Ask Alice: Als Escort-Dame arbeiten?
Liebe Claudelia,
ich danke dir für dein Vertrauen. Ich gehe davon aus, dass du wirklich noch zweifelst. Deinen Konflikt verstehe ich - aber ich rate dir ab. Dringend. Denn der Punkt ist doch der: Jetzt denkst du, du steckst es weg. Aber das stimmt nicht. Es schleicht sich unter deine Haut und in deine Fantasie. Und dann kannst du es nicht mehr rückgängig machen.
Du sagst, du hast mit 22 schon mal "so gejobbt". Wie lange? Und unter welchen Umständen? Ich habe vor einigen Monaten mit Marie gesprochen, die in einer ganz ähnlichen Situation war wie du. Erwachsen, ihrer Sache sicher, in Geldnot. Sie hat auch ähnliche Summen wie du kassiert. Aber dennoch sagt sie heute, nach drei Jahren in der Edelprostitution: Es hat mich kaputtgemacht; und mein Verhältnis zu Männern endgültig verdüstert; ich gucke mir jeden an und frage mich: Ist der auch ein Freier? (Das Gespräch steht online und ist in dem Buch, das ich herausgebracht habe "Prostitution - ein deutscher Skandal").
Ich habe in meinem Leben schon mit sehr, sehr vielen Prostituierten gesprochen. Auch mit privilegierten, "selbstbestimmten" Prostituierten - wie die zu Lebzeiten berühmte Domenica, die legendäre Domina in der Herbertstraße. Natürlich hat sie sich nach außen nichts anmerken lassen - aber unter vier Augen... (auch das Gespräch steht in Auszügen online und im Buch). Sie war tief verletzt, hat später als Streetworkerin gearbeitet ("Um die jungen Dinger von der Straße zu holen") und ist nicht zufällig so früh gestorben.
Vielleicht solltest du eher überlegen, wofür ihr das Geld braucht, wo ihr sparen könntet. Und deine Energie in Fortbildung investieren, du bist ja noch jung. Auch stellt sich natürlich die Frage: Wie könnte dein Mann stärker zum gemeinsamen Einkommen beitragen? Übrigens: Macht ihm das gar nichts aus, wenn du dich prostituierst?
In der Hoffnung, dass du die für dich richtige Entscheidung triffst und mit herzlichen Grüßen
Alice Schwarzer