Frauenkörper - neu gesehen
Die Klitoris wird immer noch gern geheimnisvoll und unbeschreiblich weiblich als „unbekannte Schöne“ bezeichnet. Ernsthaftes Reden über Sexualität (so wird gesagt) oder eine offene, freie Sexualität würde den Zauber der Erotik zerstören und die bewusst gezogenen Grenzen zwischen Heiliger und Hure verwischen. Hinter diesen Vorstellungen stecken männliche und patriarchale Denkweisen und Vorrechte, die tiefe Angst vor der weiblichen Potenz und das Bedürfnis nach kontrollierbarer Sexualität offenbaren. Das war nicht immer so.
Jahrtausendelang wurden zumindest die Sexualorgane von Frauen und Männern als gleichwertig angesehen. Erst im Zeitalter der Aufklärung und mit der Etablierung der Wissenschaften wurde das Wissen über die Klitoris zunehmend unterdrückt. Diese wurde von einem ausgedehnten Komplex auf einen kleinen sensiblen Punkt reduziert, die weibliche Prostata zum überflüssigen Organ deklariert. Zunehmend wurden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern betont, der weibliche Körper und das Begehren als sexuell minderwertig konstruiert. Freud sei Dank hielt sich diese Annahme bis ins 20. Jahrhundert. Zur gleichen Zeit fingen Frauen an, politische Rechte einzufordern.
„An der Re/Präsentation der Vulva wurde der Kampf um die Definitionsgewalt über den weiblichen Körper ausgetragen“, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Mithu M. Sanyal in „Vulva. Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts“. In ihrer Kulturgeschichte des Abendlandes zeigt sie die gewaltigen Anstrengungen auf, mit der die Vulva als heiliger und heilender Ort diffamiert und verleugnet wurde, um sie dann als nicht mehr der Rede wert aus dem Vokabular zu streichen. Was nicht benannt ist, existiert nicht. So fehlen uns kraftvolle Bezeichnungen für die weiblichen Genitalien oder Teile derselben. Umgekehrt gibt es moralisch gefärbte Worte, zum Beispiel für ein oftmals nicht existierendes Häutchen, das Hymen. Über dieses „Jungfernhäutchen“ werden kulturelle Normen der „Unbeflecktheit“ gesetzt, die Frauen gar nicht einhalten können und dann entsprechend verurteilt werden. Existierende Bezeichnungen sind falsch oder nach männlichen Personen benannt, die sie angeblich entdeckt haben.
Es scheint tatsächlich, als wurde bewusst Verwirrung geschaffen, klare Definitionen vermieden und ein eindeutiger sprachlicher Umgang für eine weibliche sexuelle Identität verhindert: Vulva, Vagina, Klitoris werden oft verwechselt, umgangssprachliche Wörter wie Muschi, Mumu, Möse oder Pussy sehr unterschiedlich bewertet und benutzt. Offiziell wird Vulva für das Äußere und Vagina für das Innere verwendet, die Klitoris meist mit der Perle identifiziert.