"Die haben mich gehetzt wie ein Tier!"
Alice Schwarzer: Wie fühlst du dich nach diesem Prozess, Monika? Nach dem Medienrummel und dem Urteil? Eigentlich müsstest du jetzt sehr deprimiert und eingeschüchtert sein, oder?
Monika Lundi: War ich zunächst auch. Am Montag, als ich von dem Urteil erfuhr - mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte - war ich ganz ohnmächtig. Aber inzwischen ist mir klar, dass ich weitermachen muss. Nicht nur für mich, auch für all die anderen, denen ähnliches passiert. Denn wenn noch nicht mal ich bei der sonnenklaren Beweislage mein Recht kriege - ja welche Frau soll es dann noch kriegen?
Wirst du in dieser Haltung von anderen unterstützt?
Nur von ganz ganz wenigen. Von Hartmut, meinem Mann, zum Beispiel. Aber was sonst so abläuft, ist natürlich ziemlich depremierend. Das fängt an bei den anonymen Briefen, die mir seit Wochen täglich ins Haus flattern, und in denen ich als "Hure", "Drecksau" oder "Pottsau" beschimpft werde. Ich hab ja schon mit einigem gerechnet, aber dass es so schlimm werden würde ... Als im Januar/Februar irgend so ein Bild-Zeitungsreporter das zufällig rausgekriegt hat, dass da in Kalifornien ein Prozess anhängig ist, in dem Driest und Lundi eine Rolle spielen, und dann ja auch prompt dieser infame Stern-Bericht kam, in dem die mir unterstellten, das alles hätte ich mir ausgedacht, um von Driest 100.000 Dollar zu erpressen - ja da hab ich einen solchen Horror gekriegt, dass ich nur noch mit Perücke einkaufen ging. - Allerdings: In den letzten Tagen ist mir auch Positives passiert. Die ältere Frau zum Beispiel, die mich am Samstag bei Tengelmann spontan angesprochen und immer nur gesagt hat: Sie schaffen es schon! Sie schaffen es schon!
Du rechnest damit, dass die Staatsanwaltschaft München, die sich schon bei dir gemeldet hat, jetzt hier Driest erneut den Prozess macht, und du willst diesmal als Nebenklägerin auftreten?
Ja, unbedingt! Zuerst hatte ich ja Angst vor den Schlagzeilen, ich wollte es nicht an die große Glocke hängen, und ich hatte auch juristisch keine Ahnung. Außerdem dachte ich, Nebenklage sei nicht nötig, da der Fall so klar war, und auch der amerikanische Staatsanwalt ganz sicher war, dass Driest verurteilt würde. Aber jetzt habe ich begriffen. Ich lass mir das diesmal nicht wieder aus der Hand nehmen!
Und was hast du in der Hand? Womit kannst du um dein Recht kämpfen?
Also da sind einmal die Fotos von meinen schweren Verletzungen und die Zeugenberichte aus dem Hospital, in das ich zwölf Stunden nach der ganzen Geschichte gegangen bin. Ich war ja physisch und psychisch völlig fertig, einem Nervenzusammenbruch nahe. Und ich werde nie vergessen, wie die mich da aufgenommen haben: einfach toll! Es waren sofort drei Sozialarbeiterinnen und zwei Krankenschwestern da. Ich habe keine Sekunde warten müssen, und die Frauen sind dann die ganze Nacht über bei mir geblieben. Die haben einen Arzt geholt, haben mich untersucht, haben meine Verletzungen fotografiert. Ich hatte starke Blutungen, die Lippe gesprungen, das Gesicht geschwollen, den Körper übersät mit Prellungen, einen Schnitt am Bauch und faustgroße Büschel Haare ausgerissen. Ich hatte riesige Kahlstellen am Kopf. Die im Krankenhaus haben dann von sich aus die Polizei verständigt, haben gesagt: das ist jetzt die dritte Vergewaltigung innerhalb einer Stunde! Es kam dann sehr schnell eine Polizistin, der ich alles erzählt habe, und der ich gesagt habe, dass ich den Mann nie mehr wiedersehen kann, dass ich Angst habe, dass der mich totschlägt.
Und dann ist doch da noch das Tonband . . . ?
