Sonya Kraus zur WM: Ich bin genervt!

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"Ball“, das war sein erstes Wort. Mein Sohn war noch kein Jahr alt, als er sein Lieblingsspielzeug glücklich schwenkend, laut und deutlich, genau dieses eine Wort artikulierte.

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„Mama“ war vergleichsweise unwichtig und wurde dementsprechend erstmals zwei Wochen später ausgesprochen. Augenzwinkernd schob ich die Ballmanie meines Sprösslings auf den Zeitpunkt seiner Geburt – das WM-Finale 2010.

Tja … ziemlich exakt zwei Jahre später durfte ich mich jedoch über ein Déja-vu freuen. Knirps Nummer 2 verkündete stolz, worum sich das Männer-Universum dreht: „Ball“. Da war’s wieder, dieses erste verdammte Wort!

Was tun als Fußball-hassende Jungs-Muddi?

Um nicht falsch verstanden zu werden: Das Spielzeug an sich finde ich als Hand-, Volley- oder Basketball durchaus spaßig. Nur König Fußball mit diesem ganzen hypermännlichen Buhei geht mir gehörig auf die Eierstöcke!

Und was tut man also als Fußball-hassende Jungs-Muddi? Frau sitzt sonntags am Spielfeldrand beim Training der Drei- bis Vierjährigen und bestaunt sprachlos die Väter der Knirpse – allesamt kompetente Co-Trainer mit starkem Hang zur Cholerik.

„Schorsch! Uffwache! Dess is’ hier kei Kaffee-Kränzsche …“ ist noch einer der pädagogisch wertvollsten Anweisungen, die dort mit 150 Dezibel auf den Platz ­gebrüllt werden. Immerhin: In der Liga der Kindergarten-Kicker gab’s bislang noch keine Schlägerei. Eine Tatsache, die ich bei den Testosteron-schwangeren Temperamentsausbrüchen der Erwach­senen hier durchaus positiv vermerken möchte!

Und wenn die kleine Liv, das einzige Mädchen, den 24 Jungs den Ball abluchst, steht fest: „Dess wird en Mannweib!“ Klar, denn nur echte oder fast echte Kerle können kicken …

Wenn ich mir die angespannten Papas so anschaue, dann muss diese Götzenliebe zum rollendem Spielzeug, auf das Mann so hemmungslos und mit voller Wucht eintreten kann, irgendwie doch mit dem verkrüppelten Y-Chromosom zu tun haben. Ist dieses kullernde Ding, dem man wie irre nachjagt, möglicherweise so etwas wie ein Ersatz für Säbelzahntiger, Mammut & Co? Evolutionär gesehen sind wir ja doch gerade erst vom Baum gefallen.

XYZ pisst in die Hotel-Lobby? Weltbewegend!

Der kleine Gendefekt wäre zu entschuldigen, möglicherweise sogar zu ­ertragen, stünden wir nicht am Anfang der ­grölenden Fußball-Weltmeisterschaft. Wo frau hinguckt, strahlen uns die strammen Jungs der Nationalmannschaft entgegen. Und sie ballern nicht nur, sie wollen uns auch Chips, Brotaufstrich und Autos ­verkaufen. Nur eine Noro-Virus-Epidemie fände ich annähernd ähnlich beschissen. 

Mein Glück: Brasilien! Gekickt wird, wenn wir hier schlafen (sollten)! Zuvor wurde ernsthaft diskutiert, ob Arbeits­anfangszeiten in Läden und Büros deshalb verschoben werden müssen. Geht’s noch?

Religiöse Irre entführen hunderte Schulmädchen … Egal. XYZ pisst in die Hotel-Lobby! Jogi hat den Lappen weg! Unser Torwart hat immer noch Aua am Arm! WOW! Weltbewegend! Ich bin genervt.                

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Sauer auf den Vater meiner Kinder!

Sonya Kraus mit ihrem Jüngsten.
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Es ist 2:30 Uhr, und ich liege im Bett – immerhin in meinem! Verbringe ich doch seit der Geburt meines ersten Kindes mindestens die Hälfte der Nächte auf dem Fußboden neben dem Gitterbett liegend, notdürftig gebettet auf einer Kindermatratze. Gerade wurde ich wieder im Kommando-Ton zum „Mann“ meiner schlaflosen Nächte zitiert, da ihn nach Gesellschaft gelüstete. Es wird nicht der letzte Besuch für heute Nacht im Kinderzimmer gewesen sein.

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Gut, einem knapp Dreijährigen verzeiht man eben so einiges, dem großen, selig schnarchendem Typen auf der anderen Bettseite allerdings nicht.

