Prostitutionsdebatte bei Jauch
Cathrin Schauer ließ keinen Zweifel daran, dass das, was elf Millionen ZuschauerInnen da gerade im „Tatort“ gesehen hatten, „sehr realistisch“ ist. Sie kennt sie, die Mädchen, die von ihren Zuhältern an „Partys für Reiche“ vermietet werden und dort alle „Wünsche“ erfüllen müssen. „Je zahlungskräftiger, desto perverser.“ Seit Gründung der Beratungsstelle KARO an der deutsch-tschechischen Grenze im Jahr 1996 haben Schauer und ihre Kolleginnen über 500 Mädchen und Frauen aus den Fängen von Zuhältern und Menschenhändlern befreit. Die Freier: überwiegend Deutsche. „Es muss ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden“, erklärte Schauer. „Prostitution darf nicht mehr selbstverständlich sein.“ Cathrin Schauer machte den Auftakt bei Günther Jauch, der nach dem „Tatort“ fragte: „Tatort Rotlichtmilieu - Wie brutal ist das Geschäft mit dem Sex?“ Christian Zahel vom LKA Hannover gab eine eindeutige Antwort: „85 bis 90 Prozent der Frauen arbeiten unter Zwang. Wer ins Bordell geht, finanziert die Organisierte Kriminalität.“ Gemeinsam mit Alice Schwarzer forderte Zahel „eine gesellschaftliche Ächtung der Prostitution“.
"Wer ins Bordell geht, finanziert Organisierte Kriminalität!"
Das sahen die zwei anderen MitdiskutantInnen anders: Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen, und Jürgen Rudloff, Bordellbesitzer. Der Stuttgarter „Unternehmer“ Rudloff, der mit mehreren Bordellen Millionenumsätze macht, pries sein Geschäftsmodell, Freiern und Prostituierten den „perfekten Baukörper“ zur Verfügung zu stellen und von beiden Eintritt dafür zu kassieren. Keine Frau arbeite bei ihm unter Zwang. Auf die Frage des Kriminalers Zahel, wie er denn kontrollieren könne, woher die Frauen kommen und ob sie jemand unter Druck setze und abkassiere, gab Rudloff unumwunden zu: „Des isch ein Punkt, wo mer überhaupt nicht überprüfen kann.“
Alice Schwarzer warf dem Bordellier, in dessen „Paradise“ überwiegend die bitterarmen Rumäninnen und Bulgarinnen arbeiten, vor: „Sie sind das letzte Glied in einer langen Kette von Verbrechen. Es gibt Länder in Europa, da würden Sie bestraft für das, was Sie tun. Sie können sich bei Frau Künast bedanken, dass Sie in Deutschland ungestraft bleiben.“
Seit zehn Jahren ist das rot-grüne Prostitutionsgesetz nunmehr in Kraft. Wie sich das Prostitutionsmilieu in dieser Zeit verändert hat, beschrieb Kriminalist Zahel. Punkt Nummer eins: „Wir haben sehr viel mehr Bordellbetriebe.“ Punkt Nummer zwei: „Kriminelle wie die Hells Angels oder die Bandidos nutzen die Möglichkeit, dass dort Millionen verdient werden können.“ Gleichzeitig aber seien der Polizei die Hände gebunden. „Wir dürfen nur einschreiten, wenn es den Verdacht auf Straftaten gibt.“ Besonders problematisch sei das bei den vielen, sehr schwer kontrollierbaren Wohnungsbordellen. „Wenn der Zuhälter sagt: ‚Ihr kommt hier nicht rein!’ dann kommen wir da nicht rein.“ Und Punkt Nummer drei: „Den Frauen geht es schlechter als vorher.“
Wo Prostitution legal ist, explodiert der Menschenhandel
Doch Renate Künast, als grüne Spitzenpolitikerin maßgeblich mitverantwortlich für das Prostitutionsgesetz von 2002, sah erstaunlicherweise dennoch „keinen Zusammenhang zwischen dem Gesetz und dem Menschenhandel“. Für all die Frauen, die sich unter Zwang prostituierten, sei das Gesetz schließlich auch gar nicht gemacht. „Es entfaltet nur für eine kleine, ganz begrenzte Gruppe seine Wirkung“. Diese Gruppe ist in der Tat winzig, denn die Zahl der Prostituierten, die die Möglichkeit nutzen, sich kranken- oder rentenversichern zu lassen, tendiert gegen null.
Der Schaden aber ist immens: Wo Prostitution legal ist, explodiert der Menschenhandel. Das stellte gerade eine aktuelle Studie im Auftrag der Europäischen Kommission fest, die Alice Schwarzer zitierte. Sie folgerte: „Der Markt lässt sich nur über die Nachfrage stoppen!“ Der erste Schritt dahin sei deshalb „ein gesellschaftliches Klima, in dem Prostitution geächtet wird – nicht die Prostituierten.“ Es müsse aufhören, dass „Männern glauben gemacht wird, es wäre total cool und selbstverständlich, sich eine Frau zu kaufen.“
Bis es soweit ist, müssten zumindest rechtliche Schritte eingeleitet werden. So forderte Kommissar Zahel eine Anhebung des Schutzalters für Prostitution auf 21 Jahre. Außerdem müssten die Zutrittsrechte der Polizei zu den Bordellen verbessert werden. „Es liegt jetzt in den Händen der Justizministerin, die die Maßnahmen nicht vollzieht, die dringend geboten wären“, klagte Zahel. Die Ministerin, erklärte Günther Jauch zum Abschluss der Sendung, sei selbstverständlich in die Sendung eingeladen gewesen. Doch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zog es vor, nicht zu erscheinen. Sie wird Gründe haben.
Ein deutliches Signal für das Umdenken in Sachen Prostitution
Übrigens: Eine im Auftrag von Jauch erstellte Umfrage von Infratest ergab, dass 80 Prozent der Männer und 76 Prozent der Frauen auf die Frage „Soll Prostitution verboten werden?“ mit „Nein“ antworteten. Immerhin ist also, trotz der nunmehr zehnjährigen Pro-Prostitutions-Propaganda, jeder fünfte Mann und jede vierte Frau für ein solches Verbot.
Eins ist klar: Dieser Abend war ein deutliches Signal für das Umdenken in Sachen Prostitution, das endlich auch in Deutschland beginnt. EMMA bleibt dran. In der aktuellen Ausgabe berichtet in Folge 2 unserer Anti-Prostitutions-Kampagne u.a. eine EMMA-Reporterin über ihre „Bewerbung“ im Kölner Bordell „Pascha“. Die Kampagne geht weiter, das ganze Jahr 2013 über. Wir sind optimistisch: Gerade kommt etwas in Bewegung.
EMMAonline, 17.12.2012
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