Aktionen mitgemacht. Wir haben auch festgestellt, dass es einen großen Unterschied zwischen der ukrainischen Polizei und der schweizerischen oder französischen Polizei gibt. In der Ukraine tun wir mit unseren Aktionen nie etwas Ungesetzliches, aber wir werden trotzdem verhaftet. In den europäischen Ländern sind wir nur einmal verhaftet worden, nämlich vor dem Vatikan. Bei unseren Aktionen war die Polizei zwar da und hat uns beobachtet, aber sie haben uns einfach machen lassen.

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Man sieht immer wieder Fotos, auf denen ihr von der Polizei verhaftet werdet. Müsst ihr mit ernsthaften Schwierigkeiten rechnen?
Ja. Die Polizisten sind oft gewalttätig. Als wir zum Jahrestag von Tschernobyl eine Performance auf dem Unabhängigkeitsplatz gemacht haben und verhaftet wurden, hat ein Polizist versucht, mir den Arm zu brechen. Unsere Eltern und Freunde machen sich immer Sorgen, wenn wir im Gefängnis sitzen. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir werden mit unseren Aktionen deshalb nicht aufhören!

Bekommt ihr auch Ärger an euren Unis oder im Job?
Manchmal schon. Ich habe zum Beispiel Journalismus studiert und anschließend in der Pressestelle der Stadtverwaltung ­gearbeitet. Nachdem ich bei einer Aktion von Femen mitgemacht hatte, wurde ich entlassen. Seitdem bin ich quasi haupt­beruf­lich Organisatorin bei Femen, zusammen mit Anna und Sascha.

Und die anderen Femen?
Einige studieren, andere sind berufstätig. Manche haben auch einen Ehemann und Kinder. Unser ältestes Mitglied ist 63, sie ist die Mutter einer unserer Aktivistinnen. Und sie macht auch bei unseren Performances mit – oben ohne!

Gibt es auch Männer, die euch unterstützen?
Ja, es gibt Freunde, die uns bei unseren Aktionen helfen. Zum Beispiel, indem sie versuchen, die Polizei von uns wegzuhalten. Es ist wichtig, dass Männer den Kampf für Frauenrechte unterstützen. Solche Männer mögen wir!

Andererseits gibt es auch Feministinnen, die kritisieren, dass ihr euch auszieht. Was antwortet ihr denen?
Der Vorwurf ist ja immer, dass man angeblich nicht nackt gegen Prostitution protestieren kann, weil wir uns damit selber zum Objekt machen. Ja, wir präsentieren uns wie Prostituierte, aber wir prangern damit Prostitution als Problem an, als eine Krankheit der Gesellschaft, gegen die wir kämpfen.

Welche Rolle spielen westliche Männer bei der Prostitution in der Ukraine?
Eine gewaltige, denn die bringen die Devisen. Unsere Regierung fördert die Prostitution regelrecht. Sie haben erkannt, dass das ein riesiger Markt ist und dass Touristen diejenigen sind, die das Geld in diesen Markt pumpen. Obwohl Prostitution in der Ukraine offiziell verboten ist, machen immer mehr „Nachtclubs“ und „Massage­salons“ auf. Und weil die Frauen in der Ukraine sehr unemanzipiert sind und nichts über Frauenrechte wissen, kann man ihnen leicht erzählen, dass ihr Platz in der Küche ist – oder im Bordell. Pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft 2012 will die Re­gierung Prostitution übrigens legalisieren. Aber wir sagen: Wie kann es rechtens sein, einen Körper zu kaufen? Frauen sind keine Ware. Man kann sie doch nicht kaufen oder verkaufen wie ein Brot oder ein Bier!

Tut eigentlich die deutsche Botschaft etwas gegen Freiertum und Frauenhandel durch ihre Staatsbürger?
Wir müssen leider sagen, dass weder unsere Regierung noch die Botschaften etwas unternehmen. Sie werden zwar in jedem Interview erzählen, wie schlimm das Problem ist und dass sie alles tun, um den Sextourismus zu stoppen. Aber es passiert nichts.

Und was können wir Frauen im Westen tun, um euch zu unterstützen?
Wir wollen den Frauen in aller Welt sagen: Geht auf die Straße und erklärt, dass ihr keine Ware seid! Geht mit uns auf die Straße, protestiert mit uns und lasst uns den Laden aufmischen!

EMMA würde euch gern nach Deutschland einladen. Für eine EMMA/Femen-Aktion gegen Prostitution und Pornografie. Habt ihr Lust?
Ja, natürlich!

Na dann: Auf bald!

 

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