Maria 2.0: Frauen in alle Ämter!
Der scharfe Ton, den die Frauen auf der Tribüne im Schatten des Kölner Doms anschlagen, lässt keinen Zweifel: Die Zeiten von Demut und Gehorsam der weiblichen Schäfchen sind vorbei. „Ich bin empört, dass Verbrecher weiter Priester sein dürfen“, sagt Martina Brauckmann-Kleis. Sie sei römisch-katholische Theologin, die ihr Studium mit magna cum laude abgeschlossen habe, dennoch habe sie nicht mal ihre eigenen Kinder taufen dürfen. „Und was ist mein Verbrechen, das mich von der Priesterweihe trennt? Einzig, dass ich eine Frau bin!“
Die rund 500 Frauen und ein paar Dutzend Männer vor der Tribüne applaudieren. Einige von ihnen halten Schilder hoch: „Vor Gott sind alle Menschen gleich: Alle Ämter auch für Frauen!“ steht darauf oder „2000 Jahre Männerkirche reicht!“ Und: „Klimawandel in der Kirche!“ Die Laien-Basis rüttelt krräftig an der Macht der Kleriker.
„So geht es nicht mehr weiter! Es geht ja mit unserer Kirche nur noch bergab“, klagt Ursula Voll, Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) Bad Honnef, und überreicht ein Flugblatt mit ihren Forderungen: Zugang von Frauen zu allen Kirchenämtern! Demokratisierung der Kirche! Strafrechtliche Verfolgung von Missbrauchs-Tätern und Vertuschern! Aufhebung des Pflichzölibats! Und: Eine kirchliche Sexualmoral, die sich an der Lebenswirklichkeit der Menschen ausrichtet!
Schluss mit der demütigen und stummen Maria!
Begonnen hatte der Frauenaufstand in der katholischen Kirche schon im Frühjahr: Vom 11. bis 18. Mai traten Zehntausende Katholikinnen in den Kirchenstreik. Eine Woche lang weigerten sie sich, Kirchen zu schmücken und zu putzen, sie stellten ihre ehrenamtliche Gemeindearbeit ein und boykottierten die Gottesdienste. Stattdessen hielten sie – vor den Kirchen - eigene Andachten, bei denen Frauen predigten.
Angezettelt hatte den Streik ein Bibelkreis aus Münster. Die Frauen nannten ihre Aktion „Maria 2.0.“ Sie wollen das Bild von der demütigen, leidenden und stummen Gottesmutter neu besetzen. Ihre Forderungen – exakt die, die Ursula Voll auf ihrem Flugblatt verteilt – schickten sie in einem Offenen Brief an Papst Franziskus.
Der Funke, den die Münsteranerinnen entzündeten, sprang über und wurde zum Lauffeuer. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) mit ihren 450.000 Mitgliedern den Forderungen anschloss.
Und die Frauen von Maria 2.0 machen weiter. Wenn heute die deutschen Bischöfe zu ihrer Vollversammlung in Fulda zusammenkommen, werden sie wieder da sein. „Macht euch stark für eine geschlechtergerechte Kirche!“ lautete das Motto der Aktionswoche, zu der die kfd aufgerufen hat. Mehrere hundert Katholikinnen werden zum Protest in Fulda erwartet.
Der Funke von Maria 2.0 wurde zum Lauffeuer
Die Kölnerinnen legten schon einen Tag vorher los – mit einer Menschenkette um den Dom. Doch bevor Hunderte Frauen eines der größten Symbole für die Männermacht in der katholischen Kirche umstellten, legten sie scharfzüngig Zeugnis wider den Frauenausschluss ab.
Wer den Ausschluss von Frauen damit begründe, dass Jesus ein Mann war und nur Männer als Apostel gewählt hat, müsse sich fragen: "Wenn Zeichen entscheidend sind: Warum können dann auch Männer geweiht werden, die nicht palästinensische, verheiratete, Aramäisch sprechende Fischer oder Zöllner sind?“ spottete Annika Jülich und erntete neben Applaus auch Lacher. Und die Kölner Diözesanvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), die mit diesen Fragen ihre Aachener Kollegin Annette Jantzen zitierte, legte nach: „Gott ist Mensch geworden. Mensch - unabhängig von Zugehörigkeiten. Deswegen ist das Handeln in Vertretung Christi Menschensache. Wenn man aufgrund der Hautfarbe Menschen von dieser Möglichkeit ausschließen würde, wäre man rassistisch. Wenn man Menschen aufgrund ihres Geschlechts von dieser Möglichkeit ausschließt - ist man dann katholisch?“