Teresa: Die Emanze vor dem Herrn
Meine Lieblingsheilige ist Theresia von Avila. Diese spanische Karmelitin und Mystikerin aus dem 16. Jahrhundert ist mein großes Vorbild. Sie ging ins Kloster, um frei zu sein. Zu ihrer Zeit durften Ehefrauen nichts selbst entscheiden, und sie wollte sich nicht der Verfügungsgewalt eines Ehemanns unterwerfen.
In einer Zeit, als nur Männer das Wort Gottes interpretieren und verbreiten durften, nahm sie für sich in Anspruch, dass Gott zu ihr ganz persönlich durch Visionen spricht. Sie hatte diese falsche Demut nicht, diese unfreiwillige Bescheidenheit, zu der Mädchen damals erzogen wurden.
Sie war selbstbewusst und eitel. Das hat mir immer sehr imponiert. Als ihr das Porträt nicht gefiel, das ein Maler von ihr angefertigt hatte, sagte sie sinngemäß zu ihm: „Ich bitte Gott um Verzeihung für dich, weil du ihn beleidigt hast. Gott hat mich schön geschaffen, und du hast mich hässlich gemalt.“
Sie war fromm mit einem guten Hausverstand, aber sie mochte das Frömmelnde nicht. Einem übertrieben frommen Berater hätte sie immer einen intelligenten vorgezogen. Auch überzogene Vorstellungen von Askese waren ihr ein Gräuel. Darum wird ihr Satz „Wenn fasten, dann fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“ zugeschrieben. Sie konnte offensichtlich genießen und wusste gutes Essen zu schätzen.
Sie ist viel gereist und hat über 30 Reformklöster gegründet. 1970 ernannte Papst Paul VI. sie und Katharina von Siena zu Kirchenlehrerinnen – die ersten weiblichen Kirchenlehrer überhaupt. Sie ist einfach eine ungewöhnliche Frau, eine Ausnahmeerscheinung in der Kirchengeschichte, aber auch in der Geschichte der Frauen.
Das alles macht die heilige Theresia, die zu Recht den Beinamen „die Große“ trägt, so anziehend für mich. Früher wie heute.
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