Politikerinnen stärker für Homo-Ehe

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Rund drei von vier aller weiblichen Abgeordneten (76 %) haben am 30. Juni 2017 für die Homo-Ehe gestimmt – aber nur gut jeder zweite männliche Abgeordnete (54 %). Das ist schon ein Unterschied, und kein kleiner!

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Auch bei der CDU/CSU hat fast jede dritte Frau (31 %) für die Homo-Ehe gestimmt – aber nur rund jeder fünfte Mann (22 %). Das bestätigt auch die Erkenntnisse der Sexualwissenschaft: Das Verhältnis älterer Frauen – und die Abgeordneten sind ja meistens älter – zur Homosexualität ist gelassener als das älterer Männer.

Warum? Weil viele Frauen mit den Jahren auch die Schattenseiten der Heteroehe kennengelernt haben: vom sexuell Unbefriedigtsein bis zur Hausarbeit oder zur Steuerklasse V im Beruf. Und weil diese Frauen sich darum mehr Gleichberechtigung von einer homosexuellen Beziehung versprechen. Warum also nicht auch die Homo-Ehe?!

Dass Kanzlerin Merkel zu den Nein-Sagerinnen gehört, ist bekannt. Bemerkenswert ihr Winkelzug: Ja zur Adoption, auch bei verpartnerten Männern, Nein zur „heiligen Ehe“ auch für Homos. So versucht Merkel, es allen recht zu machen.

Wird die Homo-Ehe vor dem Verfassungsgericht überprüft?

Für die Homo-Ehe gestimmt haben bei den Konservativen insgesamt 25 Frauen, darunter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Kulturministerin Monika Grütters, Ex-Familienministerin Kristina Schröder und die frühere Vorsitzende der Frauenunion, Maria Böhmer.

Einen besonderen Mut für das Ja zur Homoehe mussten natürlich die CSU-Abgeordneten aufbringen. Die Nürnbergerin Dagmar Wöhrl – von Beruf Rechtsanwältin und von Passion ehemalige Miss Germany – hatte diesen Mut.

Und wie sieht es bei den Männern aus? 50 männliche Unions-Abgeordnete haben mit einem Ja zur Homoehe abgestimmt, darunter zwei Merkel-Vertraute: Kanzleramts-Chef Peter Altmeier und Generalsekretär Peter Tauber. Ebenso, klar, der CDU-Rebell Jens Spahn, der mit seinen profilierten Positionen u.a. zur Homo-Ehe und zum Islamismus die Kanzlerin herausfordert.

Soweit, so aufschlussreich. Doch wie geht es weiter? CDU und CSU werden es nicht riskieren – aber werden einzelne konservative Abgeordnete den Gang zum Verfassungsgericht gehen, um die Legalität der Homo-Ehe auf die Übereinstimmung mit dem Grundgesetz von den Richtern in Rot prüfen zu lassen? Oder wird sich gar die AfD damit profilieren wollen?

Wie auch immer: Man kann es, wie so oft, so oder so sehen. Es gibt solide juristische Argumente für eine Konformität der Homo-Ehe mit dem Grundgesetz – und auch solche dagegen. Auch diese Entscheidung wäre also weniger eine rechtliche und eher eine ideologische. Das war bei dem 1975 vom Verfassungsgericht auf Klage der CSU hin gekippten Recht auf Abtreibung (in den ersten drei Monaten: Fristenlösung) nicht anders.

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Ein Triumph für die Liebe!

Foto: Imago
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Ein Kulturkampf à la française ist Deutschland erspart geblieben. Am Freitag hat der Bundestag mehrheitlich das Recht auf die Ehe auch zwischen zwei Frauen bzw. zwei Männern beschlossen. Die Homoehe ist der Heteroehe jetzt auch in Deutschland uneingeschränkt gleichgestellt (inklusive Adoptionsrecht). Das ist ein gewaltiger Schritt, der nicht nur von juristischer, sondern auch von hoher symbolischer Bedeutung ist.

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Der Anstoß zum Handeln kommt ausgerechnet von einer CDU-Kanzlerin

Von nun an wird die Liebe zwischen Frauen bzw. Männern auch von rechts- und staatswegen so ernst genommen wie die Liebe zwischen Frau und Mann. Was für eine Gesellschaft keineswegs selbstverständlich ist, für die bis heute die Heterosexualität als vorrangige Norm gilt. Umso mehr ist die Unermüdlichkeit und Entschlossenheit zu bewundern, mit der der Lesben - und Schwulenverband (LSVD) und so mancheR engagierteR PoltikerIn dafür gekämpft haben. 

Dafür haben die Frauenbewegung und die Homosexuellenbewegung den Boden bereitet. Sie haben in den vergangenen 50 Jahren das Primat der patriarchalen Heterosexualität entschieden infrage gestellt und bekämpft. Im Westen. Resultat ist nicht nur die gesellschaftlich weitgehende Akzeptanz, sondern nun sogar das Recht auf die Ehe.

