Endlich: Betreuungsgeld gekippt!
Es ist nicht wirklich eine Überraschung, dass die VerfassungsrichterInnen heute das Betreuungsgeld gekippt haben. Ihre Begründung ist nicht inhaltlicher, sondern rein formaler Natur: Der Bund habe das Betreuungsgeld gar nicht einführen dürfen, argumentierten die RichterInnen in den roten Roben. Denn Betreuungsgeld ist Ländersache. Was heißt: In Bayern wird es weitergezahlt werden, solange Patriarch Seehofer das Sagen hat.
Alle befürchteten Folgen traten prompt ein
Die 150 Euro Betreuungsgeld wurden seit 1. August 2013 im Anschluss an das Elterngeld vom 15. bis zum 36. Lebensmonat eines Kindes gezahlt. 150 Euro für jede Mutter, die zu Hause blieb. Die Familien wurden also auch noch dafür belohnt, wenn die das Kind in den ersten drei Lebensjahren, wo vielfältige Impulse besonders wichtig sind, zu Hause halten.
Was vorauszusehen war, passierte: Vor allem sogenannte „bildungsferne“ Familien und solche mit Migrationshintergrund nahmen das Betreuungsgeld in Anspruch. So wurde es für so manchen Ehemann ein Argument dafür, dass seine Frau nicht berufstätig ist.
Das Betreuungsgeld war bis zu seiner Verabschiedung im November 2011 heiß umkämpft gewesen. Denn bis auf Horst Seehofer hatte die Kita-Fernhalteprämie eigentlich niemand gewollt. Die Grünen und Linke sowieso nicht. Die SPD nicht (auch wenn sie in der Großen Koalition noch zugestimmt hatte) und auch die FDP nicht. Der liberale Koalitionspartner verschacherte seine Zustimmung zur „Herdprämie“ allerdings schließlich gegen die Zustimmung der CSU zur Abschaffung der Praxisgebühr.
Doch auch in der Union selbst hatte sich heftiger Widerstand geregt. So widersetzte sich die Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter Führung ihrer Sprecherin Rita Pawelski dem Druck aus Bayern. „Ich gehöre einer christlichen Partei an – ich glaube noch an Wunder“ hatte Pawelski erklärt, nachdem das Betreuungsgeld vom Kabinett verabschiedet worden war. Das Wunder ereignete sich am 15. Juni 2012. Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundestages scheiterte die Verabschiedung eines Gesetzes an der Abwesenheit zu vieler Abgeordneter. 190 Abgeordnete der Opposition fehlten bei der Abstimmung – aber auch 126 der schwarz-gelben Koalitionäre. Der Bundestag war nicht beschlussfähig. Horst Seehofer schäumte. Nach der Sommerpause wurde das Gesetz schließlich doch noch verabschiedet.
Aber solange Patriarch Seehofer das Sagen hat ...
Ein Jahr nach Inkrafttreten des Betreuungsgeldes bestätigten sich die Prophezeiungen. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts stellte fest: Jede dritte Familie, in der die Eltern ohne Schulabschluss waren, gab das Betreuungsgeld als Grund dafür an, das Kind nicht in die Kita zu schicken – aber nur jede zwölfte, in denen die Eltern einen Hochschulabschluss hatten. Von allen Kindern, deren Eltern (bzw. zu 95 Prozent: Mütter) Betreuungsgeld bezogen, haben 14 Prozent einen Migrationshintergrund – doppelt so viele, wie es dem MigrantInnenanteil an der Bevölkerung entspricht. Im Klartext: Genau die Kinder, die eine (Sprach)Förderung in der Kita besonders nötig hätten, wurden staatlich gefördert von ihr ferngehalten.
Nun, nach dem Urteil aus Karlsruhe, schäumt Horst Seehofer mal wieder. Der bayerische Ministerpräsident hat bereits angekündigt, dass das Betreuungsgeld in Bayern weitergezahlt wird. Die andere Bundesländer werden die Milliarden aus dem Hause Schwesig hoffentlich für das einzig Sinnvolle nutzen: den Ausbau der Kinderbetreuung.