Birte Meier gegen das ZDF

Foto: Frontal21/ZDF
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Eigentlich hat Birte Meier nur ihren Job gemacht. Als Politjournalistin war es jahrelang ihre Aufgabe, Skandale und Ungerechtigkeiten aufzudecken. Dafür wurde sie mit zahlreichen Preisen belohnt. Dann wurde sie in eigener Sache aktiv, deckte auf, dass ihre männlichen Kollegen - teilweise sehr viel kürzer beschäftigt als sie, mit weniger Erfahrung und Erfolg - deutlich mehr verdienten. 2016 zog sie zum ersten Mal vor Gericht. Ihre Klage wurde abgewiesen. Der Richter begründete das damals damit, dass die fest-freie Mitarbeiterin Meier ihr Gehalt nicht mit festangestellten Kollegen vergleichen könne. Meier ging in Berufung.

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Grundrecht ist das Papier nicht wert, auf dem
es steht

Vor Gericht legte sie nun zwölf Beispiele von männlichen Kollegen vor, die bei vergleichbarer Arbeit, teilweise in der gleichen Tarifgruppe mehr verdienten als sie. Die strukturelle Benachteiligung begann für sie schon damit, dass sie als einziger Redakteur niedriger in die damalige Tarifgruppe eingruppiert wurde. Ganz zufälligerweise war sie auch die einzige Frau.

Neben der strukturellen Benachteiligung, geht es Meier aber nun auch um offene Diskriminierung.

Ihre Anwälte zitierten den Redaktionsleiter, der bei einer Weihnachtsfeier gesagt haben soll, dass „Frauen im politischen Journalismus nichts zu suchen hätten“, der Frauen in Bewerbungsgesprächen nach ihrem Kinderwunsch gefragt und sich über weibliche Kollegen lustig gemacht hätte. Chefs hätten auch schon mal die Konferenz mit den Worten verlassen: „Ist ja keiner da“, wenn nur Frauen anwesend waren. Hunderte Seiten Indizien und Berichte über frauenfeindliche Äußerungen waren dem Gericht dennoch nicht Anlass genug, ZeugInnen anzuhören.

Ein Unding, wie Angelika Knop, die Equal-Pay-Day-Expertin des Journalistinnenbundes erklärt: „Für eine genauere Untersuchung reicht der Anschein der Diskriminierung nach deutschem und vor allem europäischem, auch in Deutschland verbindlichem, Recht. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz kennt den Begriff ‚mittelbare Diskriminierung‘. Es ist nicht notwendig, dass böse Absicht dahintersteckt und vor Zeugen geäußert wird.“

Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hält die Klageabweisung des Landesarbeitsgerichtes Berlin für ein gravierendes Fehlurteil. „Wenn ein so gut dokumentierter Fall wie dieser vor deutschen Gerichten scheitert, ist das ein Skandal und eine Zumutung für jedeN KlägerIn“, sagt Professor Dr. Nora Markard, Vorstandsmitglied der GFF.

Meier wollte Auskunft über die Löhne ihrer Kollegen sowie eine Anpassung an deren Gehälter erstreiten. Zusätzlich forderte sie eine Entschädigung in Höhe von 80.000 Euro.

All das wies die Richterin zurück. Meier sei eben nur „arbeitnehmerähnlich“ beschäftigt und könne nicht ausreichend nachweisen, wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden zu sein. Dadurch greife auch das 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz nicht, nach dem MitarbeiterInnen von Unternehmen mit mehr als 200 Angestellten Auskunft darüber bekommen können, wie viel ihre Kollegen im Mittelwert verdienen. Meier sei einfach nicht angestellt genug.

Freie RedakteurInnen arbeiten genau wie festangestellte. Sie haben einen festen Arbeitsplatz, übernehmen Wochenenddienste, müssen präsent sein, tragen die gleiche Verantwortung – erhalten jedoch keinen festen Vertrag.

„Die Klägerin hat gezeigt, dass die männlichen Beitragsmacher in der Redaktion bei gleicher Tätigkeit mehr verdienen als sie. Wäre das Gericht der – verbindlichen – europäischen Rechtsprechung gefolgt, hätte nun das ZDF detailliert nachweisen müssen, warum das gerechtfertigt ist. Das Gericht hat mit seiner Entscheidung zementiert, dass in Deutschland das Grundrecht auf gleiche Bezahlung nicht das Papier wert ist, auf dem es geschrieben steht“, so Nora Markard weiter.

Aber die Journalistin Birte Meier wird nicht aufgeben.

Birte Meiers Rechtsanwältin Chris Ambrosi gibt jedoch Hoffnung: „Die Lage ist keineswegs so klar wie das Gericht es dargestellt hat. Der Gesetzgeber hat nicht ausdrücklich arbeitnehmerähnliche Personen vom Entgelttransparenzgesetz ausgenommen. Nach europäischen Vorgaben muss das Auskunftsrecht auch für sie gelten.“ Birte Meier wird nicht aufgeben. Sie und der Journalistinnenbund setzen darauf, dass auf dem weiteren Rechtsweg, eventuell bis vors Bundesverfassungsgericht oder vor den Europäischen Gerichtshof, Frauen ein vernünftiger Weg eröffnet wird, die im Grundgesetz garantierte Gleichberechtigung zu erlangen.

