Liebe Angela, der Osten lebt!
2017 habe ich sechs Monate in einem Dorf bei Bautzen verbracht, entschlossen mich zu integrieren. Tagsüber versuchte ich, Syrern Deutsch beizubringen. Abends und am Wochenende suchte ich meinen kleinen Platz in den Lebenswelten zwischen Bautzen und Dresden. Ich besuchte AfD-Stammtische, Pegida-Demos, Kneipen, Sportvereine und Ortschaftsratsversammlungen. Alles war für mich, die West-Berlinerin, fremd und interessant.
Anfangs waren die Menschen – meist Männer – mir gegenüber derart misstrauisch, wie ich es als ehemalige Nahost-Korrespondentin noch nicht einmal beim syrischen Geheimdienst erlebt hatte.
Immer wollten sie wissen, was mich denn in die Gegend verschlagen hätte („Hier zieht doch keine freiwillig hin“). Das erste Mal, als ich ehrlich antwortete: „Ich bin Ex-Nahost-Reporterin, jetzt Deutschlehrerin für Syrer“, wurde ich prompt als „naive Gutmenschin“ für die „Asylschmarotzer“ verhöhnt. Fortan behauptete ich, „mein Mann und sein Beruf“ hätten mich nach Ostsachsen gebracht.
So kam ich typischen „Abgehängten“ näher als andere JournalistInnen, die ja, ebenso wie Politiker, in der Region regelmäßig mit Tomaten beworfen und bei Versammlungen von Plätzen gejagt werden. Und vielleicht habe ich sogar ein wenig mehr erfahren, als die zahlreichen Soziologen, die sich mit dem Phänomen „Ost-Mann“ beschäftigen. (...)