Ja, darauf baue ich am meisten. Dieses Gespräch habe ich am 24. Juli 1979, also zwei Wochen nach der Nacht, telefonisch mit Driest geführt. Die amerikanische Staatsanwaltschaft hat mir das nahegelegt. Die arbeiten wohl drüben öfter so, dass, wenn sie einen Täter überführen wollen, sie versuchen, ihn in ein solches Gespräch zu verwickeln, um mehr Beweise in der Hand zu haben. - Es ist mir zwar wahnsinnig schwergefallen, hat mich eine unheimliche Überwindung gekostet, aber ich habe es trotzdem geschafft, habe fast eine Stunde lang mit Driest am Telefon gesprochen und habe alles auf Tonband. – Mein Pech war nur, dass Driest schon ab dem 11. Juli einen Anwalt hatte. Das amerikanische Recht schreibt in diesem Fall vor, dass der Anwalt des Angeklagten über geplante Ermittlungen der Staatsanwaltschaft informiert wird. Und das hat die Staatsanwaltschaft verständlicherweise vor dem Gespräch nicht gemacht - Driest hätte ja sonst kein Wort mehr rausgelassen. So kommt es, dass das Tonbandgespräch in dem amerikanischen Prozess nicht als Beweismittel zugelassen wurde. In dem deutschen Prozess allerdings müsste es zugelassen werden – und dann werden die Richter staunen.
Worüber?
Darüber, dass Driest in diesem Gespräch quasi alles zugibt. (Anm. der Redaktion: Wir haben das ganze Tonband selbst ganz abgehört, und können bestätigen, dass sich die folgenden Aussagen Monika Lundis mit den Tonbandaufzeichnungen decken.)
Kannst du mal Beispiele geben?
Ich hab ihm halt die ganze Sache noch mal vorgetragen, seine Gewalttätigkeit, die Vergewaltigung, und er widerspricht mir nicht einmal. Auf meine Frage: "Hast Du nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, warum du mir wehtun musst, und warum du mich vergewaltigen musst?", ist seine ganze Antwort: "Na ja." - Und wie ich ihn daran erinnert hab, wie sehr ich Angst gehabt habe. Das Hospital erstattete die Anzeige, weil er mir gedroht hat, und dass er zu mir gesagt hat: "Du bist 'ne Frau, die das braucht. Das weißt du nur selber noch nicht." - Gegen Ende des Gespräches hat er mir angeboten, dass wir "uns zusammensetzen" und "das austüfteln" ... Und das Wahnsinnige ist, dass er doch tatsächlich bei dem Telefonat - zwei Wochen nach der Vergewaltigung! - zu guter Letzt gesagt hat: "Ich bring Dir morgen 'ne Apfelsine mit, ist das okay?" - Ich war wie gelähmt.
Ich weiß nicht, ob es dir zuzumuten ist, Monika, aber da die Presseberichterstattung hier so verzerrend gelaufen ist - unter dem bezeichnenden Schlagwort "Sexprozess"! - wäre es vielleicht gut, du würdest noch mal versuchen, das dir Wichtigste vom Tathergang zu schildern.
Das war mein zweiter Tag in Amerika. Ich war ziemlich in Hochstimmung, hab mich sehr gefreut auf das Schauspielseminar bei Strasberg, denn ich hab ja keine Schauspielausbildung, bin von Beruf Grafikerin, und das war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, für meinen Beruf auch wirklich etwas tun zu können. Ich bin nämlich die Blondi-Rollen, auf die ich früher festgelegt wurde, mächtig leid, und habe in den letzten Jahren viele Anstrengungen gemacht, andere Sachen zu spielen. Wir waren insgesamt elf Leute aus Deutschland, die sich zu dem Kurs angemeldet hatten, und wir hatten uns vorher untereinander in Kontakt gesetzt. Jeder hatte eine Liste mit den Namen der anderen bekommen, und ich kannte nur einen: den Jürgen Prochnow, mit dem zusammen ich kurz vorher ein Fernsehspiel gemacht hatte. Der Jürgen Prochnow und der Burkhard Driest hatten uns allen am Abend vor Beginn des Seminars ein Treffen vorgeschlagen, im "Hotel Souverän" in Santa Monica. Ich hab ein anderes Hotel gebucht, bin aber dann pünktlich zu dem Treffen. Wir haben uns über den Kurs unterhalten, wie wir's organisieren, dass wir einen Sprecher wählen wollten etc. etc. Es war eigentlich unheimlich dufte. Gegen elf wollten wir nach Hause, und Driest und Prochnow schlugen mir vor, doch noch ein Glas bei ihnen zu trinken. Sie würden gleich um die Ecke, wohnen, in einem unheimlich tollen Haus, und sie würden mich dann auch nach Hause, ins Hotel, fahren. Okay. Ich war zwar eigentlich müde, aber bin noch mitgegangen, auf "ein Glas Wein" eben. Gegen halb eins hab ich dann gesagt: Also Kinder, seid mir nicht bös, ich bin jetzt todmüde und möchte gern ins Hotel. Nee, wir haben noch keine Lust, und: sei doch nicht so zickig, hier sind noch vier Schlafmöglichkeiten, und: "Du kannst doch auch hierbleiben", hieß es dann. An dem Punkt hat mich anscheinend mein Instinkt verlassen, ich hab nicht gleich die Gefahr erkannt. Ich wollte ein Taxi rufen, und dann haben die mir gesagt: Hier gibt es keine Taxis, das ist ein verlassener Vorort, wo jeder drei Autos vor der Tür hat. Ich bin dann trotzdem gegangen, dachte, dann find ich vielleicht ein Taxi auf der Straße. Im Flur stell ich fest, dass die Haustür verschlossen ist. Ich hab mich da also fünf, zehn Minuten draußen hingehockt, dachte, die kommen, und lassen mich raus - denkste. Ich bin also zurück. Jürgen stand noch auf der Terrasse und Driest sagte: Ah, das wusste ich ...
