Orange Is The New Black: Frauenpower!
Musik wummert, im Foyer der ehemaligen Werkhalle flimmern Szenen aus „Orange Is The New Black“ über eine Riesenleinwand. Ich sitze in einem quietschenden Ledersessel und warte. Gleich werde ich mit zwei OITNB-Darstellerinnen sprechen: Uzo Aduba (Crazy Eyes) und Dascha Polanco (Dyanara). 15 Minuten. Persönlich! Die TV-Serie um das (Über)Leben im Frauenknast ist inzwischen Kult. Die vierte Staffel startet am 17. Juni, und die Staffeln fünf bis sieben sind schon in Planung. Die beiden sind erst gestern Abend spät aus den USA angekommen, Jetlag, und müssen erst mal was essen. Dascha, 33, spielt in der Serie die temperamentvolle Latina Dayanara Diaz, die im Dauer-Fight mit ihrer Mutter liegt (sie ist auch im Gefängnis) und von einem der Wärter schwanger wurde. Uzo, 36, mimt Suzanne „Crazy Eyes“, die, total verliebt, zu recht verstörenden Maßnahmen greift, um die angebetete Piper zu erobern. Und wie endete nochmal die dritte Staffel? War da nicht ein Loch im Zaun und alle…? Oh, es ist soweit, die Tür geht auf, die Pressefrau winkt, ich kann rein. Kreisch!
Hi Dascha, hi Uzo! Könnt ihr mir kurz erzählen, wie es in der vierten Staffel weitergeht?
Dascha: Nein, wir verraten nix!
Uzo: Ha, ha, schon fertig mit dem Interview!
Die beiden lachen laut. Und sie sind ganz schön aufgebretzelt. Dascha im schwarzen Spitzenoberteil und weißen Rock, Uzo im knallblauen Etuikleid, beide tragen Highheels. Wir kennen die beiden ja immer nur im beigen bzw. orangenen Knast-Outfit.
Mal ehrlich: Habt ihr damit gerechnet, dass Orange Is The New Black so ein unglaublicher Erfolg wird?
Dascha: Nein! Ich war einfach nur glücklich, dass ich überhaupt einen Job hatte!
Uzo: So ging‘s mir auch! Wir hätten uns das niemals träumen lassen. Für die meisten von uns war es das erste Mal überhaupt, dass wir für eine TV-Produktion – und dann noch so eine große - gebucht worden sind.
Dascha: Als ich gestern hier mit dem Flieger gelandet bin, ging mir durch den Kopf: Hier bin ich! Jetzt sogar in Deutschland! Ein eingewandertes Mädchen aus der Dominikanischen Republik - weil die Leute mich sehen wollen. Das ist ganz schön überwältigend!
Sie haben hart gekämpft für ihren Traumberuf. Uzo, die einen nigerianischen Background hat, spielte lange nur in kleinen Theaterproduktionen - ohne Gage. Die paar Dollar zum Leben verdiente sie als Kellnerin. Ausgerechnet als sie nach dem xten erfolglosen Filmcasting heulend in der U-Bahn saß und sich gerade dazu entschlossen hatte, doch lieber Anwältin zu werden, kam sie: die Zusage für Orange Is The New Black. Dascha wurde mit 18 schwanger. Sie hatte hin und wieder kleinere TV-Rollen und machte eine Ausbildung zur Krankenschwester. Sie war gerade im Dienst, als sie vom Casting-Termin für Orange in ihrer Stadt hörte. Da war Dascha schon großer Fan von Drehbuchautorin Jenji Kohan („Gilmore Girls“ und „Weeds - Kleine Deals unter Nachbarn“). Also sauste sie von der Arbeit in ihrem Kittel zum Vorsprechen – und bekam den Job!
Die Serie mit dem Drehbuch von Jenji Kohan besteht den Bechdel-Test, diesen ultimative Test für Geschlechtergerechtigkeit, ja mit Bravour: Im Film sprechen mindestens zwei Frauen miteinander – und zwar nicht über einen Mann. Ist das das Erfolgsgeheimnis der Serie?
Uzo: Ja, Jenji ist ein Genie! Sie schafft es, ganz unterschiedlichen Frauen eine Stimme zu geben. Schon ihre Serie Weeds war revolutionär, mit einer weiblichen Anti-Heldin!
