Der Fall Pistorius: Es war Mord!

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Für Richter Eric Leach ist der Fall eindeutig. "Es ist unvorstellbar, dass eine rationale Person denken würde, sie sei berechtigt, mit einer schweren Schusswaffe auf die Person hinter der Tür schießen zu dürfen." Die „kriminelle Absicht“ sei eindeutig. Deshalb, so der Richter, solle Oscar Pistorius „nicht wegen fahrlässiger Tötung, sondern wegen Mordes verurteilt werden“.

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Pistorius hatte viermal durch die geschlossene Badezimmertür gefeuert

Dieses Urteil dürfte nicht nur bei der Mutter der ermordeten Reeva Steenkamp für eine gewisse Genugtuung sorgen. Auch südafrikanische Frauenrechtlerinnen werden jubeln. Sie hatten vor einem Jahr vor dem Gericht gegen das fragwürdige erste Urteil protestiert. Richterin Thokozile Masipa hatte den Spitzensportler im Herbst 2014 nur wegen „fahrlässiger Tötung“ verurteilt.

Dabei hatte der als cholerisch bekannte Waffennarr Pistorius viermal durch die geschlossene Badezimmertür gefeuert, ohne sich vorher zu vergewissern, ob seine Freundin sich in dem kleinen Raum befindet. Das tat sie aber, und zwar – mitten in der Nacht – mit ihrem Handy. Wollte sie um Hilfe rufen?

Richterin Masipa hatte dem willensstarken Spitzensportler, der trotz seiner Unterschenkelprothesen bei „normalen“ Wettkämpfen startete, seine Version der Tatnacht abgenommen: 1. Er habe geglaubt, ein Einbrecher sei im Badezimmer. 2. Er habe diesen Einbrecher nicht töten wollen. Das war schwer zu glauben, denn geschossen hatte Pistorius mit Großkaliber, einer Munition, mit dem man in Afrika auf Großwildjagd geht. Sollte er tatsächlich keine „Tötungsabsicht“ gehabt haben?

In Südafrika ist die Gewalt gegen Kinder und Frauen all-
​gegenwärtig

Pistorius bekam fünf Jahre, nach einem Jahr wurde die Haft in Hausarrest umgewandelt, den er in der Villa seines Onkels verbrachte. Nicht nur die Frauen von der ANC Women’s League schäumten. Denn es geht nicht nur um den Fall Pistorius: In Südafrika ist die Gewalt gegen Kinder und Frauen allgegenwärtig, nicht nur in den Townships. Man schätzt, dass jede dritte Frau vergewaltigt wurde, noch bevor sie das 18. Lebensjahr erreicht. Rund 2.500 Frauen werden jedes Jahr ermordet: erschlagen, erwürgt, erschossen. Die Frauenrechtlerinnen fürcheten, dass das milde Urteil die Hemmschwelle in Sachen Gewalt gegen Frauen noch weiter senken würde.

Umso erfreulicher, dass Richter Leach in dem Berufungsverfahren, das Staatsanwalt Gerrie Nel angestrengt hatte, nun zu einem anderen Schluss kam: Es war Mord. Nun drohen Pistorius mindestens 15 Jahre Haft. Das genaue Strafmaß muss noch festgelegt werden, aber schon jetzt geht vom Urteil ein wichtiges Signal aus: Eine getötete Frau ist weder Kollateralschaden noch Kavaliersdelikt. 

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Zu mildes Urteil für Pistorius?

Frauen der ANC Women’s League protestieren auf dem Weg zum Gericht.. - © Getty Images
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Überraschung im Prozess gegen Oscar Pistorius, der seine Freundin, Reeva Steenkamp, in der Nacht zum 14. Februar 2013 erschossen hatte. Die Richterin schloss nicht nur „Mord“, sondern auch „vorsätzliche Tötung“ aus. „Die Fakten reichen nicht aus“, erklärte Thokozile Masipa, „um diese These zu stützen.“ Jetzt hat sie den Paralympics-Star wegen „fahrlässiger Tötung“ verurteilt. Das Strafmaß wird sie erst in einigen Wochen verkünden. Möglich ist alles - von 15 Jahren Haft bis zur Bewährungsstrafe. Ist der Sportheld womöglich schon bald wieder frei?

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Reeva ist eine von 2.500 ge-
töteten Frauen im Jahr

Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten während der Urteilssprechung Frauenrechtlerinnen gegen das milde Urteil. Die Frauenrechtsorganisation ANC Women’s League hatte der Mutter des Opfers, June Steenkamp, auch die Reise zum Prozess finanziert.

In Südafrika ist die Gewalt gegen Kinder und Frauen allgegenwärtig, nicht nur in den Townships. Man schätzt, dass jede dritte Frau vergewaltigt wurde, noch bevor sie das 18. Lebensjahr erreicht. Rund 2.500 Frauen im Jahr werden ermordet: erschlagen, erwürgt, erschossen. Das milde Urteil im Fall Pistorius wird nicht nur nach Befürchtungen südafrikanischer Feministinnen die Hemmschwelle in Sachen Gewalt gegen Frauen noch senken.

Der Fall des afrikanischen Läufers erinnert frappant an den Fall eines deutschen Boxers: Bubi Scholz, auch er zu seiner Zeit berühmt, wenn auch nicht mehr im Ring.

Scholz hatte vor genau 30 Jahren seine Frau erschossen, ebenfalls durch die Badezimmertür. Und obwohl er sogar die Silhouette seiner vor ihm und dem Jagdgewehr flüchtenden Frau durch die Glastür des Bades hatte sehen können, bekam er nur drei Jahre und war sehr bald wieder frei.

So ein Frauen-
leben ist eben
nicht viel wert.

Das Herz der Nation schlug damals nicht etwa auf der Seite des Opfers, sondern auf der des Täters. Der arbeitslose Bubi sei von seiner tüchtigen Frau (die eine Drogerie auf dem Ku’damm führte) ja regelrecht abhängig gewesen, klagte der unnachahmliche Gerhard Mauz im Spiegel und die Saarbrücker Zeitung seufzte: „Vor Gericht macht Bubi eher den Eindruck eines Opfers denn eines Täters.“

Zwei Jahre nach den tödlichen Schüssen auf seine Frau konnte Bubi Scholz das Gefängnis verlassen. Abgeholt wurde „der Boxer mit dem gebrochenen Herzen“ im weißen Mercedes von seiner Freundin, die er seit fünf Jahren hatte. Und sodann kassierte er noch obendrein die 650.000 DM Lebensversicherung seiner Frau. Denn es war ja weder „Mord“ noch „Totschlag“, sondern nur „fahrlässige Tötung“.

Ganz wie im Fall Pistorius.

So ein Frauenleben ist eben nicht viel wert. Vor allem dann nicht, wenn der arme Mann so „leicht erregbar“ ist, wie Pistorius.

Aktualisiert am 12.9.2014

 

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