Hast du zu dem Zeitpunkt die Gefahr geahnt?
Aber überhaupt nicht! Das waren zwei Kollegen, den einen kannte ich gut ... Da war ich allerdings schon sehr sauer. Hab denen gesagt, dass ich das schofel finde, mich nicht, wie versprochen, nach Hause zu fahren. Prochnow ist dann in sein Zimmer verschwunden und Driest hat mir gesagt: Du, pass mal auf, wir reden hier um eine Scheißgeschichte rum. Also ich steh auf dir, und ich finde, wir könnten ruhig bumsen. Es sei denn, Du möchtest lieber mit Jürgen schlafen ... - Weder mit Jürgen noch mit Dir, hab ich ihm geantwortet. Wir haben uns zwar unheimlich dufte unterhalten, aber ich muss dir ehrlich sagen, ich bin nicht nach Amerika gekommen, um mit dir ins Bett zu gehen. Und dann hab ich noch gesagt: Sei mir nicht böse, lass uns morgen mal irgendwann drüber diskutieren. Es ist auch nicht so, dass ich gegen Männer bin. Aber bei mir ist nichts drin. Ich möchte nach Hause in mein Hotel. - Ich hatte meine Stiefel, meine Jacke, meine Jeans und mein T-Shirt an. Ich war auch nicht eine Sekunde ausgezogen. Nicht, dass Du jetzt denkst, ich will mich verteidigen ...
Klar verteidigst du dich! Und das ist ja auch kein Wunder. Schließlich hat dich die Presse wochenlang nicht wie die Zeugin der Anklage, sondern wie die Schuldige behandelt. Ob man will oder nicht: Da gerät man in die Defensive. Das ist ja das Infame! Und darum finde ich es auch so wichtig, dass du jetzt endlich hier mal deine Sicht der Dinge erzählen kannst.
Driest müsste eigentlich auch vorher schon gemerkt haben, dass sowas bei mir nicht drin ist. Er hatte uns zum Beispiel alle an dem Abend im Restaurant eingeladen - ich war, glaube ich, die einzige, die darauf bestand, ihr Essen selbst zu zahlen. Weil ich sowas einfach nicht mag. Ich hab mich, angezogen wie ich war, auf die Couch im Wohnzimmer gelegt. Ich muss dann so eingeschlafen sein. Vorher hatte er noch mindestens eine Stunde lang mit mir diskutiert, mir von sich erzählt. Er muss sich dann angezogen auf sein Bett gelegt haben, genau wie ich, und eingeschlafen sein. Nachts gegen fünf bin ich aufgewacht, hab auf die Uhr geschaut und gedacht, nun dauert's ja nicht mehr lange, um sieben mache ich Kaffee, und dann fahren wir zusammen in die Schule, und damit hat sich die Geschichte. Ich bin dann wieder eingeschlafen. Ja und dann fing der Horror an. Als ich aufwachte, hatte er mich schon an den Haaren auf den Teppich geschleift, ich hatte damals noch längere Haare, über mir hatte ich das glotzende, rote Gesicht. Ich habe sofort geschrien und gestrampelt, hab gesagt: Was hab ich Dir denn getan? Und daraufhin ging's erst richtig los. "Du Votze! Ich fick dich! Du bist die erste, die nicht mit mir will!" Und dann kriegte ich die Erste und dann die Zweite rein. Ich hab so laut nach Jürgen geschrien, dass ich noch fünf Tage danach heiser war. Driest hat weiter auf mich eingeschlagen, alles von mir gerissen, die Jacke, das Hemd, die Jeans. Und dabei hat er geschrien: "Ich bring Dich um!" Ich hab auch versucht, mich zu wehren. Aber ich glaube, das ganze spielte sich auf dem Boden ab ...
