Spanien contra „Macho-Terrorismus“!

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Die spanischen Medien sprechen von einem „historischen Ereignis“ – und das zu Recht. An diesem Samstag marschierten eine halbe Million Spanierinnen und Spanier in Madrid vom Paseo del Prado bis zum Plaza de España. „Stoppt den Femizid!“, forderten sie. „Stoppt die Frauenmorde!“ Ein Bündnis aus spanischen Frauenrechtsorganisationen hatte zu der Demonstration aufgerufen.

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Alleine in diesem Jahr sind in Spanien 70 Frauen von (ihren) Männern ermordet worden, erklärten die schon im Vorfeld der Demo in einem "Manifest". Seit 1995 sind es über 1.300. Und das „ist nur die Spitze des Eisbergs“, schreiben sie weiter. „Wir wollen leben! Basta!“, skandieren die Spanierinnen. Eine Forderung, die so selbstverständlich ist, dass es schmerzt, sie im Jahr 2015 zu lesen. In Deutschland waren im Jahr 2014 übrigens mehr als drei Mal so viele Frauen Opfer von solchen Frauenmorden: 220. Und das sind nur die offiziellen Zahlen aus der Kriminalstatistik.

Rund 400 feministische Organisationen waren aus ganz Spanien angereist. Viele Frauen trugen einen dunkel-violetten Schal oder ein dunkel-violettes T-Shirt als Symbol für ihren feministischen Protest.

Wir dürfen kein einziges Opfer mehr zulassen!

Die Frauenmorde bezeichnen sie als „die schwerwiegendste Verletzung der Menschenrechte aller Frauen“ überhaupt. Es ist die Aufgabe der spanischen Regierung, diese Menschenrechtsverletzung auszumerzen und die Istanbuler Konvention gegen Gewalt gegen Frauen umzusetzen, die Spanien 2014 ratifiziert hat. So lautet die zentrale Forderung der Protestierenden. „Wir dürfen kein einziges Opfer mehr zulassen!“ forderte auch Rednerin Angela Gonzáles auf der Kundgebung in Madrid. Ihre Tochter wurde vom Ehemann getötet.

Am 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen. Bis zum 10. Dezember - dem Tag der Menschenrechte - werden auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz 16 Tage lang Aktionen stattfinden.

Wie viele Menschen werden in Berlin, wie viele in Wien und Bern auf die Straße gehen?

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Çilem Doğan: die türkische Rächerin

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Dieser Blick. Kein bisschen demütig oder gar gebrochen, sondern stolz und klar. So schaut Çilem Doğan in die Kameras, als sie von zwei Polizistinnen abgeführt wird. Die Fotos von der 28-jährigen Türkin aus Adana gehen um die Welt. Eins der Bilder zeigt die Frau, deren Hände mit Handschellen gefesselt sind, mit hochgereckten Daumen. Was ist passiert?

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Çilem Doğan hat gerade ihren Mann erschossen. Nach der Tat hatte sie erklärt: „Warum sollen immer die Frauen sterben? Es ist Zeit, dass auch mal Männer sterben!“ Das finden offenbar auch viele türkische Frauen, die Çilem jetzt als ­Heldin feiern.

"Eine Pistole und sechs Kugeln - und Rache für alle erniedrigten Frauen!"

Der Hashtag #ÇilemDoğan läuft über vor Solidaritätsbekundungen und, ja, Bewunderung: „#ÇilemDoğan ist eine Heldin!!! Meinen Respekt, Mädchen!“ heißt es da. Oder: „Çilem Doğan: Eine Pistole und sechs Kugeln, um alle erniedrigten Frauen zu rächen!“ Oder: „100% einverstanden, nach allem, was du durchmachen musstest. Ich glaube, ich spreche für viele, wenn ich sage: Die Welt steht hinter dir!“

Was hat Çilem durchgemacht? Ihr Ehemann Hasan Karabulut, 33, war Mitte Juli tot in seinem Schlafzimmer gefunden worden. Sechs Kugeln steckten in seinem Körper. Bei ihrer Vernehmung gab Çilem Doğan die Tat sofort zu. Von Anfang an habe ihr Mann sie in der Ehe misshandelt, gab sie zu Protokoll. Mehrfach habe sie die Gewalttaten bei der Polizei anzeigen wollen, aber die habe sie nie ernst genommen. Und das nicht etwa in einem ostanatolischen Dorf, sondern in der südtürkischen Millionenstadt Adana. Am Tag der Tat habe Karabulut sie aufgefordert, ihre Koffer zu packen. Er werde sie nach Antalya bringen, wo sie sich prostituieren sollte. Als Çilem sich weigerte, habe ihr Mann sie wieder geschlagen. Da habe sie die Waffe, die er unter seinem Kopfkissen versteckt hatte, hervorgeholt und ihren Mann erschossen.

„Gut! Ich wünschte, mehr Opfer Häuslicher Gewalt würden so reagieren“, wird die Rächerin auf Twitter bestärkt. „Das wäre vor zehn Jahren noch nicht so gewesen“, weiß die deutsch-türkische Frauenrechtlerin Necla Kelek. „Die Frauen haben es einfach satt!“

Schon im Februar dieses Jahres war eine Frauen-Protestwelle durchs Land geschwappt. Die Studentin Özgecan Aslan war auf dem Nachhauseweg von dem Busfahrer vergewaltigt worden. Als sie sich wehrte, erschlug er sie mit einer Eisenstange. 5000 Frauen marschierten bei Özgecans Beerdigung mit und trugen den Sarg – was traditionell nur Männer tun. Unter dem Hashtag #sendeanlat (Erzähl auch du es!) twittern Türkinnen seither über die alltägliche Gewalt, der sie zu Hause oder auf der Straße ausgesetzt sind.

17 Frauen in der Türkei töteten ihre gewalt-
tätigen Männer.

Eine Petition auf Change.org, die mehr Schutzmaßnahmen und härtere Strafen für Täter fordert, hat inzwischen fast 1,2 Millionen UnterstützerInnen. „Die Türkei ­bewegt sich kein Stück nach vorne, um Femizide zu verhindern – und es wird immer schlimmer“, schreibt Initiatorin Gözde Salur. „Das ist das Resultat einer Politik, die Frauen zunehmend ­abwertet in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.“

Wenige Tage nach dem Mord an ­Özgecan Aslan schnitt Gönal S. im südtürkischen Isparta ihrem Mann Osman die Kehle durch. Auch er war „nach drei Wochen gewalttätig geworden“, erklärte die 49-Jährige. Außerdem habe er sie täglich gezwungen, „abartige Dinge“ aus deutschen Pornofilmen nachzuspielen. An diesem Tag, sagt Gönal S., drückte Osman ihr die Kehle zu. Da griff die Frau zum Küchenmesser.

Wie das „Istanbul feminist Kollektif“ berichtet, haben allein in diesem Jahr 17 Frauen ihre gewalttätigen Männer getötet – und zehnmal so viele Männer ihre Frauen.

Als Çilem Doğan zur Vernehmung geführt wird, trägt sie ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Dear past, thanks for all the lessons. Dear future, I am ready.“ – „Liebe Vergangenheit, danke für all die Lektionen. Liebe Zukunft, ich bin bereit.“

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