Wenn die ZEIT investigativ recherchiert

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Nach der Kölner Silvesternacht schickte die ZEIT acht Reporter nach Köln. Die recherchierten wochenlang. Heraus kam nichts – bzw. das Gegenteil der Wahrheit. Denn bereits zu dem Zeitpunkt stand fest, was wenig später der NRW-Untersuchungsbericht bestätigte: Ausgehend von etwa 2000 jungen Männern war in dieser Nacht 624 Frauen sexuelle Gewalt angetan worden. Doch die ZEIT fand nur ein paar junge Männer, die etwas heftiger als üblich gefeiert hatten. Ansonsten warnte sie vor „Islamkritik“ und Rassismus – anspielend auf Fälle, in denen Einzelne (wie EMMA) es gewagt hatten, die Realität zu benennen: Die Täter waren fast ausschließlich aus dem muslimischen Kulturkreis und Flüchtlinge oder Illegale gewesen.

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Auf Befehl: Sabine Constabel steht Rede & Antwort

Jetzt ist wieder einer der „investigativen" ZEIT-Reporter von Köln unterwegs, Christian Fuchs. Als erstes stellte er der Vorsitzenden des Vereins Sisters e.V. bohrende Fragen: Wie viele Mitglieder? 232. Wie vielen Frauen schon zum Ausstieg aus der Prostitution verholfen? Dutzenden. Wo bleibt die angekündigte Schutzwohnung? Kommt, sobald genügend Mittel für Wohnung und Halbtagsbetreuerin vorhanden sind.

Und die finale Frage Nr. 8: „Warum findet sich auf Ihrer Webseite nicht eine Notruf-Telefonnummer für Menschen, die akut Hilfe brauchen?“ Auch darauf antwortete Sabine Constabel brav, ihres Zeichens Sozialarbeiterin und seit 28 Jahren als Streetworkerin in der Prostitutionsarbeit: „Wir arbeiten alle ehrenamtlich. Also in unserer Freizeit. Am Abend, im Urlaub und am Wochenende. Wir können deshalb eine kontinuierliche telefonische Erreichbarkeit noch nicht anbieten.“

Christian Fuchs, ZEIT-Autor im Ressort Investigativ
Christian Fuchs, ZEIT-Autor im Ressort Investigativ

Tja. Der Kollege von der ZEIT scheint Sisters mit einem der vielen Prostitutionsvereine zu verwechseln, die, wie Hydra in Berlin, von Kommunen und/oder Bund alljährlich Hunderttausende Euros einstreichen. All diese Vereine machen nach eigenem Bekunden vor allem Pro-Prostitutionsarbeit, das heißt, sie beraten Frauen vorwiegend für den Einstieg in die Prostitution. Und sie vertreten offensiv die Auffassung: Prostitution sei "ein Beruf wie jeder andere". Sisters aber arbeitet – bisher – ausschließlich mit Spenden und ehrenamtlicher Arbeit.

Ein Reporter schickt Alice Schwarzer sonnige Grüße

Und Sisters sowie Solwodi sind in Deutschland die bisher einzigen Vereine, die Frauen ausschließlich für den Ausstieg beraten und – jenseits aller Ideologie und Lobbyinteressen – über die Realität der Frauen in der Prostitution aufklären: Nämlich dass 90-95 Prozent aus Osteuropa kommen und Armutsprostituierte sind. Aber das ist es wohl nicht, was den ZEIT-Kollegen interessiert.

Also machte er sich - nicht etwa alleine, sondern zusammen mit Missy-Chefin Stefanie Lohaus - auf Recherchereise bei anderen Mitgliedern von Sisters. Die Position von Missy zur Prostitution ist hinlänglich bekannt: Für die Zeitschrift ist Prostitution „ein Beruf wie jeder andere“ und brauchen weder die Frauen mehr Schutz, noch die Händler mit der Ware Frau mehr Grenzen.

Dem folgte der dritte, der wohl entscheidende Schritt des investigativen ZEIT-Reporters: die Fragen an die "liebe Alice Schwarzer", geschickt mit „sonnigen Grüßen“. Die hat sich nun entschieden, die inquisitorischen Tendenzfragen des ZEIT- Reporters an dieser Stelle öffentlich zu beantworten:

Zusammen mit Missy-Lohaus auf Recherche

1. Waren Sie bei der Gründung des Vereins am 13.05.2015 im Bayenturm ("FrauenMediaTurm") in Köln anwesend? Falls ja: Warum werden Sie nicht als Mitgründerin des Vereins im Gründungsprotokoll aufgeführt?
Da der Verein in Köln gegründet wurde, habe ich den Frauen, die ich zum Teil seit langem kenne und schätze, gerne Starthilfe gegeben.