Und Jürgen Prochnow?
Da rührte sich nichts ... Na, er hat mich dann ins Schlafzimmer geschleift, hat mir die Beine auseinandergezwungen, mir das Tampon rausgerissen und mich penetriert. Dann hat er gesagt, ich soll sagen, dass ich ihn liebe. Das kann ich nicht, hab ich geantwortet. Prompt hatte ich die nächste in der Fresse. Dann hab ich aufgegeben, hab gedacht, das ist die einzige Möglichkeit, hier noch lebend rauszukommen. Ich hatte echt Angst, der bringt mich um. Prochnow kam rein, als alIes vorbei war und Driest sich gerade von mir runtergewälzt hatte.
Machte er einen beklommenen Eindruck?
Nee, der tat so, als wäre nichts. Sagte: Hallo, guten Morgen ihr beiden, ihr müsst aufstehen, wir fahren in die Schule. - Da bin ich wie eine Irre aufgesprungen und an ihm vorbeigesaust, er hinter mir her, Driest blieb liegen. Draußen hab ich zu ihm gesagt: Ja hast Du denn nicht gehört, was passiert ist heute nacht? Nichts wie raus hier! Der bringt Dich auch noch um! - Ja um Gottes willen, hat Prochnow da geantwortet, tatsächlich, wie siehst Du denn aus?! Er hat alles gesehen und später alles abgestritten! Auch noch feige. Ich bin dann irgendwie noch mit beiden im Auto zur Schule gefahren und hab da in meiner Verwirrtheit auch den ganzen Schultag noch mitgemacht. Beim Aussteigen aus dem Auto vor der Schule hat Driest noch zu mir gesagt: "Das war erst der Anfang. Heute Abend komme ich wieder. Und wenn Du ein Wort sagst, bring ich Dich um!"
Driest ist doch dann am nächsten Tag verhaftet worden?
Ja, nachdem das Krankenhaus bei der Polizei Meldung gemacht hatte. Ich hab dann meinen Kursus weitergemacht, gottseidank. Aber nach drei Tagen taucht er wieder auf. Die hatten den auf Kaution freigelassen. Er kam dann auch wieder ins Seminar. Erst als die Polizei Strasberg informierte, wurde er sofort gefeuert. - Bis dahin aber hat er versucht, die anderen auf mich zu hetzen. Die bequatschten mich andauernd, ich sollte mich doch mit ihm "aussprechen" und so ... Er sei doch so ein armes Schwein, und mir könnte doch auch nicht daran liegen, dass er nochmal ins Gefängnis käme …
Wie hast denn du das eigentlich alles durchgestanden?
Für mich war es schon sehr schlimm. Ich war ja auch ganz alleine. Aber ich wollte doch auf gar keinen Fall nun auch noch meinen Schauspielkursus sausen lassen. Im Nachhinein weiß ich auch, dass es gut war, dass ich das weitergemacht habe! Na, und dann hörte meine Periode nicht mehr auf. Sechs Monate lang Blutungen, ohne Unterbrechung. Kannst Du Dir das vorstellen? Und dann ging es im Februar, als die Presse anfing, wieder los. Ich war beim Arzt, und der hat mir gesagt: Vielleicht ist es besser so, Ihr Körper wehrt sich eben, das muss alles raus.
Wie ist es denn dann beim Prozess gelaufen? Und wie kommt es eigentlich, dass die ganze Sache dann plötzlich einen ganz anderen Dreh gekriegt hat? Schließlich sah es doch zunächst so aus, als hätte Driest mit einer schweren Strafe zu rechnen!
