Geheimwaffe Gertrud: Bis einer heult:
Rund 100 Tage vor der Bundestagswahl gilt eines mit Sicherheit: Peer Steinbrück ist für Überraschungen gut, meistens sind sie böse. An diesem Wochenende – die Umfragewerte des Kanzlerkandidaten sind auf dem Tiefpunkt, der unschöne Schlagabtausch mit Parteichef Sigmar Gabriel hallt auch nach – wartete die SPD zum Parteikonvent mit einer Idee auf, die erst mal wie eine schlappe Wahlkampfstrategie wirkte. Und dann eine überraschende Wende nahm: ein Podiumsgespräch mit Ehefrau Gertrud. Die ihren Mann zu Tränen rührte.
Über die Gymnasiallehrerin und Mutter dreier Kinder wussten wir bisher vor allem, dass sie von der Kanzlerkandidatur ihres Mannes aus der Presse erfahren hat. Und dass sie „im Wahlkampf kaum in Erscheinung treten wird“ (Steinbrück in der FAS). Nun aber: Gertrud, die Peer in Sachen Schnodderschnauze in nichts nachsteht, stellte sich auf einem Podium den Fragen der WDR-Moderatorin Bettina Böttinger. Punktete mit Sätzen wie „Herr Sauer ist ja auch keine Landesmutter!“ (auf die Frage, ob sie eine werden möchte); oder: „Soll ich jetzt zu Hause sitzen und überlegen, ob meine Garderobe zum Job von ihm passt?“ (auf die Frage, warum sie direkt nach Verkündung der Kandidatur ihres Mannes auf Klassenfahrt gefahren ist) in 60 Minuten so oft beim Publikum, wie Steinbrück in sechs Monaten nicht. Und provozierte en passant die emotionale Regung, die dem polternden SPD-Politiker bislang in Eigenregie einfach nicht gelingen wollte: Sie rührt ihn zu Tränen.
Denn Gertrud Steinbrück befand, dass Folgendes zum „Shitstorm“ auf ihren Mann endlich mal gesagt werden müsse: „Uns ging es vorher richtig gut. Wir hatten Freiheiten, wir hatten Freizeit, wir konnten Scrabble spielen, wann wir wollten. Und wenn jemand diese ganze Sahnehaube aufgibt, dann muss der doch ne Aussage haben, dann muss der doch wirklich was wollen. Und das ärgert mich, wenn das nicht rauskommt!“
Warum er sich das alles denn antue, wollte Böttinger daraufhin von Steinbrück wissen. Der antwortete nicht, sondern unterdrückt ein Schluchzen, schob die Hand seiner Frau beiseite, schaute betreten auf den Boden und rang um Worte. Standing Ovations im Berliner Tempodrom. So viel Gefühl, dass hätte es bei Alpha-Männern wir Gerhard Schröder nicht gegeben. Undenkbar: Angela Merkel, die bei dem ganzen Finanzkrisen-Stress öffentlich ein Tränchen verdrückt.
Was halten wir von dem schluchzenden Kanzlerkandidaten? Ist es ein positives Signal, dass ein Politiker öffentlich Schwäche zeigt? Oder bemitleidet sich Steinbrück einfach nur selbst? Oder ganz anders: Wäre Gertrud Steinbrück vielleicht die bessere Kanzlerkandidatin? - Was sagt ihr dazu?
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Video der Podiumsdiskussion