Kongress gegen Prostitution in Mainz!
Wenn Rosen Hicher am Nachmittag des 2. April um 17.30 Uhr gemeinsam mit sieben anderen Aussteigerinnen vor die Presse tritt, wird sie einen rund 220 Kilometer langen Fußmarsch zurückgelegt haben: von Straßburg nach Mainz. Es ist nicht der erste „Survivor’s March“ der 63-jährigen Französin, die 22 Jahre Prostitution überlebt hat. Im Herbst 2014 startete sie ihren 800-Kilometer-Marsch in Saintes an der französischen Westküste, ihrem letzten „Dienstort“, und endete an der Bar in Paris, in der die sechsfache Mutter 1988 begonnen hatte, sich aus Geldnot zu prostituieren.
Deutschland ist zum Bordell Europas geworden
Damals marschierte Rosen Hicher, eine der lautesten Stimmen Frankreichs gegen die Prostitution, um öffentlichkeitswirksam dafür zu kämpfen, dass Frankreich endlich die Freierbestrafung nach dem Schwedischen Modell einführt. Dieses Ziel haben Rosen und ihre MitstreiterInnen aus 62 französischen (Frauen)Organisationen im April 2016 erreicht. Seither gilt in Frankreich, wie in fünf weiteren europäischen Ländern, Prostitution als Verstoß gegen die Menschenwürde.
In Deutschland sind wir davon weit entfernt. Die Frauen und Männer, die sich vom 2. bis 5. April in der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität zum „3. Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen“ treffen, wollen das nicht länger hinnehmen. Deshalb lädt die „Coalition for the Abolition of Prostitution“ (CAP), ein internationales Netzwerk mit 27 Mitgliedsorganisationen aus 20 Ländern, von Schweden bis Südafrika, von Irland bis Indien, ein zu: Vorträgen, Diskussionen und Workshops über das „System Prostitution“, seine desaströsen Folgen und den Kampf dagegen.
Ausgerichtet wird der Kongress von CAP-Mitglied Solwodi (Solidarity for Women in Distress). Die Organisation wurde 1987 von Sr. Lea Ackermann in Kenia gegründet, heute unterstützt Solwodi auch in Deutschland mit insgesamt 18 Beratungsstellen Prostituierte beim Ausstieg. Kooperationspartner ist der Mainzer Verein „Armut & Gesundheit“, dessen Gründer und Vorsitzender Prof. Gerhard Trabert als Obdachlosen-Arzt arbeitet und weiß: „Die Hauptursache für Prostitution ist Armut. Das wird in der Gesellschaft tabuisiert und verdrängt.“
Nach der Eröffnung des Kongresses durch die VeranstalterInnen wird Alice Schwarzer am 3. April um 10 Uhr den Auftaktvortrag halten: „Prostitution & Feminismus“. EMMA-Redakteurin Chantal Louis diskutiert u. a. mit der SPD-Bundestagsabgeordneten und Sisters-Mitgründerin Leni Breymaier, Inge Bell von Terre des Femmes und Inge Kleine von KOFRA über den Kampf deutscher Feministinnen gegen das System Prostitution und über die Strategien der Pro-Prostitutions-Lobby.
Aussteigerinnen wie Sandra Norak, Mitglied von Sisters – für den Ausstieg aus der Prostitution, oder die irische Aktivistin Rachel Moran werden über ihre Erfahrungen in der Prostitution berichten.
Die amerikanische Psychologin Melissa Farley wird ihre aktuelle Studie über „Freier in Deutschland“ vorstellen. Die Psychotherapeutin Michaela Huber referiert über „Prostitution aus psychotraumatologischer Sicht“; ihre Kollegin Ingeborg Kraus, Initiatorin des Appells „TraumatherapeutInnen gegen Prostitution“, spricht über die Notwendigkeit eines Sexkaufverbots: „Gegen den Hass – Nordisches Modell jetzt!“
Folgt auf den Kongress endlich der Aufschrei?
Per Anders Sunneson, im schwedischen Außenministerium zuständig für die Bekämpfung von Menschenhandel, wird eine Bilanz ebenjenes Nordischen Modells ziehen. Genau vor 20 Jahren hat Schweden unter dem Motto „Kvinnofrid“ (Frauenfrieden) das Sexkaufverbot verabschiedet. Immer mehr Länder, zuletzt Israel, übernehmen das „Schwedische Modell“.
Und Deutschland? „Wir sind durch unsere liberale Gesetzgebung zum Bordell Europas geworden“, klagt Solwodi-Gründerin Ackermann. „Ich erhoffe mir von dem Kongress einen Aufschrei. Er soll ein klares Signal an die Politik senden.“
Termine
Programm: www.solwodiweltkongress.blogspot.com
Anmeldung: weltkongress2019@solwodi.de, www.cap-international.org