Ja, aber er hat dann ja noch so einiges aufgefahren. Zeugen wie Elke Lang, die angeblich tägliche Tagebuchnotizen mit mich entlarvenden Informationen hatte. Die tauchte übrigens überhaupt erst in der dritten Woche im Seminar auf, als schon alles passiert war. Sie wohnte bei Driest und Prochnow und behandelte mich zunächst ganz giftig. Dann hat sie ihre Strategie geändert und ein einziges Mal mit mir gesprochen. Ihr sogenanntes "Tagebuch", das war ganz leer - bis auf eine Seite: nämlich die Seite über mich. Na, und dann ist natürlich den lieben langen Tag lang in meinem Privatleben rumgewühlt worden. Hirsch, der Driest-Anwalt, hat die aberwitzigsten Sachen behauptet: Ich hätte in Sex-Filmen gespielt und so ... Ich kann mich nur freuen, dass ich ein ziemlich harmloses Privatleben habe, sonst wäre womöglich noch ich im Gefängnis gelandet ... Ich kam mir da vor, wie eine Angeklagte! Über Driest übrigens kein Wort: noch nicht mal seine Vorstrafen wurden vor Gericht vorgetragen.
Na, da ist es dir ja wirklich genauso ergangen, wie es Frauen in Vergewaltigungsprozessen fast immer geht!
Kannst Du wohl sagen. Und dann hat der Staatsanwalt – der ja sozusagen mein Verteidiger war, da ich als Kronzeugin keinen Verteidiger haben kann - mir noch vor dem Prozess geraten, möglichst mit flachen Schuhen zu kommen, um noch kleiner und zierlicher zu wirken, ein hochgestecktes Kleid anzuziehen und mich nur ja nicht auffällig zu benehmen.
Der hat es wahrscheinlich auch noch "gut gemeint" ...
Sicher. Und Driest hat seinerseits offensichtlich dieselben Tipps gekriegt. Sonst wäre er da ja nicht jeden Tag im Konfirmationsanzug aufmarschiert ... Mir allerdings war das zuviel! Ich hatte einfach keine Lust, mich nun auch noch zu verkleiden! Ich bin da ganz normal hingegangen, und hab mich auch normal benommen?
Was heißt das?
Die haben mir eben immer gesagt, ich sollte "seriös" sein: Be serious, please! Be serious! Aber ich war dann ganz die Monika wie früher. Ich hab‘ auch mal ne Gegenfrage gestellt, oder war ironisch. Und wenn der mich gefragt hat: Also hat er Sie denn zuerst geschlagen oder zuerst an den Haaren gezogen?, dann hab ich gelacht, hab gesagt: Ist doch scheißegal, Tatsache ist, dass er beides getan hat! Und wenn die mir so Fragen gestellt haben wie zum Beispiel, wie groß sein Penis war, dann habe ich eben gewagt, zu sagen: Ich hab ihn nicht gemessen.
Und die Presse?
Ein Kapitel für sich! Die haben mich gehetzt wie ein Tier. Ich hab jeden Tag das Hotel und den Namen gewechselt. Sie haben es sogar mit Bestechungsgeldern versucht ... Immer alles unter dem scheinheiligen Deckmäntelchen: die arme Lundi. Aber ich habe mit keinem gesprochen! Die Zitate in der deutschen Presse sind ausnahmslos den Prozess-Protokollen entnommen! Ich wusste gleich, dass die Presse mir nur schaden wird. Denn das ist doch klar: dass ich nun auf lange, lange Zeit keine Rolle mehr kriege! Welcher Produzent wagt denn schon, mit so einer "Skandalnudel" zu besetzen?
Der Stern hat ja sogar behauptet, du hättest die "Story" exklusiv an eine Illustrierte verkauft ...
Ja. Dagegen habe ich inzwischen eine einstweilige Verfügung erwirkt. Wenn er den Stuss noch mal schreibt, droht dem Stern eine Strafe von einer halben Million …
Und wenn du doch vorher mit dem einen oder anderen Journalisten geredet hättest?
Ach, das wäre doch nur darauf rausgelaufen, dass ich mich hätte rechtfertigen müssen! Und das wollte ich nicht! Vor denen schon gar nicht! Ich bin auch zu lange im Job, um die nicht zu kennen. Die versprechen dir sonst was, und abschließend sagen sie: Ach Gott, das hat die Redaktion geändert; oder: das war ein Versehen etc. etc. Ich glaube auch nicht, dass der Trend dann anders gelaufen wäre. Die sind doch nur auf Skandal und Sensation aus.
Haben sich eigentlich in Amerika Frauen aus der Frauenbewegung bei dir gemeldet?
Ja, ganz viele! Ohne die hätte ich das auch nicht so durchgestanden. Am letzten Wochenende war ich jede Sekunde mit denen zusammen. Die waren auch im Prozess. Sehr dufte Frauen, die mir wirklich imponiert haben! Das klappt überhaupt sehr gut in Amerika. Ich habe jetzt richtig Lust, hier auch sowas mit aufzubauen.