2. Der Verein durfte für seine Pressearbeit in der Vergangenheit auch den Presseverteiler der EMMA-Redaktion nutzen. Sind wir da richtig informiert?
Da sind Sie richtig informiert. EMMA unterstützt Vereine wie Sisters oder Solwodi sehr gerne, und wo sie nur kann. Wir freuen uns, dass es in Deutschland, diesem Eldorado der Zuhälter und Freier, wenigstens diese zwei Vereine gibt, die Prostituierten in Not helfen.

3. Wie unterstützen Sie persönlich oder die EMMA - über die wohlwollende Berichterstattung über die Themen des Vereins auf emma.de und in EMMA hinaus - die Vereinsarbeit außerdem noch?
Mit Spenden. Ab und an.

4. Wieso unterstützen Sie die Vereinsarbeit und sind auf (außerordentlichen) Mitgliederversammlungen bspw. in Berlin am 27.09.2015 anwesend, aber treten öffentlich nicht mit oder für den Verein auf?
Weil ich schon genug zu tun habe.

Und was ist
jetzt mit Leni Breymaier und der SPD?

Zufrieden, Herr Kollege? Jetzt fehlt nur noch die Recherche bei dem zweiten Vorstandsmitglied von Sisters, bei Leni Breymaier. Die ist Landesvorsitzende der SPD in Baden-Württemberg. Sollten Sie herausfinden, dass die SPD heimlich Sisters unterstützt und für mehr Schutz und Ausstiegshilfen für Prostituierte ist – ja, dann hätte Ihr Enthüllungsjournalismus sich echt gelohnt! Die EMMA wäre die erste, die dann wohlwollend über Ihre journalistische Meisterleistung berichtet.

Spenden an SISTERS e.V. sind herzlich willkommen: BW Bank, IBAN DE 93 6005 0101 0004 0715 09, BIC SOLADEST600, BLZ 60050101, KTO-NR 4071509. Finanzamt Stuttgart, Steuernummer: 99059/31460. – www.sisters-ev.de
 

 

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SISTERS sagen Politik den Kampf an!

Leni Breymaier, Sabine Constabel und Huschke Mau stellen SISTERS in Berlin vor. © Britta Pedersen/dpa
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Nach zehn Jahren Prostitution konnte Huschke Mau einfach nicht mehr. Die junge Frau wollte aussteigen. Sie ging zu einer Beratungsstelle. Da sagte man ihr: „Wenn du aussteigen willst, dann geh halt nicht mehr ins Bordell!“ Sie sei „total geschockt“ gewesen, erklärt sie: „Prostituierte, die aussteigen wollen, haben riesige Probleme: Sie werden bedroht, haben Schulden und häufig auch Suchtprobleme.“ 

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Was da an diesem Vormittag in Raum 107 der Bundespressekonferenz in Berlin lief, war eine Premiere für Deutschland. Bisher waren in den Medien vor allem Prostituierte zu sehen und zu lesen, die es „freiwillig“ und vor allem „gerne“ tun. Jetzt gibt SISTERS erstmals Prostituierten eine Stimme, die offen sagen, wie zerstörerisch die Prostitution für sie ist – und kritisiert die falsche Toleranz mit dem System Prostitution und dessen Profiteuren. 

Die Zeit scheint reif. Das war auch den JournalistInnen in dem kleinen überfüllten Konferenzraum anzumerken, die den drei Frauen vorne auf dem Podium sehr aufmerksam zuhörten und sehr genaue Fragen an sie stellten: der Sozialarbeiterin und Streetworkerin Sabine Constabel, der Gewerkschafterin und SPD-Politikerin Leni Breymaier, sowie der Studentin und Ex-Prostituierten Huschke Mau. Danach zum Beispiel, was die SISTERS zu der geplanten Reform des Prostitutionsgesetzes sagen. 