Im Osten hat es diesen Kampf gegen die (Zwangs)Heterosexualität nicht gegeben. Diese Ideen konnten erst nach Fall des Eisernen Vorhangs auch nach Osteuropa einsickern, also vor einem Vierteljahrhundert. Zu hoffen, dass es nicht noch ein Vierteljahrhundert dauern wird, bis auch in diesen Ländern – in denen es bisher noch nicht einmal die homosexuelle Lebenspartnerschaft gibt – ein Bewusstseinswandel stattfindet und auch die Homoehe selbstverständlich wird. Mit aller Macht zu verhindern versuchen das in Osteuropa vor allem die katholischen und christlich-orthodoxen Kräfte.

Es ist nicht ohne Komik, dass ausgerechnet die CDU-Kanzlerin den Anstoß zu diesem plötzlichen Handeln gab. Mit ihrem Satz zur „Gewissensfrage“ (beim Pro und Contra zur Homoehe) brachte sie den Stein ins Rollen. Opposition und SPD sprangen schnell auf den anfahrenden Zug. Sie scheinen sich davon, dass sie das heiße Wahlkampfthema Monate vor der Wahl vom Tisch bringen, etwas zu versprechen. Es ist nicht sicher, dass der Kalkül aufgeht. Denn schon jetzt spielen die Konservativen die Unschuldigen, tun so, als hätten nicht sie die Homoehe über Jahre verhindert. Auf die genauen Abstimmungsergebnisse dürfen wir also gespannt sein.

Als ich 1984 in EMMA erstmals für das „revolutionäre“ Recht auf die Homoehe plädierte („In einer zwangsheterosexuellen Welt ist es eine Unerhörtheit, die homosexuelle Liebe so ernst zu nehmen die die heterosexuelle“), da schlug mir noch ein Schwall von Spott und Kritik entgegen. Allen voran von engagierten Schwulen und Lesben. Denn damals galt die Ehe noch als „reaktionär“.

Und das war sie auch in der Tat. Inzwischen jedoch ist das Eherecht auch für Heterosexuelle so weitgehend reformiert worden, dass es Ehefrauen nicht mehr entrechtet. Nur das Steuerrecht benachteiligt noch die Ehefrauen: Mit der hohen Steuerklasse 5, für "Zweitverdiener", wenn beide berufstätig sind. Und mit dem Ehegattensplitting, mit dem Vater Staat nicht nur mit Milliarden die Hausfrauenehe subventioniert, sondern das auch ein Argument ist für Ehemänner, ihre Frauen an der Berufstätigkeit zu hindern, vor allem in Kombination mit der Steuerklasse 5 ("Bleibt eh nix übrig"). Totzalledem kann es heutzutage selbst für die emanzipierte, heterosexuelle Frau Gründe geben zu heiraten, so ihr danach der Sinn steht. Gerade wenn Kinder da sind, könnte die Ehe sogar ein Schutz für Frauen sein.

Anno 1984 allerdings habe selbst ich nicht daran geglaubt, dass die von mir im Kontext einer EMMA-Titelgeschichte zur "Lesbenehe" geforderte Homoehe wirklich kommen würde. Damals ließen sich die ersten Frauen von rebellischen PfarrerInnen trauen. Doch: „Ich bin sicher", hatte ich damals geschrieben, „dass diese Gesellschaft homosexuelle Frauen und Männer nie das uneingeschränkte Eherecht zugestehen wird“. Manchmal ist "die Gesellschaft“ eben doch fortschrittlicher, als befürchtet.

Die Kluft zwischen den Kulturen ist größer geworden

50 Jahre Kampf für die Akzeptanz von Homosexualiät – davon die letzten 20 Jahre auch für die Homoehe – das ist lang für ein Menschenleben, aber kurz für die Menschheitsgeschichte. In einem wahrhaft rasanten Tempo rückt der christlich geprägte Westen damit von dem Primat der „heiligen Ehe“ ab. Die Werte werden neu sortiert. Was verständlicherweise nicht allen passt, jedoch nun mehrheitlich Konsens ist. Und darüber dürfen sich nicht nur die direkt Betroffenen von Herzen freuen.

Gleichzeitig steigert das die Gefahr eines Rückschlages. Schon heute gibt es weite Regionen in der Welt – allen voran die islamischen Länder – für die Homosexualität eine der schlimmsten Sünden ist, auf die totale gesellschaftliche Ächtung bis hin zum Tod droht. Die Kluft zwischen den Kulturen ist also mit der Entscheidung für die Homoehe nicht kleiner, sondern größer geworden. Und es gehört nicht viel dazu, zu weissagen, dass diese Entscheidung die Verachtung nicht nur der schariagläubigen Muslime, also der Islamisten, gegen den „dekadenten Westen“ steigern wird. Auch fundamentalistische Christen sowie Ultrakonservative und Rechte sind wütende GegnerInnen der Akzeptanz von Homosexualität, von der Homoehe ganz zu schweigen.

Das müssen wir aushalten. Darauf können wir stolz sein. Das müssen wir verteidigen.

Alice Schwarzer

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