Schüler im Rock rocken Frankreich!
Mickael hat es getan. Er ist im Rock zur Schule gegangen, einem „ganz schlichten schwarzen“, den er sich von einer Freundin geliehen hat. Und der Abiturient war nicht der einzige, der an seinem Pariser „Lycée Gustave-Monod“ nicht die Hosen anhatte: Jeder dritte seiner Mitschüler kam wie Mickael am vergangenen Freitag im Rock zur Schule, und fast jede Mitschülerin. Und das nicht nur an dem Pariser Lycée, sondern zum ersten Mal an Schulen in ganz Frankreich. Denn der 19. Mai war in Frankreich der „Journée de la jupe“, der „Tag des Rocks“.
Jede vierte Schülerin fühlt sich belästigt und angegriffen
Die Idee: Jungen tragen das „Mädchen“-Kleidungsstück, um Flagge gegen Sexismus und Diskriminierung von Frauen zu zeigen. Erstens, weil Frauen „immer noch 23 Prozent weniger verdienen als Männer und doppelt so viel im Haushalt arbeiten“, erklärt der 17-jährige Gabin aus Le Mans. Er ist am Freitag ebenfalls im Rock zur Schule gegangen, und das, „obwohl wir ein sehr sportlastiges Gymnasium mit vielen Fußballern sind“. Aber über zehn seiner Freunde haben mitgemacht und die blöden Sprüche weggesteckt. Auch, um auf ein weiteres Problem aufmerksam zu machen: „Eine von vier Schülerinnen fühlt sich im Alltag belästigt und angegriffen“, weiß Gabin. Für ihn ist klar, dass er sich „mit den Mädchen solidarisieren“ will.
Entstanden ist die Idee zum „Tag des Rocks“ schon 2006 an einem technischen Gymnasium in Etrelles bei Rennes. Dort hatten die Schülerinnen eines Tages die Nase voll gehabt von den zahllosen anzüglichen Sprüchen, die sie sich von ihren Mitschülern anhören mussten. Vor allem dann, wenn sie einen Rock trugen. Also riefen sie den „Tag des Rocks“ aus und schließlich – nachdem die Aktion eine Riesendebatte an ihrer Schule entfacht hatte – sogar den „Frühling des Rocks“.
Die Idee trug Früchte. Andere Schulen zogen nach und 2009 machte ein Spielfilm namens „La Journée de la Jupe“ den „Tag des Rocks“ im ganzen Land bekannt. Darin spielt Isabelle Adjani eine Lehrerin in einem sozialen Brennpunkt, die den Machismo ihrer Schüler nicht mehr erträgt. Auch sie stammt, wie viele ihrer SchülerInnen, aus einer arabischen Familie, und hat sich mühsam von den streng religiösen Kleidervorschriften befreit: Sie trägt Rock – und wird dafür von den Klassen-Machos als „unanständig“ gedisst. Als eine Situation eskaliert, sperrt die Lehrerin ihre SchülerInnen in der Klasse ein und fordert einen „Tag des Rocks“.
Toutes en jupe! Alle im Rock! Jungen und Mädchen in ganz Frankreich.
Ein Jahr später startet die Initiative „Ni Putes Ni Soumises“ (Weder Huren noch Unterworfene) die Aktion „Toutes en jupe!“ (Alle im Rock!) „Alle“ meint in diesem Fall noch ausschließlich die Mädchen und Frauen. „Ni Putes Ni Soumises“, die mutig den Sexismus in der nordafrikanischen und arabischen Community in den Banlieues attackieren, postulieren das Recht auf den „unanständigen“ Rock als „Widerstand gegen den Machismo“.
Im Jahr 2017 schließlich rufen alle vier Schulgewerkschaften im ganzen Land zum Tag des Rocks auf – und diesmal sollen auch die Jungen mitmachen. „Das ist die Gelegenheit, das Thema Gleichberechtigung anzupacken. Es ist ein entscheidendes Thema, aber trotzdem wird an den Schulen kaum darüber gesprochen“, klagt Coline Mayaudon. Die Sprecherin der SchülerInnen-Gewerkschaft „Syndicat général des lycéens“ erklärt: Der „Tag des Rocks“ solle „Debatten anregen, von der ungleichen Bezahlung bis zum täglichen Sexismus“.
Wenn man Mickael und Gabin so zuhört, scheint das Lernziel erreicht.