Harsche Kritik an der Toleranz mit dem System Prostitution

Die sei „eine Katastrophe“, erklärte die erfahrene Sozialarbeiterin Constabel. „So, wie die Reform der Reform jetzt angedacht ist, nutzt sie weiterhin eher den Zuhältern und Bordellbetreibern als den Frauen in der Prostitution.“ Constabel arbeitet seit 25 Jahren mit Prostituierten und bedauert, dass es „in Deutschland sehr, sehr wenig Hilfsangebote für Prostituierte gibt. Und die wenigen, die es gibt, können von den Frauen oft nicht angenommen werden.“ Warum nicht? „Weil man ihnen dazu signalisieren müsste, dass man um ihre Not weiß.“

Das aber ist in Deutschland, wo Prostitution seit der fatalen rot-grünen Reform von 2002 als „Beruf wie jeder andere“ gilt, nicht angesagt. Die von der Sexindustrie-Lobby gestützte (oder gar initiierte?) Fraktion der „Sexarbeiterinnen“ argumentiert vor allem damit, dass die „Nichtakzeptanz der Prostitution stigmatisierend“ sei und der Grund allen Übels. Die SISTERS aber sagen, dass die Prostitution selbst das Übel ist, das die Frauen zerstört.

Nun droht auch das neue „Prostituiertenschutzgesetz“ nach 13 Jahren zum zweiten Mal von der Lobby der Sexindustrie bis zur Wirkungslosigkeit zerrieben zu werden. „Wir haben die Hoffnung aufgegeben, dass in naher Zukunft gesetzliche Regelungen kommen, die die Prostituierten wirklich schützen“, erklärte Constabel.

Deshalb ergreifen jetzt engagierte Fachfrauen und ausgestiegene Prostituierte wie Huschke Mau die Initiative. Mau: „Ich wünsche mir eine andere Stimme als die der so genannten ‚Sexarbeiterinnen‘ von der Pro-Prostitutions-Lobby, die zur Hälfte aus Dominas und zur Hälfte aus ZuhälterInnen besteht.“ Die junge Frau, die auch offen über den sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit sprach („Später dachte ich: Dann tu ich es jetzt wenigstens für Geld“), hat es nach vielen einsamen Versuchen doch noch geschafft auszusteigen. Und jetzt möchte sie dazu beitragen, dass auch andere in die Prostitution abgerutschte Frauen wieder herausfinden aus „der Hölle“. „Als ich aussteigen wollte, habe ich davon geträumt, dass es einen Verein wie SISTERS gibt.“

Hunderttausende Prostituierte
aus Osteuropa -
und niemand
schaut hin.

Und was macht die Gewerkschafterin vorne am Podium? Sie habe, erzählt Leni Breymaier, die baden-württembergische ver.di-Chefin, im Sommerurlaub ein Buch über die deutsche Besatzung in Polen gelesen. Und da gab es eine Szene in einem Danziger Caféhaus: Während drinnen die feinen Damen an ihrem Tee nippten, wurden draußen Juden von der SS vorbeigetrieben. Die Damen schauten kurz auf und führten sodann ihre Gespräche fort. Breymaier: „So ähnlich kommt es mir heute vor: Wir haben Hunderttausende Armutsprostituierte aus Osteuropa mitten unter uns – und niemand schaut hin!“ 

Dabei seien in der Prostitution alle Spielregeln, die in anderen Berufen gelten, außer Kraft gesetzt, klagte die Gewerkschafterin. „Von einem Mindestlohn können die Frauen nur träumen, Arbeitsschutz
existiert schlicht nicht.“ Ob es denn nicht auch andere Berufe gäbe, die für Frauen hart seien? „Beruf?“, konterte Breymaier, die unter anderem an der
Seite der Schlecker-Frauen kämpfte: „Prostitution ist kein Beruf. Das ist eine Menschenrechtsverletzung!“ Und Huschke Mau sekundierte: „Ich kenne keinen Beruf, in dem Sucht und Traumatisierung zum normalen Berufsrisiko gehören.“ Und überhaupt: Sie könne „das Gequatsche von der ‚Sexarbeit‘ nicht mehr hören“.

Auch Leni Breymaier, die außerdem stellvertretende Vorsitzende der SPD Baden-Württemberg ist, ging die Politik hart an: „Deutschland ist heute das Bordell Europas. Für mich ist das unerträglich. Die Politik wäre gefordert, aber sie kommt ihrer Aufgabe nicht nach. Ich möchte deshalb den Frauen meine Hand reichen, die diese Hand nehmen wollen.“

Die Idee: ehren-
amtliche Helfe-
rinnen betreuen
Prostituierte

Die Idee, den Verein SISTERS zu gründen, tauchte Anfang des Jahres auf. Sie kam aus dem Kreis der engagierten Frauen um Sabine Constabel. Seit vielen Jahren hat Constabel gute Erfahrungen gemacht mit ihrem „Stuttgarter Modell“ der ehrenamtlichen Helferinnen. Die betreuen Prostituierte auf dem Strich, im Laufhaus oder auch in dem Prostituierten-Café „La Strada“. Ihre Hilfe geht von der einzigen warmen Mahlzeit am Tag für die Frauen auf der Straße, über Beratung bei Gewalt oder Schwangerschaft bis hin zur Begleitung beim Ausstieg. 