Es gibt hier schon in vielen Städten "Notrufe" für vergewaltigte Frauen und auch Gruppen und Anwältinnen, die sich engagiert mit um die Prozesse kümmern. Weißt du das?
Bis jetzt wusste ich das nicht. Aber seit Amerika weiß ich, wie bitter notwendig solche Gruppen sind, wenn's dir mal passiert. Nur denkt man ja leider vorher immer: das passiert nur den anderen ...
Wie fühlst du dich, seit du zurück bist?
Ich hab mich erst mal verbarrikadiert. Auch während des Prozesses war ich noch nicht mal in der Lage, meine beste Freundin, die drüben wohnt, anzurufen. Ich war so ausgekotzt. Ich will ja jetzt auch nicht immer mit dieser Scheißvergewaltigung und den Schlägen leben, darauf kann ich mir ja nicht mein Leben aufbauen. Ich muss also einerseits vergessen, und das versuche ich auch, und andererseits damit fertigwerden, mich nicht niederkriegen lassen, mich wehren. Ich hab früher nie geraucht, jetzt rauch ich Kette.
Du hast vorhin gesagt, dass du dich im Februar so gedemütigt gefühlt hast, dass du nur noch mit Perücke einkaufen gegangen bist ...
Ja. Ich hab‘ mir sogar damals ein Appartement gemietet, von dem noch nicht mal meine Freundinnen wussten, und bin da fünf Wochen lang mit der Geschichte im Kopf wie ein Tiger auf- und abgelaufen ... Ich hab‘ gewusst, dass ich das alleine durchziehen muss, dass mir da keiner helfen kann.
Wie wir vor drei Tagen zum ersten Mal miteinander telefoniert haben, ist mir gleich aufgefallen, dass du tatsächlich so geredet hast, als müsstest du dich verteidigen ...
Ja, stimmt ... Ist aber auch nur normal, bei dem, was in der Presse stand. Die Bild-Zeitung hat ja sogar mal getitelt: Staatsanwalt sucht Monika Lundi! Na, dann denken fünf Millionen: die wird gesucht. In Wahrheit ging's nur darum, dass ich eine Aussage machen sollte ... Ich mache Driest hier den Prozess! Mein Leben war so, dass ich mich schon als Kind sehr habe wehren müssen, ums durchzustehen. Und eigentlich kann ich das auch. Darauf muss ich mich jetzt besinnen. Ich will es mir nicht gefallen lassen! Aber momentan bin ich natürlich ein angeschlagenes Tier. Und das spüren die einfach...
Und was wirst du jetzt tun?
Ich werde mich nicht verkriechen. Ich werde Driest hier den Prozess machen! Und wenn das vorbei ist, wird mein Leben in vielen Punkten anders sein als bisher. Ich war früher schon wach, aber ich hab‘ die Gefahr nicht so geschehen. Ich hab‘ mich oft stundenlang gefetzt mit den Leuten - nur, das reicht eben nicht. Mir ist klar geworden, dass man wirklich etwas tun muss. Ich kann nicht länger da sitzen, und mir sagen: ok, ich verdiene mein Geld, und ansonsten wird's schon irgendwie gehen...
Hast du denn da auch die Möglichkeit, dir ab und zu irgendwo Kraft zu holen?
Ja. Ich habe drei Freundinnen, die mich sehr bestärkt haben! Auch der Hartmut hält ja zu mir. Und viele der Menschen, die mich seit Jahren kennen, auch. So die Leute in dem Dorf, in dem ich am Wochenende immer bin. – Am Samstag hab‘ ich mich allerdings dabei erwischt, dass ich gezögert habe, hinzufahren… Und als ich ankam und spontan aussteigen wollte, hab‘ ich plötzlich gedacht: Oh Gott, Du bist ja barfuß! Und- hab‘ die Schuhe wieder angezogen. Ich fahre nämlich oft barfuß, und in dem Dorf ist das auch ganz üblich, barfuß rumzulaufen. Zum Glück hab‘ ich mich selbst dann gerade noch dabei ertappt, dass ich den Dreck schon so geschluckt habe, dass ich mich selber ducke. Ja, und dann hab‘ ich die Schuhe wieder ausgezogen, und bin barfuß ins Dorf. Wie immer.
Das Gespräch führte Alice Schwarzer.