Auch morgen früh wird „der Mann an meiner Seite“ wieder gut ausgeschlafen behaupten: „Aber heute Nacht hat er doch nicht geschrieen …“ Und ich werde nur mit einem müden verächtlichen Blick reagieren. Zu mehr fehlt mir die Kraft, obwohl ich am liebsten – ohne viele Worte – mein spitzes Knie in seine empfindlichsten Körperpartien rammen würde. Tja, Schlafentzug macht reizbar und wird auch als Foltermethode eingesetzt, nur können Mamas sich nicht an Amnesty International wenden.

Ist es genetisch bedingt, dass mein Kerl komatös den Tiefschlaf genießt, schreie, wer da wolle? Wie kommt es, dass es selbstverständlich ist, dass ich die Nachtschicht übernehme? Und den Großteil der Tagschicht natürlich ebenfalls! Mama kauft ein, Mama besorgt neue Klamotten, Mama erledigt die Arztbesuche, Mama spielt, räumt hinterher, wäscht Wäscheberge und macht nebenher noch auf Hausmeisterin Krause.

Tja, wie war ich doch stolz auf mein handwerkliches Know-How, das mir immer ein Gefühl der Selbstständigkeit gegeben hatte. Nach dem Motto: „Danke, ich brauche keine männliche Hilfe. Ich kann das selbst!“ Mein Heimwerker-Hobby fliegt mir jetzt wie ein Bumerang um die Ohren, denn ich darf mich neben den traditionellen Frauenaufgaben auch noch um die typischen Männerdomänen kümmern: Möbel aufbauen, Bilder montieren, Lampen aufhängen, Autos warten und Handwerker koordinieren – einfach alles bleibt an mir hänge.

Selbst im letzten Punkt habe ich, alte Küchendienst-Verweigererin, klein beigegeben: Seit der Nachwuchs da ist, zaubert Muddi um Punkt sieben das Abendessen auf den Tisch. Habe ich schon erwähnt, dass ich Kochen hasse? Als Heimchen am Herd fühle ich mich so glücklich wie ein Tiger im Käfig, aber die Zeiten von Fast Food, Restaurantbesuchen und entspannendem Homeservice sind nun mal vorbei mit Kids.

Ach, ich vergaß! Da ist ja noch dieser kleine Nebenjob, dem ich in meinem früheren Leben all meine Energie gewidmet hatte … Ohne die Hilfe von Omas und AuPair-Mädchen könnte ich den als Mama glatt an den Nagel hängen. Wenn ich heute arbeiten gehe, fühlt es sich wie Urlaub an!

Meine ganze Ehrfurcht gilt alleinerziehenden Frauen, die ohne jegliche Unterstützung Job und Kinder wuppen und dabei zwangsläufig selbstlos völlig zurückstecken. Ich verneige mich vor ihnen, denn nur wer tatsächlich den Wahnsinn mit kleinen Kindern selbst erlebt hat, kann nachvollziehen, was an dieser Front geleistet wird. Diese Ladys haben leider keine Lobby.

Auch wenn ich gelegentlich bereue, damals nicht bei Google „anonymer Samenspender“ eingegeben zu haben, bin ich ­dennoch froh über die immerhin psychologische Unterstützung meines Mannes. Und um fair zu bleiben: Er zahlt zumindest unsere Putzfrau! Ihn umerziehen? Ich hab’s versucht, eine Million mal. Der männliche Erziehungsberechtigte widersetzt sich stoisch den drastischsten Erziehungsmaßnahmen. Mittlerweile fehlt mir die Kraft für den Kriegsschauplatz Haushalt.

Wer ist schuld? Mein Show-Macho? Wohl ein bisschen auch seine Mutter. Aber durchaus auch ich, denn ich hab ihn mir ja ausgesucht!

Genug gejammert. Ich weiß, ich bin mit zwei gesunden Kindern ein Glückspilz und absolut privilegiert, aber trotzdem oft am Verzweifeln. Wenn der Mann an meiner Seite sich beschwingt ins Büro verabschiedet, das zahnende Baby sich schreiend an mich klammert – während meine „U have to do“-Liste die Länge einer Klopapierrolle erreicht –, dann frage ich mich trotzdem: Wo ist sie eigentlich geblieben, die Gleichberechtigung? Sie muss ­irgend­wo mit dem Inhalt des Windeleimers im Restmüll gelandet sein.

Das Erschreckende, egal, welche taffe Power-Mutti ich frage: Den emanzipierten Mann, der alltägliche Pflichten und Mühen mit seiner Partnerin fair teilt, den gibt es anscheinend so häufig wie mono­game Menschenaffen. Traurig, aber wahr! Und, abseits von Kindergeld und Herdprämie, vermutlich der wahre Grund, warum viele Frauen sich gegen Kinder entscheiden.

Die Autorin ist TV-Moderatorin und ­Buchautorin. Zuletzt veröffentlichte sie: Baustelle Baby (Lübbe). 

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