„Ich bekomme regelmäßig Anrufe von Frauen, die mich fragen: ‚Was kann ich tun?‘“, sagt Constabel. Warum also nicht versuchen, dieses „Stuttgarter Modell“ der „Patinnen“ über ganz Deutschland zu verbreiten? Und das selbstverständlich in Kooperation mit Organisationen, die bereits heute wirkliche Ausstiegsarbeit machen, wie zum Beispiel Solwodi.

Zusätzlich zu diesen wenigen bereits existierenden Organisationen, bisher ausnahmslos christliche, treten jetzt also die weltlich-humanistisch motivierten SISTERS an. Sie appellieren an Frauen in ganz Deutschland, sich für den Job einer begleitenden „Sister“ zu melden. Dafür bieten sie Qualifikationskurse an. „Sie müssen keine Expertin sein“, schreiben sie auf ihrer Website. „Lebenserfahrung und Einfühlungsvermögen können genügen.“ Constabel: „Die Frauen brauchen einfach jemanden, der ihnen signalisiert: Wir wissen um deine Not. Und der sie an der Hand nimmt und mit ihnen in eine neue Welt geht.“

SISTERS wollen auch aufklären über die Folgen des Frauenkaufs

Constabel hat schon viele Frauen dazu gebracht, ihrer Familie zu verkünden, dass „sie jetzt eben nicht mehr 200 Euro im Monat nach Hause schickt, sondern nur noch 100 Euro“. Das sei selbst im Niedriglohnbereich leicht zu bewerkstelligen, denn: „Die Kosten für die Prostitution sind enorm. Die Frau muss für ihr Bordellzimmer und womöglich noch für das ihres ‚Aufpassers‘ mindestens sieben Freier machen – am Tag.“ Fallen diese Kosten weg, könne eine Aussteigerin selbst mit einem Job als Kellnerin oder Zimmermädchen mehr verdienen.

Die SISTERS wollen der Mehrheit der Armuts- und Zwangsprostituierten helfen, die oft kaum ein Wort Deutsch verstehen, aber auch der Minderheit der deutschen Prostituierten, die ebenfalls nicht selten im Teufelskreis der sexuellen Gewalt stecken – so wie einst Huschke Mau. Die erklärte auf der Pressekonferenz, dass die Trennung zwischen „sauberer“ deutscher Prostitution und „schlimmer“ ausländischer Prostitution ein Mythos sei. „Die Rechnung deutsch gleich freiwillig geht nicht auf“, sagte Mau. „Ich habe in zehn Jahren Prostitution keine einzige Frau erlebt, die keine Gewaltgeschichte hatte, und die nicht traumatisiert in die Prostitution gegangen ist – und noch traumatisierter wieder herauskam.“ Auch Mau selbst kommt aus einer Familie, „die mich für die gewalttätigen Übergriffe in der Prostitution vorbereitet hat“.

Es geht darum den Frauen zu vermitteln: "Du bist etwas wert!"

Aber die SISTERS wollen mehr als „nur“ helfen. Die SISTERS wollen auch aufklären. Aufklären über die erschütternde Lage von Hunderttausenden von Frauen in Deutschland, mitten unter uns. Und die werden in Zeiten der Flüchtlingsströme eher mehr als weniger. Und sie wollen aufklären über die Folgen der Akzeptanz des Frauenkaufs für alle Frauen und Männer in unserem Land. Sie wollen in Zukunft auch in Schulen, Bürgerzentren und Anhörungen auftreten, um den Menschen die Augen zu öffnen.

Die Reaktionen auf die Pressekonferenz der SISTERS Ende September in Berlin waren schon in den Tagen danach beachtlich; zahlreiche Presseagenturen, Zeitungen und Zeitschriften berichteten. Vor allem die Kritik von SISTERS an der stockenden Reform und der, im besten Fall, hilflosen Politik wurde breit zitiert. Und allein in den ersten Tagen klickten rund 2 500 die Webseite der SISTERS an und liketen 467 die SISTERS auf Facebook. Ganz klar: Die SISTERS werden gebraucht.

www.sisters-ev.de

Aktualisiert am 4.11.2015
 

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