One Billion Rising gegen Gewalt
Am 14. Februar, war es zum zweiten Mal soweit: One Billion Rising. Eine Milliarde Frauen sollten sich erheben. Wie viele es tatsächlich gewesen sind, ist schwer zu schätzen. Die Resonanz war nicht so groß wie im vergangenen Jahr, als der Tanztag Premiere hatte. Aber die Bilder aus San Francisco, Lima oder Budapest zeigen: Es waren eine Menge. Auch in Deutschland tanzten die Frauen. Vielerorts trotz Regen.
Denn: Wir sprechen ja auch vierzig Jahre nach dem Start der Frauenbewegung immer wieder von einer „rechtlichen Grauzone“, wenn es um sexuelle Belästigung, sexuelle Übergriffe oder Vergewaltigung geht. Was ein Euphemismus ist für: Es ist bei aktueller Gesetzeslage auch in Deutschland für Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, schwer, zu ihrem Recht zu kommen. Nur jede siebte Anzeige endet mit einer Verurteilung des Täters. Der Löwenanteil der Anzeigen landet gar nicht erst vor Gericht: Rund drei Viertel der Vergewaltigungs-Verfahren werden von den Staatsanwaltschaften eingestellt, knapp die Hälfte davon nach Aktenlage, sprich: ohne dass die Frau überhaupt angehört wurde.
Also los, wir tanzen vor: Gerichten, Polizeistationen, Regierungssitzen – überall da, wo die Entscheider sitzen, die ja (fast) alle Männer sind.
Eve Ensler, die sich das alles ausgedacht hat, wurde weltweit bekannt mit den Vagina Monologen, seither engagiert sie sich für Frauenrechte und gegen sexuelle Gewalt. Den Entschluss für die Aktion fasste sie nach einer Kongo-Reise. Dort hat sie mehrfach Krankenhäuser und Traumazentren für Frauen besucht. Traumatisiert von systematischer Vergewaltigung und Misshandlung, die gezielt zur Destabilisierung des Landes eingesetzt werden. Größer kann das Grauen nicht sein. „Ich komme gerade aus der Hölle“, schrieb sie 2010 in EMMA. Um dieses Grauen kennen zu lernen, musste Ensler allerdings nicht bis nach Zentralafrika reisen: Sie ist selbst als Mädchen von ihrem Vater vergewaltigt worden.
„Wir sollten hysterisch werden wegen der sexuellen Gewalt“, hat sie unlängst dem Guardian erklärt. Hysterisch, weil sich die Situation nicht verbessert, sondern verschlimmert hat. Die Medien sind voll von Berechnungen wie: „In Indien wird alle 20 Sekunden eine Frau vergewaltigt“. Oder: „In Deutschland wird alle drei Minuten eine Frau vergewaltigt“. Das sind alles Schätzungen, die letzte umfassende Studie aus Deutschland ist mittlerweile fast zehn Jahre alt, und das erzählt schon Bände. Seitdem wissen wir: Jede vierte Frau wird Opfer von sexistischen Übergriffen, jede siebte wird vergewaltigt. Tatsache ist: Es werden viel zu viele Frauen vergewaltigt, auf der ganze Welt. Die sexuelle Gewalt gegen Frauen ist universal, es kann jede von uns treffen. Und deshalb gibt es One Billion Rising. Damit wir gemeinsam aufstehen.
Nur: Was ist morgen, wenn der Event vorbei ist? Am besten: Musik laufen lassen und weitertanzen. Und am nächsten Tag dann noch ein bisschen lauter drehen. Und überübermorgen noch lauter. Bis alle Ohrenschmerzen haben. Und dann sagen: Ich schalte das erst aus, wenn sich etwas geändert hat.