Zudem sollte ein gewisses Geschmäckle nicht vergessen werden, betont Knop: „Ein Sender wie das ZDF, der mit Formaten wie „Frontal 21“ Missstände aufklären will, jene anprangert, die gegen Recht und Ordnung verstoßen, Diskriminierung und Sexismus aufdeckt, macht mit seinen eigenen MitarbeiterInnen genau das Gegenteil.“

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Gender Pay Gap? Bleibt!

© fotolia/biker3
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Manchmal zeigt sich der Verfall einer Idee schon im Titel: Ein „Entgeltgleichheitsgesetz“ hatte die ehemalige Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) einst versprochen. Etliche Diskussionen später war es auf ein „Entgelttransparenzgesetz“ geschrumpft. Nun also Transparenz statt Gleichheit. Das ist mehr als ein kleiner Unterschied, es ist eine andere Stoßrichtung. Und es ist noch nicht einmal der kleinste gemeinsame Nenner.

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Die Meinungen über das neue Gesetz klaffen weit auseinander: Von einer „bürokratischen Zumutung“ reden die Unternehmen, von einem zahnlosen Tiger diejenigen, die sich mehr erhofft hatten. „Besser als nichts“ ist noch das netteste, was man über das Vorhaben hören kann. Immerhin: Das „Bundesforum Männer“ begrüßt die Initiative, auch weil der Interessenverband hofft, dass die Männer auch dadurch endlich irgendwann die leidige Rolle des Haupternährers loswerden könnten.

Aus Entgelt-Gleichheit
wurde Entgelt-Transparenz

Worum geht es? Schwesig war einst angetreten, den Gender Pay Gap, die Lohnlücke zwischen Mann und Frau, zu beseitigen. 21 Prozent soll sie nach Angaben des Statistischen Bundesamts noch immer betragen. Rechnet man verschiedene Faktoren wie längere Auszeiten und Teilzeit heraus, bleibt eine „bereinigte“ Lücke von etwa sieben Prozent, die mit so weichen Kriterien wie schlechter Verhandlungsstrategien der Frauen begründet wird. Dagegen wollte der Staat etwas tun.

Der Grundgedanke: Nur wenn Frauen wissen, dass sie weniger verdienen, können sie auch dagegen vorgehen. Deshalb bekommen sie nun einen individuellen „Auskunftsanspruch“ gegenüber ihrem ­Arbeitgeber, vorausgesetzt, sie arbeiten in einem Unternehmen mit mehr als 200 MitarbeiterInnen. Frauen, die sich unterbezahlt fühlen, können nun verlangen, dass das Gehalt einer Vergleichsgruppe offengelegt wird. Nicht von einzelnen Kollegen, sondern nur von einer anonymen Gruppen männlicher Kollegen, die die „gleiche“ oder eine „gleichwertige“ Arbeit erledigen.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Männer und Frauen zu diskriminieren, etwa indem man sie für gleiche Arbeit unterschiedlich vergütet, ist schon heute verboten, allen voran in Paragraph 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgsetzes (AGG). Auf dieser Basis gab es schon einige – wenige – Klagen.

Oftmals, so klagten Arbeitsrechtler, fehlte es aber an den entscheidenden Referenzgrößen. Das soll dieses Gesetz nun ändern.

Was ist eine "gleiche" bzw. "gleichwertige" Tätigkeit?

Doch es ist fraglich, ob es das tut. Das fängt schon bei den Begrifflichkeiten an. Was, in aller Welt, sind in unserer modernen, digitalen Arbeitswelt, mit dem ständigen Zwang zur Fortbildung und Weiterentwicklung „gleiche“ oder auch nur „gleichwertige“ Tätigkeiten? Wie wichtig sind Erfahrungsschatz und Fähigkeiten oder Verantwortung und physische und psychische Belastungen?

Erschwerend hinzu kommt, dass der Arbeitgeber die Auskunft auch aus datenschutzrechtlichen Gründen verweigern kann, wenn die Vergleichsgruppe weniger als sechs Mitarbeiter enthält. „Ich habe meine Zweifel, dass das Gesetz den Frauen wirklich etwas bringt“, sagt deshalb Kerstin Neighbour, Partnerin der internationalen Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells. Nun kann frau es natürlich trotzdem einfach versuchen. ­Arbeitgeber sind ja nicht per se darauf ­bedacht, Frauen um jeden Preis schlechter zu behandeln als die männlichen Kollegen. Existiert ein Betriebsrat, müssen Frauen sich an ihn wenden. Der Arbeitgeber erfährt gar nicht erst, wer nachgefragt hat. Die Arbeitnehmervertreter sind auch diejenigen, die die Informationen zur Verfügung stellen, also konkret den Mittelwert des Gehalts vergleichbarer Kollegen, inklusive Dienstwagen und sonstigen Sachleistungen.

Interessant dürfte das vor allem in Betrieben sein, die nicht an einen Tarif gebunden sind. Denn alle anderen können sich in vielen Fällen darauf beschränken, die tarifvertraglichen Entgeltregelungen zu nennen. Der Gesetzgeber privilegiert damit ausdrücklich alle tarifgebundenen Betriebe, weil er davon ausgeht, dass die Ungleichheit dort weniger ausgeprägt ist.

Viel Aufwand also für wenig Nutzen. Immerhin kennt jetzt jeder den „Gender Pay Gap“. Vielleicht ist das schon der größte Verdienst des Gesetzes.

Corinna Budras

Die Autorin ist Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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