Dascha: Das besondere an Orange ist: Wir schauen zwar auf Menschen in einer sehr speziellen Lage, im Knast. Aber wir sehen das Leben! Da geht es um Rassismus und auch um Abgrenzung zwischen den einzelnen Gruppen. Wir sehen ganz außergewöhnliche Frauen wie Crazy Eyes, Dayanara oder Red, denen wir sonst ja niemals begegnen würden.
Und wir lernen diese Frauen in einer ziemlich unmenschlichen, brutalen Umgebung kennen.
Uzo: Ja, die Frauen sind nicht nur eingesperrt, sie haben oft auch vergessen, dass sie mehr sind als eine Nummer in der Gefängnis-Akte. Aber auch diese Frauen haben eine Geschichte, einen Background, eine Familie, sie sind Mütter und Töchter. Jenji hat mit der Serie auch ein Licht auf das Strafsystem geworfen – und auf die Ungerechtigkeiten, die Frauen widerfahren. Und das hat sie auf sehr geschickte, sehr lustige und dramatische Weise gemacht. Und das ist doch die beste Art von Kunst: Wenn sie dich zum Nachdenken bringt, weil du in einem Moment lachst – und es dir im nächsten Moment im Halse stecken bleibt.
Drehbuchautorin Kohan hat schon angekündigt, dass es insgesamt „etwas düsterer und zynischer“ in der vierten Staffel zugehen wird. Das Gefängnis von Litchfield muss ab sofort Profit erwirtschaften und dazu weitere Insassinnen aufnehmen – die Situation wird noch beengter, noch härter. Und: Das Geheimnis um Suzannes Vergangenheit wird – wie üblich in Rückblenden – gelüftet!
Uzo, du spielst Crazy Eyes, die mit den verrückten Augen, die eigentlich Suzanne heißt. Frauen werden ja oft beschuldigt, verrückt zu sein, weil sie aus der Rolle fallen.
Uzo: Ja, und Frauen wurden mit der Diagnose Hysterie eingesperrt! Aber Suzanne ist gar nicht verrückt, sie ist einzigartig! Was ich besonders an ihr mag: Sie ist immer sie selbst – und sie entschuldigt sich nicht dafür. Sie liebt wie verrückt – und macht sich damit sehr verletzlich. Alles, was sie sagt oder tut, macht für mich Sinn.
Alle Hauptdarstellerinnen der Serie sind ja Frauen. Wie ist das beim Rest der Crew?
Uzo: Auch in den höheren Positionen sind der Großteil Frauen: in der Produktion und, klar, die Drehbuchschreiberin.
Dascha: Sogar beim Dreh sind es mehrheitlich Frauen. Wir haben girl gaffers …
Uzo: …und Kamerafrauen und Regie-Assistentinnen! Orange ist schon etwas Besonderes. Das ist mir in der ersten Staffel klargeworden. Es war ein richtiger Schock, durch das Set zu gehen – und da saßen all diese Frauen! Ich habe so etwas bisher nur ein einziges Mal in meinem ganzen Leben erlebt, am Theater.
Dascha: Und das zeigt doch: Auch wir Frauen können ein wirklich großartiges Produkt erschaffen.
Uzo: Ja, hoffentlich setzt der Erfolg der Serie endlich mal dem Vorurteil ein Ende, Frauen seien nicht so tüchtig und nicht so fähig wie Männer.
Wie ist denn die Stimmung bei den Dreharbeiten?
Uzo: Wir sind schlimmer als ein Sack junger Katzen! Eigentlich fühlt es sich an wie in einer WG.
Dascha: Ich bin fürs Partymachen zuständig! (lacht)
Wir sehen in Orange ja auch ganz viele unterschiedliche Frauenkörper…
Beide: Jaaaaa!
Dascha: Das ist mir in diesen letzten vier Jahren so oft passiert, dass Frauen aus dem Publikum zu mir kamen und sagten: Endlich kann ich mal jemanden im Fernsehen sehen, der aussieht wie ich! Es macht mich stolz, das ich mithelfen kann klarzumachen: Wir sehen eben nicht alle gleich aus, wir sind wie ein Regenbogen verschiedener Körper, Hautfarben und so weiter ...
Die Pressefrau winkt, die Viertelstunde ist gleich um. Das ging aber verdammt schnell! Und ich darf das Selfie nicht vergessen! Ich quetsche mich zwischen die beiden Orange-Stars aufs Sofa. Und plötzlich ist mir mein kleiner Speckbauch völlig egal.
Die vierte Staffel von „Orange Is The New Black“ startet am 17. Juni, hier geht es zum Trailer. Eine Zusammenfassung der ersten bis dritten Staffel gibt es hier.
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